Was wusste Marco Polo von Amerika? Zunächst einmal würde man sagen: nichts. Er hat 200 Jahre vor Christoph Columbus gelebt, da lag die Neue Welt außerhalb des Vorstellungsvermögens der Alten Welt. Aber Polo war (wahrscheinlich) in China, und dort gab es die Sage von Fusang, einem Land jenseits des Ozeans.
Nun spekuliert ein amerikanischer Forscher, Benjamin B. Olshin, in seinem für Ende Oktober angekündigten Buch «The Mysteries of the Marco Polo Maps» darüber, ob auf einer Zeichnung, das Polo zugeschrieben wird, der Küstenverlauf von Alaska skizziert ist. Darüber berichtet das renommierte Smithsonian Institute in seiner Online-Ausgabe (abgerufen am 24.9.2014).
Premiere im Kulturspeicher in Leer: Ein Bericht über »Hinterm Mond 2014«
Der 1. Tag der Science-Fiction-Literatur in Ostfriesland ist Geschichte. Es war eine tolle Veranstaltung, dank der Autoren, dank des Publikums. Ich habe nur zufriedene bis strahlende Gesichter gesehen. Und alle haben bis zum Schluss durchgehalten, obwohl es ein langer Tag war.
Wir haben bei »Hinterm Mond 2014« fünf ganz unterschiedliche Autoren erlebt, mit ganz unterschiedlichen Geschichten. Es kam darin alles vor, was die Science-Fiction ausmacht: Raumschiffe, Aliens, Zeitreisen, Alternativwelten und anderes mehr. Es wurde gelacht, gestaunt, gefragt und diskutiert. Die Zuhörer kamen mit den Autoren ins Gespräch, die Autoren miteinander, es wurden Bücher signiert und Adressen ausgetauscht.
Axel Kruse machte den Anfang mit seiner Story «Die Fretschnecks warten schon«. Wir verfolgen darin ein Gespräch am Mittagstisch. Der Junge will raus und mit den Fretschnecks spielen, und sein Opa lamentiert darüber, wie schön es früher auf Terra war. Vom Rest seiner Lesung habe ich leider nicht viel mitbekommen, weil ich mich um ein paar andere Dinge kümmern musste.
Unter anderem um die anderen Autoren, die nach und nach eintrafen. Denn die Deutsche Bahn hatte dafür gesorgt, dass der Zeitplan ins Wanken geraten war. Oliver Henkel, Karsten Kruschel und Heidrun Jänchen kamen alle mit deutlicher Verspätung in Leer an. Nur die beiden Autofahrer Axel Kruse und Ralf Boldt, musste ich als Sohn eines Bahntjers und überzeugter Bahnfahrer eingestehen, waren rechtzeitig eingetroffen.
Oliver, Spezialist für Alternativweltgeschichte(n), hatte für seinen Auftritt in Leer eigens eine passende Kurzgeschichte geschrieben, die im Kulturspeicher ihre Urlesung hatte. In «Die letzte Kutsche» erlebt Napoleone Buonaparte, der durch sein eigenmächtiges Handeln im Juli 1792 den Sturm auf die Bastille zurückgeschlagen und damit die Französische Revolution verhindert hatte, im Juni 1815 sein persönliches Waterlo’h bei einer Skatpartie in Leer. Der Lesung folgte eine spannende Diskussion über die Tücken, die Alternativweltgeschichten haben können. Denn wer die richtige Geschichte nicht kenne, könne die alternativ erzählte ja gar nicht als solche erkennen, war ein Argument.
Ralf Boldt, der als Ostfriese sozusagen ein Heimspiel hatte, stellte einen Auszug aus seinem ersten Roman «Der Temporalanwalt» vor. Die Geschichte spielt direkt vor der Haustür, in Oldenburg, im Ammerland, in Ostfriesland und Wilhelmshaven. Die Hauptfigur ist ein Anwalt aus Oldenburg, der bei einem Grundstücksverkauf einen Zeitreisenden kennenlernt und schließlich der erste Menschen wird, der in die Zukunft reist. Wer wissen will, in welche Machenschaften er dabei gerät und was es mit der Frau in Schwarz auf sich hat, muss sich noch ein wenig gedulden. Der Roman erscheint in Kürze.
Tausendsassa Ralf nutzte die Gelegenheit, auf den Science-Fiction-Club Deutschland aufmerksam zu machen. An einem Infostand lagen für die Besucher Exemplare der Clubzeitschrift «Andromeda» und das Sonderheft «Science Fiction in Germany» bereit, mit dem in London bei der World Science Fiction Convention (Worldcon) und dem Shamrokon in Dublin Werbung gemacht wurde. Außerdem ist Ralf Ideengeber und Organisator des MediKonOne 2015. Am Klinikum Oldenburg werden vom 14. bis 16. August 2016 Medizin und Science-Fiction aufeinander treffen. Wer sich dafür interessiert, sollte die MediKonOne-Internetseite im Auge behalten.
Heidrun Jänchen, trotz mühevoller Anreise gut gelaunt, bot erwartungsgemäß sozialkritische SF. Die Physikerin ist politisch sehr engagiert. In ihrer Heimatstadt Jena sitzt sie für die Piraten im Stadtrat. In einer Geschichte erlebten wir das Ende eines Billiglohnplaneten, in einer anderen wurden wir Zeuge, wie ein schikanierter Arbeitsloser dank einer manipulierten Verkehrssünderdatenbank plötzlich einen Job als Wirtschaftsminister angeboten bekommt. Schließlich führte uns Heidrun in eine Welt, in der Menschen dank eines Gehirnimplantats viele Male schneller denken und arbeiten, plötzlich aber einer nach dem anderen ausgebrannt zusammenbricht und die wenigen nicht implantatfähigen Menschen, die Slomos, vor einer schwierigen Entscheidung stehen.
Karsten Kruschel setzte den Schlussakkord mit zwei äußert amüsanten Geschichten. Die eine «Eine Frage der Perspektive» aus dem dritten Teil seiner bekannten «Vilm»-Trilogie. Wir litten mit Sergios Thanassatrides, der mit seinem Raumschiff Hochwürden Sandaragaleezi Mornastan, einen Hochmeister des Allseherordens, zum Planeten Vilm bringt und dabei dessen nicht enden wollenden Redeschwall anhören muss. Den Reaktionen im Publikum war es anzumerken, dass jeder jemanden wie Hochwürden – «Reden war seine Daseinsform» – kannte. Nicht weniger amüsant die Geschichte von der Froschprinzessin, die Karsten für eine Lesung anlässlich des nicht eingetretenen Weltuntergangs Ende 2012 geschrieben hatte: Ein deutscher Professor, seine Assistentin und ein Nasa-Aufpasser nehmen Kontakt mit einem Alien auf, was fatale und sehr feuchte Folgen nicht nur für Dresden hat.
Axel Kruse wusste übrigens schon vorher, dass die Maya sich mit dem Weltuntergang vertan hatten. In seinen «Geschichten aus Joaquins Bar» erzählt er nämlich, dass es in Rostock eine astronomische Uhr gibt, die das Ende der Welt verrät: Es wird 2017 sein. Das heißt, wir haben noch gut drei Jahre Zeit, für mindestens einen weiteren Tag der Science-Fiction-Literatur in Ostfriesland. Die Besucher, mit denen ich am Sonnabend gesprochen habe, waren jedenfalls alle dafür, sich eines Tages wieder Hinterm Mond zu treffen. Mal sehen. Zwei, drei Tage muss ich wohl noch darüber nachdenken, aber alles andere als ein Ja würde mich überraschen.
Bei einer Radtour bin ich zufällig auf ein Relikt aus einer Zeit gestoßen, als Ostfriesland noch eine territoriale Einheit bildete: auf einen Grenzstein. Er steht am Emsdeich zwischen der ostfriesischen Ortschaft Völlen und der Stadt Papenburg im Emsland. Der von hohem Gras überwucherte, quaderförmige Stein trägt an allen vier Seiten eine Inschrift. Auf den schmaleren Seiten stehen unter einander die Buchstaben BZ und GR durch einen Strich getrennt. Das wird wohl Bezirksgrenze heißen. Auf den breiten Seiten sind die Buchstaben OS für (Regierungsbezirk) Osnabrück und AUR für (Regierungsbezirk) Aurich zu sehen. Über das Alter des Steins lassen sich keine sicheren Angaben machen.
Der Regierungsbezirk Aurich, der bis 1978 bestand, umfasste bis auf ein paar kleine Abweichungen das Gebiet des ehemaligen Fürstentum Ostfriesland. Es bestand von 1464 bis 1744. Nach dem Tod von Fürst Carl Edzard im Mai 1744 wurde das Fürstentum vom Königreich Preußen annektiert und Aurich zum Sitz der preußischen Provinzregierung.
Zwischendurch war Ostfriesland einige Jahre – von 1807 bis 1812 – französisch, wurde wieder preußisch, dann aber auf dem Wiener Kongress dem Königreich Hannover zugeschlagen. Ostfriesland war zunächst Provinz, ab 1823 Landdrostei Aurich. 1866 verleibte sich Preußen das Königreich und damit Ostfriesland ein. 1946 wurde der preußische Regierungsbezirk Aurich zum Regierungsbezirk im neuen Bundesland Niedersachsen. 1978 wurden die Regierungsbezirke Aurich und Osnabrück und der Verwaltungsbezirk Oldenburg zum Regierungsbezirk Weser-Ems zusammengefasst, der zum 31. Dezember 2004 aufgelöst wurde.
Der Stein am Emsdeich markierte nicht nur eine Grenze zwischen verschiedenen Verwaltungseinheiten. Dort liegt auch eine Konfessionsgrenze – zwischen dem evangelischen Ostfriesland und dem katholischen Emsland. Aber das ist eine andere Geschichte.