Unterwegs zum »Ort der Angst«

»Im Schatten von Xibalba« lautet der Titel der Anthologie, die ich auf meine Mexiko-Reise mitnehme. Sie verspricht Storys aus einer blutigen Alternativwelt

Die Kukulcán-Pyramide von Chichen Itza werden wir am vorletzten Tag unserer Mexiko-Reise sehen. Ob ich bis dahin aus dem »Schatten von Xibalba« herausgetreten bin.

stilisierter Maya-TempelFür meine Reise ins Land der Azteken und Maya habe ich mir – hoffentlich – die richtige Reiselektüre auf den Kindle geladen: die Anthologie »Im Schatten von Xibalba: und andere Mayapunk-Storys«, herausgegeben von Sven Klöpping und verlegt von p.machinery. Der Sammelband mit 14 Storys deutschsprachiger Autoren war mir bei seinem Erscheinen 2016 irgendwie durch die Lappen gegangen, obwohl ich zu der Zeit gerade dabei war, mich in den Kosmos der aktuellen deutschsprachigen SF-Kurzgeschichten einzulesen.

Die Anthologie versammelt Storys aus einer Welt, in der die Geschichte einen anderen Verlauf genommen hat. So heißt es im Anreißer auf Amazon: Mit außerirdischer Hilfe haben die Maya im sechsten Jahrhundert Amerika und weite Teile Europas erobert. Wo später einmal Deutschlands Hauptstadt errichtet werden würde, liefern sich Germanen, Slawen und Mayakrieger nun erbitterte Schlachten. Zwischen den Fronten wechseln Prinzessinnen und Bauernjungen die Seiten … und teilen manchmal sogar die Betten. Das Kind heißt Mayapunk – mit Storys aus einer blutigen, herausfordernden Alternativwelt …

Xibalbá ist in der Mythologie der Maya die neunstufige Unterwelt. Übersetzt ist es der »Ort der Angst«. Das verspricht keine Wohlfühlatmosphäre. Ich bin gespannt.

Die Anthologie en von Xibalba: und andere Mayapunk-Storys« gibt es noch als E-Book.

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Spurensuche führt nach Palenque

Seit Jahren versuche ich, eine Zeichnung zu identifizieren. Vielleicht gelingt es mir in Mexiko.

Wen stellt diese Zeichnung dar? Ich benutze sie seit Jahrzehnten als Logo.

stilisierter Maya-TempelAls Jugendlicher habe ich aus einem Buch über die Maya eine Zeichnung abgepaust, die ich seitdem als Logo benutze. Es ist ein sitzender Mann mit einem Kopfschmuck und einer Kette mit einem Anhänger in Sonnenform. Leider habe ich im Laufe der Jahrzehnte vergessen, wen die Figur darstellt, wenn ich es überhaupt damals wusste, und finde auch die Vorlage nicht mehr. Ohne Zweifel handelt es sich um eine bedeutende Persönlichkeit.

Zur Vorbereitung meiner Mexiko-Reise habe ich mich wieder in die Welt der Olmeken, Zaptoken, Azteken und Maya vertieft, in alten und neuen Texten gelesen und dabei den Versuch unternommen, das Geheimnis dieser Zeichnung zu lösen. Ein Vergleich mit verschiedenen Darstellungen aus der Ruinenstadt Palenque wie der berühmten Grabplatte im Tempel der Inschriften oder der Inthronisationsszene auf einer Tafel in Haus E des Palastes lassen mich vermuten, dass es sich bei der dargestellten Person um den Maya-Herrscher K’inich Janaab Pakal I. handelt.

Er wird auch Pakal der Große genannt und lebte im siebten Jahrhundert, der sogenannten Klassischen Periode. Gerade die Inthronisationsszene, die Pakal mit seiner Mutter zeigt, weist viele Ähnlichkeiten mit der Zeichnung auf: die Form der Nase, die Sitzhaltung, der aufwändige Kopfschmuck, die Kette, die Armbänder/Pulswärmer. Es gibt allerdings ähnliche Darstellungen von Herrschern anderer Maya-Stätte aus dieser Zeit.

Entschlüsselung beginnt

Umzeichnung der Grabplatte von Pakal dem Großen in Palenque (Ausschnitt). Um die Zeichnung komplett zu sehen, bitte aufs Bild klicken (Quelle: wikimedia.org).

Pakals Name wurde ab 1973 nach und nach entschlüsselt. Heute ist dank weiter entwickelter epigrafischer Methoden und Erkenntnisse die Lesung K’inich Janaab Pakal akzeptiert. Über diese und andere Erfolge bei der Entschlüsselung der Maya-Schrift erfuhr man als Laie in Deutschland wenig. Mein erstes Werk über die Maya von Michael Coe1 habe ich 1977 als frisch erschienenes Taschenbuch gekauft, die amerikanische Erstausgabe erschien aber schon 1966. Vieles im Buch war also gar nicht mehr up to date. Darin ist Pakal der Große noch ein »bedeutende[r] Mann, wohl ein Herrscher von Palenque aus dem späten siebten oder dem frühen achten Jahrhundert«. Dieser Klassiker ist ständig aktualisiert worden und liegt auf Englisch inzwischen in der zehnten Auflage2 vor, ist aber nie wieder ins Deutsche übersetzt worden.

Der Fund des Grabes von Pakal dem Großen ist vergleichbar mit der Entdeckung des Grabes von Tut-ench-Amun in Ägypten, auch wenn das Grab des Pharaos um vieles reicher ausgestattet war. Pakals Grab im Tempel der Inschriften in Palenque war seit mehr als 1200 Jahren unberührt. Aufsehend erregend ist die große Steinplatte, die den Sarkophag bedeckt. Darauf ist Pakals Reise ins Totenreich dargestellt. Beeindruckend ist auch die Totenmaske aus Jade, die im Grab gefunden wurde.

Der Name K’inich Janaab Pakal in verschiedenen Schreibweisen. (Quelle: The Montgomery Drawing Collection, caption JM03454).

Zweifelhafter Ruhm

Der Schweizer Hotelier Erich von Däniken hat der Grabplatte zu zweifelhaftem Ruhm verholfen. Sie ziert in einer nicht besonders gelungenen Umzeichnung den Umschlag seines 1968 erschienenen ersten Buches, »Erinnerungen an die Zukunft«3, in dem ziemlich viel Unfug steht. Er hält die dargestellte Szene wie vieles andere für einen Hinweis darauf, dass Außerirdische vor langer Zeit die Erde besucht haben. Von Däniken schreibt, dass vermutlich der Gott Kukulmatz bzw. Kukulkan »in Rennfahrerpose« auf einem Fahrzeug sitzt, das »heute jedes Kind als Rakete identifizieren« würde. Fälschlicherweise nennt er 1935 als Entdeckungsjahr, tatsächlich war es 1952. Mal abgesehen von den Ancient Aliens kann man von Däniken zugutehalten, dass seinerzeit nichts über den Mann bekannt war, der unter der Platte seine letzte Ruhestätte gefunden hatte. Da konnte man noch viel hineinfantasieren. Ich muss zugeben, dass es auch von Däniken war, der mich dazu gebracht hat, mich mit den Maya und anderen prähistorischen Zivilisationen zu beschäftigen.

Vielleicht findet ich während meiner Reise nach Mexiko eine Antwort auf die Frage, wen das Logo darstellt. Der Besuch von Palenque steht für den 21. November auf dem Programm. Als vollständiges Maya-Datum, das aus Elementen aus drei verschiedenen Kalendern besteht, ist das in moderner Schreibweise 13.0.11.1.7 13 Manik 15 Ceh.

Literatur

  1. Michael Coe: Die Maya. Bergisch-Gladbach 1977 ↩︎
  2. Michael Coe/Stephen Houston: The Maya. London 2022 ↩︎
  3. Erich von Däniken: Erinnerungen an die Zukunft. Düsseldorf 1968 ↩︎

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Kannibalen und ein imaginärer Kontinent

Die französische Nationalbibliothek in Paris beherbergt zwei beeindruckende Globen. Sie waren ein Geschenk für den Sonnenkönig Ludwig XIV.

Vier Meter durchmessen die beiden Coronelli-Globen in der französischen Nationalbibliothek.

Es ist ein paar Wochen her, dass ich zuletzt in Paris war. Bei dieser Gelegenheit haben wir die französische Nationalbibliothek besucht, die Bibliothèque François-Mitterrand, benannt nach dem früheren Präsidenten. Das imposante Gebäude aus Beton, Stahl und Glas liegt am linken Ufer der Seine und fällt wegen seiner vier großen Türme in Form eines offenen Buches auf.

Die Bibliothek beherbergt nicht nur rund 15 Millionen Bücher aus vielen Jahrhunderten, sondern dort stehen auch zwei beeindruckende Globen. Diese Meisterwerke, ein Erd- und ein Himmelsglobus, stammen aus der Werkstatt von Vincenzo Coronelli (1650-1718) und waren ein Geschenk für Ludwig XIV, den Sonnenkönig. Beide Globen haben einen Durchmesser von fast vier Metern. Der Erdglobus zeigt die Ende des 17. Jahrhunderts bekannte Welt einschließlich Australien bzw. Neu-Holland, das von Europäern erst wenige Jahrzehnte zuvor entdeckt worden war. Die Antarktis ist als »Terra Magellanique Australe Inconnue« noch ein imaginärer Kontinent.1

Wie es damals üblich war, sind die Globen mit vielen Illustrationen und Erklärtexten versehen. Die Einwohner von »Bresil« werden beispielsweise als Kannibalen gezeigt. Zu sehen sind verschiedene Szenen, die zeigen, wie Menschen getötet, zerteilt und Leichenteile gegrillt werden. Auf dem Himmelsglobus sind die Sternzeichen als Lebewesen dargestellt.

Die Eingeborenen von »Bresil« werden als Kannibalen dargestellt.

Ein Besuch der Bibliothek lohnt sich allein wegen der Architektur und der Globen. Der Eintritt ist frei, nur für die Nutzung der Lesesäle muss man eine kleine Gebühr bezahlen.

  1. Die Antarktis wurde erst 1820 entdeckt. ↩︎

Wikipedia-Artikel über die Coronelli-Globen

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