Ein Handbuch für den Krautrock-Fan

»Der Sound der Jahre« befasst sich mit der Entwicklung der deutschen Rockmusik.

Coverabbildung

Jan Reetze: Der Sound der Jahre: Westdeutschlands Reise von Jazz und Schlager zu Krautrock und darüber hinaus. Bremen 2022 | Hardcover, 536 S., 29,50 € | ISBN 978-3-9822100-2-5 (e-Book: 21,99 €, ISBN 978-3-9822100-3-2)
Auf Englisch: Times & Sounds. Bremen 2020 | Hardcover, 536 S., 24,99 € | ISBN 978-3-9822100-0-1


Auf der Plattenbörse Anfang Dezember im Leeraner Zollhaus bin ich auf ein Buch gestoßen, das mir sehr viel Spaß gemacht hat: »Der Sound der Jahre« von Jan Reetze. Zwischen jeder Menge Plattenhändlern hatte Verleger Thorsten Breyer aus Bremen einen kleinen Stand mit Büchern, und wir kamen über ein Buch mit Konzertpostern, auf dem das Albumcover von »Yeti« von Amon Düül II abgebildet ist, ins Gespräch über Krautrock.

In »Der Sound der Jahre« geht es um die Geschichte der Beat- und Rockmusik in Westdeutschland mit Schwerpunkt auf den späten 1960er und den 1970er Jahren, als sich so etwas wie eine eigenständige deutsche Rockmusik entwickelte. Da ich selbst in dieser Zeit musikalisch groß geworden bin und meine alten Krautrock-Schätze seit mehr als 40 Jahren immer wieder auf den Plattenteller lege, musste ich das Buch selbstverständlich haben.

Autor Jan Reetze ist ein Jahr älter als ich und hat, vor allem weil er im Unterschied zu mir in einer Großstadt lebte, einiges davon direkt mitbekommen. Das Buch ist aber ganz und gar keine Ansammlung von Anekdoten eines Zeitzeugen. Er geht sehr in die Tiefe, zeigt die vielfältigen Beziehungen zwischen Musikern, Produzenten, Agenten usw. auf und räumt mit so mancher Legende auf. Es tauchen jede Menge bekannter (und mir unbekannter) Namen auf, und allein die Vielzahl der genannten Platten bietet Anregungen zum Selberhören zu Hauf (zum Glück kann man heutzutage wieder viele alte Scheiben bekommen, bei Streamingdiensten sogar im Handumdrehen). Da hat man den passenden Soundtrack zum Buch.

Kraftwerk und die Auto-Geräusche

Ich habe eine Menge Neues erfahren über Bands und Musiker wie Amon Düül II, Can, Fabian Fricke, Klaus Schulze, Michael Rother, James Last, Jaki Liebezeit, Giorgio Moroder, Rio Reiser oder Rolf Ulrich Kaiser. Auf viele der Genannten geht der Autor ausführlich ein. Zu den spannendsten Passagen gehören die, in denen es um die Verbindungen zwischen der Jazz-, Schlager- und Rockszene geht, wenn Reetze über Produktionsbedingungen oder Bandinterna schreibt oder sein offensichtlich gründlich recherchiertes »nutzloses« Wissen ausbreitet. Endlich weiß ich jedenfalls, dass der Münchner Eberhard Schoener der erste Musiker in Deutschland war, der einen Moog-Synthesizer besaß (der vorher John Lennon gehörte), und wie er daran gekommen ist, und dass das Motorengeräusch, mit dem Kraftwerks »Autobahn« beginnt, von einer „Geräusche in Stereo«-LP stammt und auch auf anderen Produktionen zu hören ist, hätte ich auch nicht gedacht.

Für meinen Geschmack zu langatmig sind Reetzes Beschreibungen der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, in dem sich die deutsche Rockmusik entwickelte. Das liegt wohl in erster Linie daran, dass ich das größtenteils selbst mitbekommen habe. Für jüngere Leserinnen und Leser ist das sicherlich spannender.

Zur besonderen Ausstattung des voluminösen Buchs gehören zwei Infografiken auf den Vorsatzblättern. Vorne ist eine Deutschlandkarte abgedruckt, auf der die Deutschrock-Bands geografisch lokalisiert und ihren jeweiligen Produzenten Conny Plank, Dieter Dierks und Rolf-Ulrich Kaiser zugeordnet werden. Hinten wird aufgedröselt, welche Musiker an welchen von vier »kosmischen Sessions« unter Rolf-Dieter Kaiser teilgenommen habe, und auf welchen Platten und Labels davon Musik erschienen ist. Die beiden Grafiken sind vereinfachte Ausschnitte eines großformatigen Krautrock-Posters, das der Verlag separat anbietet.

Was ich außergewöhnlich finde und woran sich so mancher Sachbauch-Autor und -Verleger ein Beispiel nehmen sollte, ist der zehnseitige, in kleiner Schrift gehaltene Index. Er umfasst schätzungsweise an die 2000 Namen von Bands, Musikern, Produzenten, Tontechnikern, aber auch Personen des öffentlichen Lebens etc.

Ach ja, ich habe auf der Plattenbörse sogar eine Platte gekauft, natürlich Krautrock: »Piktors Verwandlung« von Anyone’s Daughter.

Link zur Halvmall-Verlagshomepage

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50 years ago: Pink Floyd appears

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Das Cover von The Piper at the Gates of Dawn.

Für diesen Trip braucht man keine Drogen. Spätestens nach den ersten fünf Sekunden, in denen eine blecherne Stimme vor fernen Gitarrenklängen unverständliche Worte aneinanderreiht, ist man für den Rest des Lebens abhängig. „The Piper at the Gates of Dawn“ ist eine elektrisierende Mischung aus irritierenden Klängen, seltsamen Geräuschen, merkwürdigen Songtiteln („Pow R. Toc H.“) und zum Teil völlig irren Texten. Man möchte echt nicht wissen, was dabei im Kopf von Mastermind Syd Barrett vorgegangen ist. Er hat’s nicht lange ausgehalten. Ich schon. Bis heute.

Heute vor 50 Jahren (5. August 1967) erschien das Debütalbum von Pink Floyd: „The Piper at the Gates of Dawn“.