Ich war im Kino. »Der Marsianer« ist kein Science-Fiction-Film. Dafür fehlt das fantastische, die Realität in Frage stellende Element. Das ist eine Mischung aus »Robinson Crusoe« und »Apollo 13«.
Das Crusoe-Motiv ist dominant, fast alle Hauptelement des Romans von Daniel Defoe sind vorhanden: Schiffbruch, einsame Insel, Überlebenswille, Selbsthilfe. Fehlt nur Freitag, der Eingeborene, der zum Diener und Freund wird. Auf der anderen Seite bzw. auf dem anderen Planeten haben wir eine typische »Houston, wir haben ein Problem«-Lösungsstrategie mit Improvisation und unorthodoxen Lösungen, dazu ein paar verstockte Bürokraten, kernige Kerle, Nerds und hilfsbereite Chinesen.
Man könnte jetzt einwenden: Der Film spielt auf dem Mars, da haben wir das fantastische Element. Aber dieser Mars ist so überrealistisch, so vollkommen nüchtern, er regt die Fantasie nicht an. In jedem deutschen Stadtpark gibt es mehr Geheimnisvolles. Mark Watley muss sich auf dem Mars keine Sekunde lang Gedanken darüber machen, was hinter seinem Rücken passieren könnte.
Aber es ist ein guter, ein unterhaltsamer Film, mit vielen großartigen und witzigen Szenen, wenn auch etwas zu lang (die Schlussszene auf der Erde hätte man sich zum Beispiel sparen können), Matt Damon ist ein überzeugender Darsteller, der in seiner Rolle aufgeht, und der Soundtrack ist das Tüfelchen auf dem i. Allerdings wird »The Martian« im Œvre von Ridley Scott nie den Stellenwert von Filmen wie »Blade Runner« oder »Alien« erreichen.
Eines Tages lese ich vielleicht das Buch.
Blade Runner möchte ich mal gucken. Ich habe neulich das Buch gelesen und fand es ziemlich lahm. Es interessiert mich, was daraus gemacht wurde.
Ich finde das eine sehr interessante Aussage, dass der „Marsianer“ kein Science Fiction Film ist. Musste ich schmunzeln, da es eine sehr große Gemeinde Science Fiction Fans gibt, deren Hauptaugenmerk auf das Science liegt in dem sich die Fiktion einen netten, aber nicht gar zu überschwänglichen Freiraum schaffen darf. Andere sehen das natürlich anders und würden „John Carter vom Mars“ als Science Fiction bezeichnen. Was in meinen Augen auch keine uninteressante Interpretation ist.
Die beste Definition von Sience-Fiction: SF ist das, was man dafür hält.
Was natürlich ganz stark im Marsianer fehlt, ist der Glaube. Defoes Robinson Crusoe beschäftigt sich über weite Teile mit der unmittelbaren Verbindung von Gottesfurcht und Erfolg im Überleben.
Jeder Rückschlag ist für Robinson eine Bestrafung Gottes, die er durch gottesfürchtige Taten sühnt.
Watney hingegen überlebt durch Anwendung von Wissen und der Gewissheit, dass er allein sich helfen muss.
Das ist eben Hollywood. Aber die Abenteuergeschichte von Robinson funktioniert auch ohne den religiösen Bezug. Ein frommer Robinson geht eben anders damit um. Wobei man anmerken muss, dass Watney seine Situation überhaupt nicht reflektiert. Er ist völlig allein auf dem Planeten, macht sich darüber aber weniger Gedanken als Robinson, der immerhin noch damit rechnen konnte, dass jeden Moment ein Schiff am Horizont auftaucht.
Was Watney denkt, erfahren wir ja nicht, da er offizielleBerichte verfasst und dementsprechend vieles verschweigt.
Das Robinson Crusoe auch eine Abenteuergeschichte ist, macht ihren Reiz aus, aber der religiöse Aspekt ist ein wesentlicher Bestandteil. Robinson überlebt, um Gott zu gefallen, Watney tut das nur für sich. Obwohl er die Selbstmordvariante zur Verfügung hat und die Chance vage sind, geht er das Projekt Überleben wissenschaftlich an und probiert es einfach. Robinson hingegen hat sehr viele Hilfsmittel, die er als göttliche Fügung und Auftrag versteht.
Das meinte ich mit den Unterschieden. Es geht in beiden Geschichten um das zunächst einsame Überleben, aber von der Triebfeder ist Watney ein Anti-Robinson.