Dort versammeln sich Friesen

Der Upstalsboom im Auricher Ortsteil Rahe ist eine geschichtsträchtige Stätte. Er gilt einigen als Symbol für die Freiheit, ist für viele aber nur ein Ausflugsziel.

Der Upstalsboom bei Rahe war im Mittelalter Versammlungsstätte der Friesen. Das Denkmal ist aus dem 19. Jahrhundert.
Der Upstalsboom bei Rahe war im Mittelalter Versammlungsstätte der Friesen. Das Denkmal ist aus dem 19. Jahrhundert.

Der Upstalsboom, in einem Waldstück im Auricher Stadtteil Rahe gelegen, ist der Ort mit dem höchsten historischen Symbolgehalt in Ostfriesland. Trafen sich doch dort vom 12. bis ins frühe 14. Jahrhundert einmal im Jahr, um Pfingsten, die Abgesandten des freien Frieslands zum Thing, um alle gemeinsamen Angelegenheiten zu besprechen. Die ostfriesische Halbinsel war damals in »terrae«, Länder, unterteilt, kleine Zusammenschlüsse von Ortschaften, deren Namen sich bis heute erhalten haben wie Harlingerland mit dem Hauptort Esens, Rheiderland mit Weener oder Brookmerland mit Marienhafe. Eine zentrale, territoriale Gewalt gab es in diesen Ländern nicht, diese taucht erst im 14. Jahrhundert mit den Häuptlingen auf.

Später wurde der Upstalsboom das Symbol für die Freiheit der ostfriesischen Landstände. Schon 1678 verlieh ihnen der Kaiser ein Wappen, auf dem der Upstalsboom abgebildet ist. Heute ist es das Wappen der Ostfriesischen Landschaft, die ihren Sitz in Aurich hat. Unklar ist, was der Name bedeutet und seit wann der Platz ihn trägt.

Das Wappen der Ostfriesischen Landschaft von 1678 zeigt den Upstalsboom mit einem Ritter.
Das Wappen der Ostfriesischen Landschaft von 1678 zeigt den Upstalsboom mit einem Ritter.

Heute präsentiert sich der Upstalsboom als ein flacher, von Bäumen umstandener Hügel, auf dem sich eine steile Pyramide aus Findlingen erhebt. Es handelt sich ursprünglich um einen Grabhügel. Im frühen Mittelalter muss der Upstalsboom als Begräbnisstätte für eine sozial herausgestellte Person gedient haben.

Bei verschiedenen Gelegenheiten sind in der Nähe des Upstalsbooms gebrannte Knochen und dem Feuer ausgesetzte Tonscherben zu Tage getreten. Sie können die Spuren von Scheiterhaufen für frühmittelalterliche Brandbestattung sein oder Hinweise auf mittelalterliche Siedlungs- und Rodungsreste. Oder die Rückstände von Lagerfeuern der Landtage am Upstalsboom.

Pyramide wurde 1833 gebaut

Die Steinpyramide ist aus dem 19. Jahrhundert. Die ostfriesischen Landstände ließen sie 1833 an dieser Stelle errichten, um der Stätte ein würdiges Denkmal zu setzen. Das war die Zeit, als man sich überall in Deutschland der historischen Wurzeln bewusst wurde und dem Wirken der Vorväter oft mit großer Ehrfurcht entgegentrat. Neben seiner Funktion als Symbol der Ständefreiheit wurde der Upstalsboom damit auch noch ein Zeichen der Vaterlandsliebe.

Im Dritten Reich versuchten völkisch gesinnte Kreise und die Nationalsozialisten einige Zeit lang, den Upstalsboom für ihre Ideologie zu missbrauchen. Der Versuch, aus dem angeblichen »friesischen Heiligtum« so etwas wie eine nationalsozialistische Thing-Stätte für Versammlungen, Aufmärsche und Blut-und-Boden-Aufführungen zu machen, schlug aber fehl.

Friesentreffen am Pfingstmontag

Von der einstigen großen Ausstrahlung als Symbol der Ständefreiheit und Vaterlandsliebe ist nichts geblieben. An seine Funktion als Thing-Stätte erinnert der Upstalsboom nur, wenn alle paar Jahre Friesentreffen ist und Ost-, West- und Nordfriesen dorthin einen Ausflug machen. Seit ein paar Jahren veranstaltet der Verein Friesische Forum dort immer am Dienstag nach Pfingsten, am »höchsten gesamtfriesischen Feiertag«, ein Friesentreffen zur Erinnerung an die mittelalterlichen Versammlung. Am Vortag, Pfingstmontag, wird dort ein Freiluftgottesdienst abgehalten.

In weiten Teilen der Bevölkerung hat der Upstalsboom allenfalls den Charakter eines Kuriosums und als Ausflugsziel, und viele Menschen verbinden mittlerweile mit dem Namen eher ein großes Emder Hotel.

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