Hugo-Verleihung sorgt für miese Laune

George R. R. Martin zog sich den Zorn der Szene zu. Nicht nur, weil er einige Namen falsch aussprach.

Die Hugo Awards, die wohl bedeutendsten SF-Preise, stehen fest. Sie sind in der Nacht zu Sonnabend beim Worldcon 2020 – CoNZealand – online bekanntgegeben worden (Liste der Preisträger). Die Verleihung hat in der Szene für einigen Aufruhr gesorgt. Stein des Anstoßes: Zeremonienmeister George R. R. Martin. Die Preisgala ist immer der Höhepunkt eines Worldcons. Die örtlichen Veranstalter holen sich dafür einen besonders prominenten Ehrengast, der die Preisverleihung ähnlich wie beim Oscar leitet, damit der Glanz des Promis auf einen selbst zurückstrahlt. Der Schuss ist dieses Mal nach hinten losgegangen.

Bei uns wird kaum jemand die Zeremonie verfolgt haben. Denn das konnten nur »attending members«, und davon gab’s hier nur eine Handvoll. Weil Neuseeland Gastgeber war, begann die Veranstaltung bei uns erst um 1 Uhr nachts. Sie dauerte dreieinhalb Stunden. Wer Lust hat, kann sich die Aufzeichnung ansehen.

Aufregung im Netz

George R. R. Martin verkündete die Hugo-Gewinner 2020 aus seinem Kino in Santa Fe.

Ich habe nur ein paar Ausschnitte gesehen, und vor allem die zum Teil wütenden Reaktionen im Netz wahrgenommen (Twitter-Hashtag #hugoawards, George R .R. Martin Can Fuck Off Into The Sun oder How Not to Run an Awards Ceremony). Für die miese Laune und Attacken auf zwei »white old men« gab es vor allem zwei Gründe:

  • George R. R. Martin sprach eine Reihe von Namen von Nominierten falsch aus. Das brachte ihm den Vorwurf des Rassismus ein, denn es waren überwiegend People of Color. Eine Respektlosigkeit ist es allemal. Da es sich bei den Einspielungen um Aufzeichnungen handelte, hätten die neuseeländischen Veranstalter Nachbesserungen einfordern sollen. Alle Nominierten waren nämlich gebeten worden, die richtige Aussprache ihrer Namen mitzuteilen. Angeblich hat Martin sich geweigert.
  • Außerdem schwadronierte Martin über längst vergangene Fandom-Zeiten und lobte den offen rassistischen und frauenfeindlichen Herausgeber John W. Campbell. Dabei war gerade dessen Denkmal nach dem Worldcon vor einem Jahr in Dublin wegen der Dankesrede von Jeannette Ng als Gewinnerin des John W. Campbell Awarf For Best New Writer endgültig gestürzt worden. Der Preis heißt jetzt Astounding Award For Best New Writer. Jeannette Ng wurde für die Rede dieses Jahr mit dem Hugo für das „Best Related Work“ ausgezeichnet. Auch Robert Silverberg, der zur Zeremonie einen Beitrag beisteuerte, machte sich unbeliebt, unter anderem, weil er Campbell als »größten Herausgeber« bezeichnete.
Arkady Martine hat den Hugo für den besten Roman gewonnen.

Kritik gab es auch dafür, dass die dreieinhalbstündige Zeremonie überhaupt keinen Bezug zu Neuseeland, seinem Fandom und seiner Kultur hatte.

Attacke der »Puppies«

Die Auseinandersetzungen mit und um »old white men« prägen die Hugos ja schon länger (und sind auch ein Spiegelbild der politischen Spaltung in den USA). Da waren vor ein paar Jahren die Versuche der »Sad Puppies« und der »Rabid Puppies« (traurige bzw. tollwütige Welpen) die Hugo-Verleihung in ihrem Sinne zu bestimmen, indem sie – regelkonform – dafür sorgten, dass überwiegend ihnen genehme Werke für die Hugos nominiert wurden. Diese rechtsgerichteten Fans und Autoren aus den USA kritisierten, dass nur noch Bücher mit Themen wie Ausbeutung, Kolonialismus, Rassismus, Gleichberechtigung der Geschlechter oder Verfolgung wegen sexueller Orientierung für die Hugos nominiert wurden. Sie wollten lieber Raumschlachten und Schwerter schwingende Fantasy-Helden. außerdem störte sie ganz offensichtlich, dass immer mehr Frauen und Nichtweiße unter den Preisträgern waren.

Die Aktion hatte den »Erfolg«, dass 2015 in vielen Kategorien kein Preis vergeben wurde, und der prestigeträchtige Preis für den besten Roman an den Chinesen Cixin Liu für »The Three Body Problem« ging, weil die Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder des Worldcons die »Puppies«-Vorschläge torpedierten. Danach ist es um die »Puppies« still geworden. Denn damit sich das Problem nicht wiederholt, wurden die Regeln für die Hugo-Nominierungen etwas geändert.

2 thoughts on “Hugo-Verleihung sorgt für miese Laune

  1. Hallo Norbert,
    Hauptsächlich war’s elendiglich lang (und – zumindest die Hugo-Zeremonie – im übrigen frei für alle zu sehen, nicht nur für attending members). Ich persönlich empfand Georges Anekdoten vergangener Weltcons und Hugozeremonien als interessanten Blick hinter die Kulissen von jemandem, der dabei war. Aber hier war in dieser „Auschschweifigkeit“ nicht der Ort dafür. Dafür war seine Hutparade toll 🙂

    Das mit dem Falschaussprechen von Nominierten ist um so unverständlicher, als alle Nominierten zusammen mit der Nachricht gebeten wurden, dem Hugo-Kommitee einen Ausspracheguide für ihre Namen zukommen zu lassen. Offensichtlich hat die Con-Orga, nicht das Kommittee, dann versäumt, den an GRRM weiterzureichen. Ein Bein ausgerissen, um sich vorab mit den Nominierten vertraut zu machen, hat er aber offenbar auch nicht. Dass er sich geweigert hat, die vorproduzierten Einspieler neu aufzunehmen, stimmt so nicht (sagt er hier: http://file770.com/2020-hugo-awards/comment-page-2/#comment-1205393 ) Ebenso hat die Con-Orga offenbar versäumt, GRRMs Beiträge einzukürzen.

    Man darf aber bei all dem nicht vergessen: Die gesamte Weltcon-Geschichte wird von Freiwilligen organisiert und durchgeführt, auch GRRM ist ein solcher. Fehler passieren, erst recht, wenn’s der erste Weltcon ist und dazu die Umstände auf der Welt so sind, wie sie im Moment sind. Innerhalb weniger Monate überhaupt etwas auf die Beine zu stellen, verdient mMn Anerkennung.

    Ob GRRM zu den old white men zu zählen ist, die sich mit den Veränderungen des SF Fandoms schwer tun, mag ich nicht beurteilen (bei Silverberg bin ich mir da schon sicherer). Tendentiell würde ich ihm doch eher als einen von uns zählen. Dass er mit der Neubewertung von Campbell Probleme hat, scheint jedoch offensichtlich. Hier kommt ähnlich wie bei Lovecraft oder Zimmer Bradley oder Scheer oder wem auch immer, bei dem im Laufe der Jahre eher unangenehme Seiten bekannt werden, wieder die alte Diskussion zum Tragen, ob man das Werk von der Persönlichkeit trennen kann oder muss.

    Alles in allem: Kritik an dieser Hugo-Verleihung ist sicher berechtigt, aber der Shitstorm, der sich gleich wieder entwickelt hat und gleich wieder persönlich auf vermeintlich Schuldige entladen wird, zeigt auf, was auf unserer Welt gerade so richtig schief läuft. Das ist nicht das, wofür das SF-Fandom stehen sollte

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