Bastei entstaubt seine »Ufo-Akten«

Der Heftroman-Verlag hat eine alte Serie aus dem letzten Jahrhundert aus dem Archiv geholt. Er verspricht »auch neue Abenteuer«. Heft 1 ist jetzt an den Zeitschriftenständen.

Cliff Conroy und Judy Davenport ermitteln wieder. Bastei legt »Die Ufo-Akten« neu auf: rechts das Original, links die Neuauflage.

Das vor einiger Zeit wegen eines Bericht der US-Regierung neu aufgeflammte Interesse an »Unbekannten fliegenden Objekten« – Ufos — hat offenbar den Heftroman-Verlag Bastei-Lübbe dazu bewogen, eine alte Serie aus dem Archiv zu kramen, abzustauben und wieder auf den Markt zu werfen: »Die Ufo-Akten« mit dem Untertitel »Ermittlungen im Grenzbereich«. Die Romane erschienen ursprünglich in den Jahren 1995 und 1996 als 25-teilige Taschenheftreihe, damals mit dem Untertitel »Auf den Spuren der Außerirdischen«.

Die Neuauflage, als »Mystery« gekennzeichnet, erscheint seit dem 5. Oktober 2021 in neuer Aufmachung als klassischer Heftroman mit veränderten Titelbildern, die sich an die Originale anlehnen. Auf der Internetseite zu den »Ufo-Akten« heißt es: »In 14-täglicher Erscheinungsweise werden nicht nur die alten Fälle von Cliff [Conroy] und Judy [Davenport] in aktualisierter Form neu aufgelegt, es warten auch neue Abenteuer auf die Ermittler, die sie in Grenzbereiche vorstoßen lassen.« Was mit »in aktualisierter Form« gemeint ist, muss hier offenbleiben. Weil ich die Originale nicht kenne, fehlt mir die Vergleichsmöglichkeit.

Bisher ist ein Titel – »Projekt GhostRider« von Marten Veit – erschienen, und zwei sind angekündigt: »Flug 19 verschollen« von Carter Jackson und »Der Tunnel« von Logan Dee (der Roman der Erstauflage erschien unter seinem richtigen Namen Uwe Voehl). Das sind die Nummern 1 bis 3 der Original-Serie. Zu den Autoren der Serie gehörte Wolfgang Hohlbein, der mit »Der Feind in der Wüste« Band 17 beisteuerte.

Eine Ergänzung: Nach der Veröffentlichung dieses Posts habe ich in der Facebook-Gruppe POpuläreMEdienWELTEN einen Beitrag von Bastei-Mitarbeiter Michael Schönenbröcher gelesen. Er schreibt: «Teilweise neu, kein reiner Nachdruck! Die Handlung der alten Bände wurde in die Gegenwart verlegt, und mit Heft 4 erscheint der erste neue Roman der Serie.« Band 4 der Originalserie war ein Roman von PERRY RHODAN-Autor Arndt Ellmer, »Lichter des Todes«.

Mit »Die Ufo-Akten« reagierte Bastei seinerzeit auf die erfolgreiche amerikanische Fernsehserie »Akte X«, in der die FBI-Agenten Dana Scully und Fox Mulder mysteriöse Kriminalfälle aufklärten. In Deutschland lief die Serie von 1994 bis 2003 auf ProSieben und ist mehrfach wiederholt worden.

Mehr als eine Handvoll Sternenstaub

Vor 60 Jahren erschien »Unternehmen Stardust«, der erste PERRY RHODAN-Roman. Er hat die Entwicklung der Science-Fiction in Deutschland bestimmt.

In 60 Jahren ist »Unternehmen Stardust« in zahlreichen Auflagen und Ausgaben erschienen.

Heute vor 60 Jahren, am 8. September 1961, erschien beim Münchner Arthur Moewig-Verlag der erste PERRY RHODAN-Roman, »Unternehmen Stardust« von Karl-Herbert Scheer. Mit diesem 64 Seiten umfassenden Science-Fiction-Heft begann eine beispiellose Erfolgsserie. Seitdem ist Wochen für Woche ohne eine einzige Unterbrechung ein Roman erschienen. Das macht PERRY RHODAN zum größten literarischen Werk überhaupt. Allein die wöchentliche Hauptserie kommt auf mehr als 200.000 Seiten Umfang. Jemand hat kürzlich gezählt und herausgefunden, dass einschließlich aller Spin-Offs, Taschenbuch- und sonstigen Ausgaben 5000 verschiedene Romane geschrieben wurden.

Ich habe »Unternehmen Stardust« lange Zeit für nicht mehr als einen ordentlich geschriebenen Auftaktroman gehalten. Die Handlung ist schnell zusammengefasst. Der amerikanische Astronaut Perry Rhodan und seine Mannschaft fliegen mit der »Stardust« als erste Menschen zum Mond. Dort entdecken sie das havarierte Raumschiff einer außerirdischen Großmacht, der menschenähnlichen Arkoniden. Mit dem an Leukämie erkrankten Arkoniden Crest kehrt die »Stardust« zur Erde zurück. Sie landet aber nicht in den USA, sondern in der Wüste Gobi. Wie Rhodan dort einen Miniaturstaat, die Dritte Macht, etabliert und mit Unterstützung der technisch weit überlegenen Arkoniden und Helfern aus aller Welt seinen Einfluss bis in das 34.000 Lichtjahre entfernte Arkon-System ausweitet, schildern die nächsten Bände.

Das allein hätte für eine Erfolgsgeschichte, die unmittelbar einsetzte, nicht gereicht. In »Unternehmen Stardust« steckt viel mehr. Scheer und Mit-Chefautor Walter Ernsting alias Clark Darlton verorteten die Handlung nicht in einen ferneren, unbestimmten Zukunft, sondern nur ein paar Jahre von der Gegenwart entfernt (das Startdatum für die Mondfahrer, 19. Juni 1971, hatte Scheer schon im ersten Exposé vom Februar 1961 festgelegt; an diesem Tag würde er seinen 33. Geburtstag feiern).  Die Blockkonfrontation – hier auf den Gegensatz Westen/Asien (=“gelbe Gefahr“) reduziert – und die Gefahr eines atomaren Weltkriegs spielen eine Rolle,  und das im Roman geschilderte Raumfahrtprogramm nimmt organisatorische und technische Anleihen an echten Raumfahrtprogrammen.

Der Roman gibt ein Versprechen

Wenige Monate vor Heft 1 war Juri Gagarin als erster Mensch ins All geflogen, und US-Präsident John F. Kennedy hatte in einer Rede vor dem Kongress das Ziel ausgegeben, noch  vor Ablauf des Jahrzehnts »einen Mann auf dem Mond zu landen und ihn sicher zur Erde zurückzubringen«. Im Roman herrschte also ein gewisser Realismus, der die überwiegend jungen Leser in ihrer Gegenwart abholte und zu einem großen Abenteuer mitnahm. Der Roman gab ein Versprechen ab. Das fehlte vielen SF-Romanen der Nachkriegszeit, in denen die Mondraketen von genialen Ingenieuren oder extravaganten Multimilliardären auf die Reise geschickt wurden. Interessanterweise kommt die Serie anfangs ohne den klassischen Bösewicht aus.

Das Faszinosum funktioniert noch immer, obwohl inzwischen Neil Armstrong und einige seiner Astronauten-Kollegen den Fuß auf den Mond gesetzt und nichts als Mondstaub gefunden haben. Aber es hätte doch sein können… und vielleicht waren sie nur nicht an der richtigen Stelle (und die Arkoniden warten dort immer noch).

Inzwischen bin ich der Auffassung, dass »Unternehmen Stardust« einer der wichtigsten, vielleicht sogar der wichtigste deutschen SF-Roman überhaupt ist (nicht zu verwechseln mit »der beste«, das ist er definitiv nicht). Er hat den Grundstein für den unglaublichen Erfolg der PERRY RHODAN-Serie gelegt, die die Entwicklung der SF in Westdeutschland bestimmt hat, und das Leben vieler Menschen beeinflusst. Die Serie hat nicht wenige Leser dazu angeregt, sich technischen oder naturwissenschaftlichen Berufen zuzuwenden oder selbst den Schriftstellerberuf zu ergreifen. Von welchem einzelnen literarischen Werk kann man das schon sagen?

In der literarischen Schmuddelecke

PERRY RHODAN im besonderen und die Heftromane im allgemeinen haben aber auch dazu beigetragen, dass Science Fiction in Deutschland lange Zeit in der literarischen Schmuddelecke verortet wurde – nicht nur, weil tatsächlich vieles grottenschlecht war, was auf den Markt geworfen wurde, sondern auch, weil sie den Maßstäben selbstgefälliger Kritiker nicht gerecht wurde. Die Lage hat sich zwar seit den 60er und 70er Jahren, als die PERRY RHODAN-Serie von links angegriffen und als »faschistoid« diffamiert wurde, deutlich gebessert, ist aber noch um einiges von dem Stellenwert entfernt, den das Genre in den USA und anderen Ländern hat.

John Scalzi etwa, ein SF-Autor par excellence, hat von seinem Verlag einen Zehn-Millionen-Dollar-Vertrag bekommen, und SF-Titel tummeln sich regelmäßig auf den einschlägigen Bestsellerlisten zum Beispiel der New York Times. Im deutschen Sprachraum, stellte der ausgewiesene SF-Experte Franz Rottensteiner vor wenigen Jahren fest, sei die Gattungsbezeichnung SF oder Fantasy »einem wirklich großen Erfolg eher hinderlich«. Die großen Verlage schreiben lieber »Thriller« oder einfach »Roman« auf den Umschlag. Verkauft sich besser. Es ist allerdings müßig, sich zu fragen, ob das ohne PERRY RHODAN anders gelaufen wäre.

Vergeblicher Versuch mit Kurzgeschichten

Retro-SF: 1976 erschien in der Terra-Astra-Heftromanreihe die Anthologie »Der Dreiköpfige«. Sie versprach die besten Stories junger deutscher Science-Fiction-Autoren.

Die Anthologie »Der Dreiköpfige« erschien 1976 in der Heftroman-Reihe Terra Astra.

Selbstbewusst, man könnte es aber auch großspurig nennen, hat Herausgeber William Voltz die 1976 erschienene Anthologie »Der Dreiköpfige« (Terra Astra 267) im Vorwort als die »erste[n] SF-Anthologie deutscher Nachwuchsautoren« bezeichnet. Die Betonung liegt wohl auf Nachwuchsautoren, denn selbstverständlich hat es bereits vorher Science-Fiction-Anthologien mit Kurzgeschichten deutscher Autorinnen und Autoren gegeben. Aber nicht so viele, wíe man vielleicht glauben könnte, wenn man nur die heutige Anthologie-Landschaft kennt. Deshalb ist »Der Dreiköpfige« schon etwas Besonderes.

Anfang der 1970er Jahre muss in der deutschen Verlagsszene ein Umdenken stattgefunden haben, denn nun erschienen erstmals in erwähnenswerten Umfang Anthologien mit SF-Kurzgeschichten deutscher Autoren und Autorinnen. Für diese Erzählform gab es bis dahin kaum reguläre Veröffentlichungsmöglichkeiten. Wer Kurzgeschichten veröffentlichen wollte, war auf Fanzines angewiesen oder musste auf einen Platz in einer genrefremden Publikation hoffen.

Das entscheidende Jahr war 1974. Im Januar erschien der erste von Wolfgang Jeschke herausgegebene »Heyne Science Fiction Story Reader« mit neun Kurzgeschichten – acht Übersetzungen und der Story »Mißverständnis oder Vorsicht mit Nichtrauchern« von Herbert W. Franke. Jeschke war selbst ein ausgesprochener Kurzgeschichten-Verfasser. Auch in den folgenden 20 Readern und anderen Heyne-Anthologien fanden die Leser Storys deutscher Autoren und Autorinnen. Der Fischer-Verlag schloss seine Fischer-Orbit-Reihe im Herbst ’74 mit einer Anthologie mit dem schnöden Titel »Science Fiction aus Deutschland« ab, die erste überhaupt (wenn man einmal von der Anthologie »Lockende Zukunft« von 1957 absieht, die für die Mitglieder des Science-Fiction-Clubs Deutschland gedacht war). 1975 wurde »Der Mann vom Anti« als erste SF-Anthologie in der DDR veröffentlicht.

Eine Chance für Rhodan-Leser

Da wollte wohl auch die Verlagsgruppe Pabel-Moewig, führend in Sachen SF-Heftromane, nicht hinten anstehen. Voltz hatte schon ab 1974 gelegentlich Leser-Storys auf der Leserbriefseite der Perry-Rhodan-Serie, die er betreute, veröffentlich. Womöglich griff er für die Anthologie auf solche Kurzgeschichten zurück. »Der Dreiköpfige«, der auf der Titelseite »[d]ie besten Stories junger deutscher SF-Autoren« verspricht, enthält sechs Kurzgeschichten. Die Titelstory ist vom Herausgeber selbst (der selbstverständlich kein Nachwuchsautor mehr war). Es handelt sich für alle Jungautoren um deren erste »ordentliche« Veröffentlichung außer bei Horst Hoffmann.

Auf die einzelnen Geschichten will ich nicht näher eingehen, die Anthologie hat nicht ohne Grund keine Spuren hinterlassen. »Silver« von Gerda Mott könnte man sich aber heute noch problemlos in einer Anthologie vorstellen. In der kurzen, humorvollen Geschichte lässt eine Familie sich eine mechanische Kuh andrehen, in der künstliche Organe wie bei einer richtigen Kuh Futter verwerten und Milch erzeugen. Die Kyro-Kuh, Silver genannt, ist dabei aber etwas eigenwillig. Milch produziert sie irgendwann nur noch, wenn eine Fliege im »Stall« ist.

Was aus den Nachwuchsautoren wurde

Ich habe mich gefragt, was aus den fünf Autorinnen und Autoren geworden ist.

Horst Hoffmann, das dürfte bekannt sein, hat Karriere gemacht und ist bis heute aktiv. Sein erster Roman »Sie warteten jenseits der Sterne« unter dem Pseudonym Neil Kenwood war bereits im Frühjahr 1976 als Band 5 in der Reihe Gemini Science Fiction erschienen. Die Anthologie ist im September herausgekommen. Hoffmann, Jahrgang 1950, hat danach zahlreiche Heftromane für verschiedene Serien und Reihen verfasst, unter anderem 133 Romane für Perry Rhodan.

Roland Rosenbauer, geboren 1956, schrieb ab 1977 unter eigenem Namen oder Pseudonym Kurzgeschichten und Heftromane in verschiedenen Genres, unter anderem für die Reihen Gespenster-Krimi (Bastei), Damona King (Bastei), Vampira (Bastei), Grusel-Krimi (Zauberkreis) oder Das Volk der Nacht (Zaubermond). Er verfasste auch Novelisationen von Fernsehserien, Hörspiele und Krimi-Drehbücher.

Henriette Ruttkay war mit damals 15 Jahren die jüngste in dieser Riege. Sie hat als Heny Ruttkay seit 1994 vier Romane veröffentlicht, alle ohne Phantastik-Bezug. Die Storys von Johannes Laskarides, der 17 Jahre alt war, und Gerda Mott sind Eintagsfliegen. Laskarides ist heute ein offenbar erfolgreicher Innenarchitekt. Von Mott, Jahrgang 1934, gibt es keine weiteren Spuren im Internet; nach den von ihr in der selbst verfassten Kurzbiografie erwähnten Romanen und Kurzgeschichten suchte ich vergeblich.

Versprechen nicht gehalten

»Das zweite Ich«, die zweite Terra-Astra-Anthologie mit Kurzgeschichten deutscher Autoren, erschien 1978.

Im Oktober 1978 erschien eine weitere Terra-Astra-Anthologie, »Das zweite Ich« (#374), mit zehn Storys von acht Autoren. Die Titelgeschichte stammt wieder von Voltz. Am bemerkenswertesten an dieser Anthologie sind die Versprechen, die Voltz im Vorwort machte und nicht halten konnte. »Ich möchte all den Ungeduldigen… schon hier und jetzt die dritte Anthologie ankündigen«, heißt es dort. Zu J. Leona Franzke, deren Story »Die verschlungenen Pfade der Liebe« er besonders lobt, schreibt Voltz: »In späteren Anthologien werden weitere Stories dieser Autorin erscheinen, in denen sie ihre Begabung erneut unter Beweis stellen soll.«

J. Leona Franzke war ein Pseudonym von Thomas le Blanc (heute Leiter der Phantastischen Bibliothek in Wetzlar). Voltz müsste das gewusst haben. Leider fehlen in dieser Anthologie im Unterschied zur ersten die Kurzbiografien der Autoren. Außer le Blanc waren Manfred Weinland, Manfred Borchard, Helmut Ehls, Günter Zettl, Andreas Müller und Werner Albertsen beteiligt. Sie alle sind dem phantastischen Genre auf unterschiedliche Weise treu geblieben. Das gilt vor allem für Manfred Weinland, der seither mehrere Hundert Heftromane geschrieben hat, in jüngster Zeit etwa für Professor Zamorra und Maddrax (Bastei-Verlag). Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass keiner der Autoren – abgesehen von Horst Hoffmann – bei Pabel-Moewig einen Fuß in die Tür bekam.

1985 wagte die Terra-Astra-Redaktion sich wieder an Anthologien mit Kurzgeschichten junger Autoren. Beide wurden von Horst Hoffmann herausgegeben. »Als die Menschen starben« erschien als Heft 630, »Spuren im Weltall« als Heft 643. Damit wurde Terra Astra eingestellt.