Einsteins Grab auf der Rückseite des Mondes

kometHannes Stein: Der Komet. Galiani-Verlag. ISBN 978-3-86971-067-9. 272 Seiten, 18,99 Euro.

Es ist eine andere Welt: In Wien (und in Berlin) regiert noch ein Kaiser, Anne Frank hat als 70-Jährige gerade den Literaturnobelpreis erhalten, und Albert Einstein hat in einem Grab auf der Rückseite des Mondes seine letzte Ruhestätte gefunden. Das ist die Welt, in die Hannes Steins Roman »Der Komet« den Leser entführt. Eine Welt, in der es nicht den Ersten und auch nicht den Zweiten Weltkrieg gegeben hat.

Steins Debütroman spielt Ende des 20. Jahrhunderts in Wien, der Hauptstadt der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Während der namengebende Himmelskörper unaufhaltsam der Erde entgegenfällt, verfolgen die Leser das Schicksal einiger Einwohner der Stadt. Da ist ein Student, Alexej von Repin, der eine Affäre mit der schönen, aber verheirateten Barbara Gottlieb anfängt, da ist der Psychoanalytiker Dr.Anton Wohlleben, der einen verstörenden Patienten behandelt und sich regelmäßig mit dem Oberrabbiner und dem Bischof zum Kaffeetrinken trifft, und da ist der merkwürdige Fernsehphilosoph André Malek, dem der Zufall einen bösen Streich mit einem Blumentopf spielt.

Was das Werk so lesenswert macht, sind der Witz und die Fabulierfreude – und der Umstand, dass Stein uns in eine bessere, eine gemütliche Welt entführt ohne ideologischen Hass, ohne Finanzkrise und ohne die Erinnerung an millionenfachen Mord, in der man noch gemütlich im Café Central sitzt und an seiner Melange nippt und nicht mit einem Coffee-to-go-Becher in der Hand durch die Stadt hetzt.

Beunruhigend sind nur die Träume, die Dr. Wohllebens Patienten heimsuchen und zeigen, dass alles hätte anderes ausgehen können, wenn Kronprinz Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajevo doch einem Attentat zum Opfer gefallen wäre.

(Ostfriesen-Zeitung, 30.08.2013)

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