Prickelnde SF aus Kroatien

ziljak01Aleksandar Žiljak: Welche Farbe hat der Wind? Begedia-Verlag, Mülheim an der Ruhr, 2017. 160 S., 14,90 Euro. ISBN 978-3957770950.

Aleksandar Žiljak aus Zagreb ist der deutschen Science-Fiction-Szene in den vergangenen Jahren bereits durch einige seiner im »Nova«-Magazin veröffentlichten Kurzgeschichten aufgefallen. Eine überbordende, fast barocke Phantasie, eine poetische Sprache, Humor und ein ordentlicher Schuss Erotik zeichneten diese Storys aus.

Im Juni war Žiljak Ehrengast auf dem Eurocon in Dortmund, dem Treffen des europäischen Science-Fiction-Fans. Die Besucher hatten Gelegenheit, mit ihm in Kontakt und ins Gespräch zu kommen. Zu diesem Ereignis hatte Verleger Harald Giersche (Begedia-Verlag) frisch aus der Druckerei eine Anthologie mit sieben Kurzgeschichten des Autors aus Kroatien mitgebracht. In »Welche Farbe hat der Wind?« sind neben den drei »Nova«-Storys vier weitere enthalten (alle übersetzt von Tommi Brem und von »Nova«-Mitherausgeber Michael K. Iwoleit, dem diesjährigen Sieger des Deutschen Science-Fiction-Preises in der Kategorie »Kurzgeschichte«). Das stimmungsvolle Titelbild stammt von Christian Günther.

Eine gigantische Orgie

In Sache Erotik legt Žiljak in dieser Anthologie gleich richtig los. Auf einem fernen Planeten segeln Tagane und ihre Mannschaft auf einer Argosie, einem lebenden Schiff, in einer Art sexueller Symbiose über den Ozean. Wenn die Argosie erregt ist, fällt die Mannschaft übereinander her. Als das Schiff einem männlichen Exemplar mit seiner Mannschaft begegnet, kommt es zu einer gewaltigen Orgie. So ist es Tradition, denn »Argosies brauchen immer Kapitäne und Seeleute«.

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Aleksandar Žiljak beim Euro-Con in Dortmund.

Nicht weniger prickelnd geht es in der Story »Die Orgon-Ära« (erschien erstmals auf Deutsch in »Nova 21«) zu. Das ist eine spektakuläre Satire über den Beginn des Raumfahrtzeitalters. Der Sowjetunion gelingt es, mit der Orgonenergie, die beim Orgasmus freigesetzt wird, nicht nur, den Wettlauf zum Mond gegen die USA locken zu gewinnen, sondern sogar Raumschiffe mit Überlichtgeschwindigkeit fliegen zu lassen. Was für eine Idee!

Die Beziehung zwischen Mann und Frau – um es einmal neutral auszudrücken, denn es wird in Žiljaks Geschichten nicht immer gevögelt – stehen im Mittelpunkt (fast) aller Geschichten. Selbst in »Die Toten« entzündet sich der Aufstand der Zombies, die in einer Art KZ Handys zusammensetzen, weil sich einer von ihnen in ein Mädchen verliebt. Wichtige Rollen spielen aber auch das Meer (in »Die Argosie« und »Ultramarine!«) und Saurier (in »Fußspuren am Strand« und »Welche Farbe hat der Wind?«). Und ein bisschen voyeuristischer Cyperpunk (in »Ein Abend im City Café, in Gedanken bei Lydia…) ist auch dabei. Lydia ist übrigens eine Edelnutte mit Kundschaft aus der ganzen Galaxis.

Er ist einer der Besten

Keine Frage, »Welche Farbe hat der Wind?« ist ein Buch, dass jeder SF-Fan gelesen haben sollte. Aleksandar Žiljak ist einer der besten unter den (europäischen) SF-Autoren. In seiner Heimat ist er deshalb schon mehrfach ausgezeichnet worden.

Dabei ist er von Haus aus Informatiker und arbeitet als freischaffender Illustrator, spezialisiert auf Wildtiere. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift »Ubiq« für Science-Fiction und phantastische Literatur, in der Texte von Autoren aus Kroatien und anderen Ländern des ehemaligen Jugoslawien erscheinen.

  • Nur direkt beim Begedia-Verlag gibt es die Anthologie in der gleichen Aufmachung auf Englisch. Leider fehlen auf der Internetseite des Verlages weitere Angaben dazu.
  • Wer Kroatisch kann oder sich dem Google-Übersetzer anvertrauen möchte, erhält in diesem Blog Information über die Zeitschrift »Ubik«.

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