Ein Altar für Perry Rhodan

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Das Perryversum auf dem Altar(falz) von »E Vau«

Es ist ein ziemlich hoher Anspruch, mit dem die Macher für ihr neues Produkt werben: »In Deutschland gibt es über 600.000 Vereine. Das ist ihr Magazin«. Seit Juli ist Ausgabe 1 von »E Vau«, ein 90-seitiges Heft, für elf Euro im Zeitschriftenhandel erhältlich. Wahrscheinlich aber nicht überall.

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Das Cover von »E Vau«.

»E Vau« oder e. V. ist die Abkürzung für »eingetragener Verein«. Das Magazin hat aber selbst nichts, das man spontan mit einer Vereinszeitschrift verbinden würde. Es ist hochwertig ausgestattet, ein ganzes Team von Grafikern, Fotografen und Illustratoren (letztere werden im Unterschied zu den Schreibern am Anfang des Heftes in Kurzbiografien vorgestellt) hat seine sehenswerten Spuren hinterlassen, stolz werden auf einer Seite die verwendeten Papiere (Holmen TRND 80g/m3) und Schriftarten (Isidora von Enrique Hernández) aufgelistet, so wie bei »Craft«-Bieren die verwendete Hopfensorte genannt werden. Herausgegeben wird »E Vau« (Homepage) von der offensichtlich jungen und hippen Agentur pr+co aus Stuttgart (Homepage). Die produziert unter anderem Mitarbeiter- und Kundenzeitschriften für die Allianz, Kärcher, hansgrohe und viele andere.

Ein Universum zum Aufklappen

Ich habe »E Vau« nicht aus Interesse an Zeitschriftendesign oder als Vereinsmeier gekauft, sondern einzig und allein wegen eines Beitrags zur SF-Heftromanserie PERRY RHODAN. »Unser Perry« ist eine ungewöhnlich gestaltete, zwölfseitige Infografik mit ganz vielen Illustrationen und wenig Text. Der Leser erfährt etwas über die Historie der Serie, Auflagenhöhen, die Völker von den Keloskern bis zu den Posbis und welches die langlebigsten Protagonisten sind. Glanzstück nicht nur des Beitrags, sondern des ganzen Hefts ist der sechseitige Altarfalz zum Ausklappen, in dem auf einem Zeitstrahl die unterschiedlichen Medien des Perryversums und ihr Erscheinungszeitraum eingetragen sind. Dass diese Grafik aussieht wie eine Rakete, ist sicher kein Zufall.

Aber was hat das mit Vereinen zu tun? PERRY RHODAN wird von einem Verlag herausgegeben, um damit Geld zu verdienen. Die Antwort finden wir auf der Rückseite des Altarfalz. Dort erzählt der umtriebige Perry-Fan Nils Hirseland unter anderem, was er an der Serie so toll findet und was es mit dem Perry Rhodan Online Club, einem eingetragenen Verein, und der Fanserie DORGON auf sich hat.

Man sieht sich natürlich auch den Rest des Hefts an, PERRY RHODAN-Leser sind neugierig. Da gibt es einen informativen Bericht über die Geschichte der Naturfreundebewegung, ein Interview mit einem Vereinsgründer (Sharkproject International e. V.), der uns die Angst vor Haien nehmen will, und eines mit dem Bundesvorsitzenden des Netzwerks Rauchen e. V., der sich in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt fühlt, weil er in seinem Stammlokal nicht rauchen darf. Der Sammler, der vor uns eine Auswahl seiner Streichholzschachteln ausbreitet, ist Mitglied in der Philumetischen Gesellschaft e. V. und der Mann aus dem Schwarzwald, der auf den Spuren Dschingis Khans wandelt, gehört der Deutsch-Mongolischen Gesellschaft e. V. an. Aber ob die ehrenamtliche Sterbegleiterin aus Stuttgart Vereinsmitglied ist, bleibt offen. Die Titel-Geschichte über den Übungsabend einer Blaskapelle in Bayern (»Mut zum Tut«) ist eine klassische Vereinslebenreportage, wie wir sie in den Lokalzeitungsredaktionen schon vor 25 Jahren gemacht haben, weil die Chefredakteure nicht »immer nur Jahreshauptversammlungen« im Blatt haben wollten.

Wird der Anspruch erfüllt?

In Aufmachung und Inhalt ist »E Vau« schon ein ungewöhnliches Magazin, das Aufmerksamkeit verdient, allen voran die originellen grafischen Gimmicks, und wer ein Faible für ungewöhnliches Zeitschriftendesign hat, gibt die elf Euro für das Heft gerne aus. Was jedoch den anfangs erwähnten Anspruch angeht, habe ich Zweifel, dass er auch nur ansatzweise erfüllt ist. Ein Großteil der Mitglieder in den Tausenden Sport-, Schützen-, Kaninchenzucht- und Rassegeflügelzuchtvereinen, bei den Feuerwehren und Briefmarkensammlern, in Dorfgemeinschaften und Spielmannszügen würde das Heft durchblättern und dann ratlos zur Seite legen, sollten sie überhaupt jemals ein Exemplar in die Hand bekommen.

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