SF-Bibliophile kommen im Wilhelm-Wagenfeld-Haus in Bremen auf ihre Kosten
Wer als Fan phantastischer Bücher in Bremen wohnt oder in nächster Zeit dorthin kommt, sollte einen Abstecher ins Wilhelm-Wagenfeld-Haus machen. Das Museum präsentiert bis zum 20. Oktober 2024 die Ausstellung »Wort Bild Buch – Was Illustration kann«. Gezeigt wird eine Auswahl besonderer illustrierter Bücher der vergangenen Jahre. Man kann nicht nur die Vielfalt der Illustrationen unter anderem von Julian Litschko, Christian Sobeck oder Hennig Wagenbreth bewundern, sondern erhält durch Skizzen und Entwürfe teilweise auch Einblick in die Entstehungsprozesse.
Etwa die Hälfte der Bücher, schätze ich, ist der Phantastik zuzurechnen – von Mary Shelleys »Frankenstein« über Jules Vernes »20.000 Meilen unter dem Meer« bis zu Paul Scheerbarts »Die große Revolution« und Stanislaw Lems »Solaris«. Zu »Frankenstein« und »20.000 Meilen« gibt es einen Extra-Schauraum mit verschiedenen Ausgaben der Romane. Bei der Gelegenheit habe ich erfahren, dass es in Bremerhaven einen Jules-Verne-Club gibt.
Wenn man schon dort ist, sollte man nicht versäumen, einen Blick in die Vitrinen mit Wagenfeld-Produkten zu werfen. Wagenfeld gehört zu den bekanntesten Bauhaus-Designern, vor allem durch die von ihm entworfene geradezu ikonische Leuchte.
Der Eintritt kostet sechs Euro. Zu der Ausstellung gibt es ein kostenloses Begleitheft. Einige der Bücher kann man im Museum kaufen.
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Jetzt ist es überall zu bekommen: Mein Science-Fiction-Sachbuch »Raketenkraft und Roboterträume«. Es enthält 18 in den vergangenen Jahren in verschiedenen Medien erschienene Beiträge zur Geschichte und Gegenwart der Science-Fiction. Es geht um bekannte und fast vergessene Künstler und Autoren, um Arno Schmidt und Walter Ernsting, um Flüge zum Mond, um Roboter und Raketenpioniere. Zeitlich erstrecken sich die Themen von der Gründerzeit bis ins 21. Jahrhundert.
Das Taschenbuch kostet zehn Euro (ISBN 9783758308352), als E-Book 4,99. Infos und eine Leseprobe gibt es im BoD-Shop, aber auch bei Amazon & Co.
Im Eisenacher Rezi-Center gibt es die erste Rezension zu »Raketenkraft und Roboterträume«.
Aus der Abteilung »nutzloses Wissen«: Was Pariser Kneipen und eine Berliner Krimireihe miteinander und mit Indianern zu tun haben
Manchmal findet man Zusammenhänge zwischen Gebieten, mit denen man nicht gerechnet und deshalb nicht danach gesucht hat. Oft gehören sie in die Kategorie »nutzloses Wissen«, aber der Moment des Aha-Erlebnisses ist es allemal wert, sich damit beschäftigt zu haben, und vielleicht kann man eines Tages doch etwas damit anfangen.
Bei einem Besuch des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster ist mir ein Bild von Ida Gerhardi aufgefallen, womöglich wegen seiner kräftigen Farben und seines expressionistischen Strichs. Es zeigt vier Männer und eine Frau beim Kartenspiel. Titel des Bildes: Apachenkneipe II.
Beim Stichwort Apachen denkt ein Mann meines Alters (fast automatisch) an Winnetou, den fiktiven Indianerhäuptling1 aus Karl Mays Romanen. Was Kartenspieler in einer Kneipe mit Apachen zu tun haben, verriet die Bildlegende: In Paris wurden Anfang des 20. Jahrhunderts »Kriminelle, Zuhälter, Anarchisten und im allgemeinen Außenseiter der bürgerlichen Gesellschaft« als »Apachen« bezeichnet. Das Bild ist von 1906. Gerhardi (1862-1927) war eine weniger bekannte Künstlerin der klassischen Moderne und lebte von 1891 bis 1913 in der französischen Hauptstadt. Zu ihrem Bekanntenkreis gehörten unter anderem der Bildhauer Auguste Rodin und Käthe Kollwitz, die in dieser Zeit zwei Paris-Reisen unternahm.
Die beiden Frauen waren offenbar fasziniert von der Subkultur der Pariser Kellerlokalen, in die sich Frauen nur in Begleitung von Männern hineinwagen durften. Kollwitz hat das in mehreren Zeichnungen festgehalten, eine ist nach einem dieser Lokale benannt: Caveau des Innocents, die Höhle der Unschuldigen (der Name bezieht sich auf die Rue de Innocent, an dem die Kneipe lag, ist aber schön doppeldeutig).
Einige Wochen vor meinem Museumsbesuch war ich bei Recherchen zu einem Roman (Die Marsbrücke von Uwe Jarl) auf den Berliner Diana-Verlag gestoßen. Er gab in den Jahren 1920 bis 1923 die Groschenheftreihe »Apachen. Aus dem Dunkel der Großstadt« heraus. Getriggert durch »Apachen« recherchierte ich und erfuhr von den Berliner Ringvereinen. Diese waren Ende des 19. Jahrhunderts zunächst als Selbsthilfeorganisationen von Kriminellen gegründet worden, unter anderem zur Unterstützung von Familien von Kumpanen, die eine Zuchthausstrafe absitzen mussten. Später entwickelten die Ringvereine mafiaähnliche Strukturen. 1934 wurden sie verboten. Einer dieser Ringvereine nannte sich »Apachenblut«. Ich nahm an, dass der Titel der Krimireihe damit zu tun hatte.
Die Apachen-Groschenhefte hatten einen Umfang von 24 Seiten, waren vom Umfang her also eher Kurzgeschichten. Von 1920 bis 1923 erschienen 68 Hefte. Sie kosteten 50 Pfennig. Heute werden Hefte gelegentlich zu Preisen um 25 Euro angeboten. Zum Glück waren fünf Krimis der Reihe 1921 in einem Sammelband unter dem Titel Der Herr der Nacht veröffentlicht worden, in dem auch der Autor, Heinz Stahleck, genannt wurde. Die Deutsche Nationalbibliothek bietet ihn als Digitalisat zum Online-Lesen an.
Die Geschichten drehen sich um den »Herren der Nacht«, einem gebildeten, gut situierten Mann aus gehobenen Kreisen, der immer maskiert auftritt und sich als eine Art Robin Hood mit Zügen von Jules Vernes Kapitän Nemo versteht. Er ist »ein solcher Freund und Helfer aller Bedrängten« und «ein so unbarmherziger Verfolger und Rächer alles Bösen« (Der Spiritisten-Klub, S. 21) und hilft mit nicht immer astreinen Methoden unschuldig Gescheiterten, Betrogenen und Ausgebeuteten zu ihrem Recht. Inhaltlich gibt es überhaupt keinen Bezug zum Berliner Kriminellenmilieu, im Gegenteil. In Heft 3, Ein geheimnisvoller Retter, wird der »Anführer der Apachen« auf Seite 12 so beschrieben: »Der Hausherr war der geheimnisvolle Mann mit der Maske, der rätselhafte Führer der gefürchteten Vereinigung, die in Frankreich entstanden war und sich allmählich über die Erde verbreitet hatte.«
Warum hießen die Apachen aber so und was hat das mit den nordamerikanischen Indianern zu tun? Laut des französischen Wikipedia-Artikels wurde der Begriff von der Tageszeitung Le Matin 1900 für die Mitglieder einer Bande aus dem Stadtteil Belleville eingeführt, die einen tätowierten Leberfleck auf der rechten Wange oder unter dem Auge trugen. Schon bald wurde er allgemein für Banden verwendet, die grundlose Gewalttaten oder Diebstähle in Verbindung mit Gewalt verübten oder Frauen vergewaltigten.
Die echten Apachen, die im Südwesten der USA und im Norden Mexikos lebten, hatten damals einen schlechten Ruf. Sie galten als gewalttätig, hinterlistig und ehrlos. Sie hatten sich lange gegen ihre Unterwerfung gewehrt und lieferten der US-Armee jahrzehntelang erbitterte Kämpfe. Davon wusste man selbstverständlich in Europa.
Zu ihrem schlechten Ruf könnte auch ein populärer Roman des Franzosen Gabriel Ferry (1809-1852) beigetragen haben. In Le Coureur des bois von 1850 sind die Apachen als wildes, räuberisches Indianervolk dargestellt, während die Komantschen »die Guten« waren. Den Roman hat Karl May 1879 als Der Waldläufer übersetzt und »für die Jugend« bearbeitet. Es wird angenommen, dass May diese Rollenverteilung in seinen Wild-West-Romanen bewusst ins Gegenteil verkehrte und den Apachen-Häuptling Winnetou deshalb zum edlen Wilden und guten Menschen schlechthin entwickelt hat. Ein wenig von dessen Glanz mag auch der »Herr der Nacht« aus den Berliner Apachen-Krimis abbekommen haben.
Bei der Bezeichnung der nordamerikanischen Ureinwohner verwende ich den in der deutschen Sprache geläufigen Begriff, da sich auch viele von ihnen selbst Indians nennen. Unter anderem heißt die älteste und größte Organisation der Indigenen National Congress of American Indians. ↩︎
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