Rückblick: 370 Zuhörer folgten dem Phantasten und Querdenker auf den Spuren der außerirdischen Besucher
Von Norbert Fiks
Mein Bericht über eine Veranstaltung mit Erich von Däniken erschien am 20. September 1993 in der Ostfriesen-Zeitung.
Hier dokumentiere ich einen Text, den ich 1993 als Redakteur der Ostfriesen-Zeitung über einen Besuch von Erich von Däniken in Ostfriesland geschrieben habe. Ich nehme darauf in einem Blogpost über sein Buch »Erinnerungen an die Zukunft« Bezug.
Hesel. Am Schluß drängeln sich die Fans um ihn. Sie legen ihm die Bücher aufs Rednerpult. Der kleine Mann schreibt schwitzend, bei seiner fast zweistündigen Reise „auf den Spuren der All-Mächtigen“ ist ihm warm geworden. Da schiebt sich ein junger Mann zwischen die Autogrammjäger, eine Frage hat er nur: „Herr von Däniken, ist Ostfriesland das verunkene Atlantis?“
Das weiß auch der Mann nicht, der sich einen Phantasten und Quertreiber nennt. 370 Menschen war es 25 Mark wert, ihn hautnah zu erleben. Die Genossenschaftsbanken im Kreis Leer hatte von Däniken am Freitag ins Jagdhaus „Kloster Barthe“ nach Hesel geholt.
Seit 25 Jahren schreibt er Buch um Buch, hält einen Vortrag nach den anderem und hat sogar eine eigene Fernsehserie. Nur um immer wieder zu fragen: Warum soll es nicht so gewesen sein, daß einst Außerirdische die Erde besucht haben?
Däniken hielt sich nicht mit langen Vorreden auf. Gleich ließ er seine gesammelten Indizien auf das Publikum los. Da war von Weltraumstädten und Flugobjekten die Rede, die in alten indischen Schriften beschrieben werden. Er berichtete von heiligen Stätten, die wie Perlen an einer Schnur zwischen Dänemark und Griechenland aufgereiht sind, von geheimnisvollen Sternenstraßen in den Pyrenäen. Auch die „heiligen Linien“ in Ostfriesland ließ er nicht aus. Der Upstaalsboom als deren Zentrum, das kam beim Publikum an, auch wenn es ein ziemlich alter Hut ist. Dazu gab es viele Dias: geheimnisvolle Ruinen in Bolivien, das unvermeidliche „Raumfahrer“-Relief von Palenque in Guatemala* als Zeugnis mißverstandener Technologie. Dann Computerbilder von einem Raumfahrzeug, das angeblich nach einer Beschreibungen der Bibel rekonstruiert wurde. Aber auch neuere Fotos hatte er dabei, von einem südamerikanischen Indianerstamm, der um einen völlig in einem Strohanzug verborgenen Menschen tanzt. Er sagte nicht, daß es ein Raumanzug sein solle. Aber es könnte einer sein: „Ich nehme mir die Freiheit, das anders zu sehen als die Wissenschaftler.“
Erich von Däniken reihte unermüdlich eine Spekulation an die andere, fesselte mit Worten und Bildern. Die offenbar ewige Sehnsucht der Menschen nach dem Geheimnisvollen ist sein Kapital. Dabei ist er kein Eiferer, kein Scharlatan, sondern offenbartief von dem überzeugt, was er den Menschen an Merkwürdigkeiten bietet.
—–
* Palenque liegt in Mexiko, ich bin 2023 selbst dort gewesen.
Zwei Artikel von mir über Walter Ernsting und über Atlantis stehen auf der Nominierungsliste für einen neuen Literaturpreis. Er ist nach Rein A. Zondergeld benannt.
Ab diesem Jahr wird erstmal der Rein A. Zondergeld–Preis für sekundär- und tertiärliterarische Beiträge zur Phantastik (RZA-Preis) vergeben. Benannt ist er nach dem niederländisch-deutschen Literaturwissenschaftler Rein A. Zondergeld, der unter anderem das Lexikon der phantastischen Literatur veröffentlicht hat. Derzeit wir die Nominierungsliste für 2022 kontinuierlich mit infrage kommenden Texten des laufenden Jahres aufgefüllt.
In der Kategorie Kurztexte (Artikel, Essays, ect.) sind mehrere Texte von mir zu finden, bisher ein Beitrag über den SF-Autor Walter Ernsting alias Clark Darlton in der Zeitschrift phantastisch! und einer über Atlantis in der SOL, dem Mitgliedermagazin der Perry Rhodan-Fanzentrale. Weitere könnten folgen, sobald sie erschienen sind.
Der RZA-Preis ist eine Sparte des Vincent-Preises für Horrorliteratur, umfasst aber alle Genres des Phantastischen. Vermutlich wird er nach denselben Regeln vergeben wie der Vincent-Preis, allerdings gibt es dazu online bisher keine Information. Aber bis Anfang des kommenden Jahres, wenn die Nominierungsphase abgeschlossen sein wird, ist noch Zeit. Warten wir also ab.
Die Nominierungsliste lädt zum Stöbern ein. Da findet man sicher das eine oder andere Interessante, was einem bisher durch die Lappen gegangen ist.
Hat dir der Beitrag gefallen? Es würde mich freuen, wenn du mir ein Feedback gibst und dafür die Kommentarfunktion am Ende des Beitrags nutzt.
»Erinnerungen an die Zukunft« von Erich von Däniken wiedergelesen. Das Buch ist ein Klassiker der Pseudowissenschaft.
1968 erschienen die »Erinnerungen an die Zukunft« im Econ-Verlag
»Erinnerungen an die Zukunft« von Erich von Däniken ist ein Klassiker der Pseudowissenschaft und ein Meilenstein der so genannten Prä-Astronautik. Ganze Generationen von Lesern hat es beeinflusst und viele Nachfolger motiviert. Im Zuge einer Recherche habe ich mir das 1968 erschienene Buch, das ich als 15- oder 16-Jähriger, also vor sehr langer Zeit, einmal gelesen habe, (in einer Ausgabe von 1984) erneut besorgt und jetzt wieder gelesen. Das ist mein Eindruck:
Schon der erste Satz der Einleitung ist Bullshit: »Dieses Buch zu schreiben, ist eine Mutfrage – es zu lesen nicht minder.« In der Schweiz, wo von Däniken lebt, oder in Westdeutschland, wo das Buch erschien, wurde man damals deswegen höchstens komisch angeguckt. Aber das Statement bindet Autor und Leser aneinander und gibt ihnen das Gefühl, Teil von etwas Besonderem zu sein, Mitglieder im Club der Mutigen, der den Rest der Welt gegen sich hat.
Wissenschafts-Bashing als roter Faden
Im zweiten Satz geht es mit Wissenschafts-Bashing los, etwas, das das Buch wie ein roter Faden durchzieht: »Gelehrte werden es, weil seine Thesen und Beweise nicht in das mühsam gekittete Mosaik bereits zementierter Schulweisheit passen, als Utopie auf den Index jener Bücher setzen, über die man besser nicht spricht.« (S. 11) Hier wird Wissenschaft als etwas Starres, Dogmatisches, Ignorantes, Unnahbares dämonisiert, als »zementierte Schulweisheit«, die ein »mühsam gekittete(s) Mosaik«, aber nicht das wirkliche Bild als Wahrheit anbiete. Und nicht nur das, sie versuche sogar, die Wahrheit zu unterdrückten, in dem sie solche Werke auf einen Index mit Bücher setze, über die man nicht spreche. Da wird das finstere Mittelalter heraufbeschworen und damit ein Bild von der Wissenschaft, das mit den Tatsachen nichts zu tun hat.
Solche Stellen finden sich immer wieder im Buch, einmal schreibt von Däniken von den »Krücken vererbter Schulweisheiten«, mit der man »nicht zu den probaten Lösungen kommen kann« (S. 42). Und wenn es sein muss, werden etablierte und bewährte wissenschaftliche Methoden lächerlich gemacht: »… man klebt ein paar alte Scherben zusammen, fahndet nach ein paar nächstliegenden Kulturen, klebt ein Etikett auf den restaurierten Fund und – simsalabim! – es paßt wieder einmal alles wundervoll in das so außerordentliche bewährte Denksystem.« (S. 44).
Diese, sagen wir mal, sehr kritische Haltung zur Wissenschaft hindert von Däniken aber überhaupt nicht, ständig auf irgendwelche Forschungsergebnisse Bezug zu nehmen, wenn sie seine Spekulationen zu stützen scheinen: »An vielen Forschungsstätten laufen die Versuche. Immer neue Beweise häufen sich, daß Leben keineswegs an die existenzielle Voraussetzungen unseres Planeten gebunden ist.« (S. 19). Oder: »Einsteins Relativitätstheorie gilt unbestritten!« (S. 25). Noch ein Beispiel: »Für den wissenschaftlich ungeschulten Verstand scheint der Vorgang verrückt, und dennoch vollzieht er sich genauso.« (S. 202).
Professoren als Kronzeugen
Trotz aller Häme über die akademische Wissenschaft tritt auch alle paar Seiten ein Professor als Kronzeuge auf: »Professor D. Willy Ley, bekannter wissenschaftlicher Schriftsteller und Freund Wernher von Brauns, sagte mir in New York…« (S. 17); »Die jüngsten Arbeiten von Professor Charles H. Hapgood…« (S. 36); »Professor Alden Mason, Spezialist für peruanische Altertümer, vermutet…« (S. 38).
Der Vorwurf der »zementierte(n) Schulweisheit«, die jede Form von Erkenntnis ausschließt, ist an sich schon Humbug. Träfe das zu, säßen wir – Achtung, Klischee! – immer noch in Höhlen und würden uns mit Keulen bekämpfen. Von Däniken glaubt selbst nicht daran: Im zweiten Kapitel beschreibt er eine Reise zu einem fernen Sonnensystem, schwärmt darin von den »Riesenschritte(n) der Technik«, von der »Grundlagenforschung für die Raketentriebwerke von morgen« (S. 24). Aber wahrscheinlich zählt von Däniken Leute, die so etwas betreiben, zur gleichen Spezies wie sich selbst: »Wie gut, daß es in der Vergangenheit immer ausreichend kühne und der zeitgenössischen Kritik gegenüber taube Phantasten gab!« (S. 107).
Stimmt, es hat Leute gegeben, die der Meinung waren, dass Eisenbahnfahren gefährlich ist, weil Menschen bei Geschwindigkeiten über 34 Kilometer pro Stunde sterben. Und ja, Heinrich Schliemann hat Troja gefunden, weil er Homer ernst nahm. Selbstverständlich gibt es Wissenschaftler, die eine einmal gefundene Theorie gegen alle Vernunft mit Händen und Füßen verteidigen. Aber das ist – im Umkehrschluss – noch lange kein Beweis dafür, dass jeder Unsinn, den ein wissenschaftlicher Außenseiter behauptet, stimmt.
Von Däniken ist gelernter Hotelier. Macht das seine These, dass »Raumfahrer in grauer Vorzeit« an der Errichtung der Kultur von Tiahuanaco in Bolivien beteiligt sein könnten, glaubhafter als die Annahme »einiger Archäologen«, die vermutlich jahrelang in Tiahuanaco geforscht haben, dass das Ruinenfeld 3000 Jahre alt ist? Von Däniken wirft diesen sogar vor, diese Behauptung »kühn und selbstsicher« aufzustellen (S. 43). Macht er etwas anderes?
Eine feste Behauptung…
Vieles in dem Buch läuft nach dem Motto »Eine feste Behauptung ist besser als ein schwacher Beweis.« Da steht zum Beispiel – ohne nähere Erläuterung – der Satz »Der älteste Text über Teotihuacan berichtet uns, daß hier die Götter zusammenkamen und über den Menschen Rat hielten, noch ehe es den homo sapiens überhaupt gab!« (S. 145). Eine starke Behauptung, mit der der Leser völlig allein gelassen wird. Welcher Text? Wie alt? Und wie kann über den Menschen Rat gehalten werden, bevor es ihn gab?
Hin und wieder weist von Däniken auf »Unmöglichkeiten« hin, die Zweifel streuen sollen: »Auf der Hochebene von Peru wurden Ornamente aus Platin gefunden« oder »In einem Grab in Chou-Chou lagen Teile eines Gürtels, die aus Aluminum bestehen« (S. 52). Aus den sich daraus ergebenden Fragen – Wie kann in Peru Platin, das eine Schmelztemperatur von 1800 Grad hat, verarbeitet worden sein? Woher kommt Aluminium, das »nur unter beträchtlichen Schwierigkeiten aus dem Bauxit« gewonnen werden kann? – ergibt sich laut von Däniken nur eine Antwort: »die Hypothese vom Besuch aus dem Weltall« (S. 53).
Dem kritischen Leser dagegen stellt sich erst einmal die Frage nach den Quellen. Stimmt das mit dem Platin und dem Aluminium überhaupt? Darüber schweigt sich von Däniken nämlich aus. In einem seriösen Werk hätten detaillierte Angaben zu den »Unmöglichkeiten« gestanden, zum Beispiel zum genauen Fundort des Platin-Ornaments, zu den Fundumständen, den Abmessungen und dem Aussehen der Ornamente. Es hätte einen Diskurs zur Entwicklung der Metallverarbeitung im vorspanischen Südamerika gegeben usw. Von Däniken bleibt lieber vage, dann kann man ihn nicht festnageln. Es macht es ihm zudem leicht, Zusammenhänge anzudeuten, wo es keine gibt.
An einigen Stellen steht auch einfach nur Unsinn: »Viele hundert Generationen glaubten, die Erde sei eine Scheibe.« (S. 21). Hundert Generationen sind 3000 Jahre, aber schon der griechische Philosoph Aristotels stellte in der Mitte des vierten vorchristlichen Jahrhunderts, also vor etwa 2500 Jahren, Überlegungen zum Umfang der Erdkugel an.
Hoch über Kairo
Apropos Kugel. In Kapitel 3 geht es unter anderem um die so genannten Piri-Reis-Karte, eine türkische Weltkarte aus dem 16. Jahrhundert, auf der angeblich die Küstenlinie der Antarktis, die damals noch gar nicht bekannt war, exakt wiedergegeben ist. Von Dänikens Behauptung: Die Karte entstand auf der Grundlage eines Foto, das in grauer Vorzeit aus 8000 Kilometer über Kairo gemacht wurde. Mit Hilfe von Google Earth oder eines Globus kann man sehr leicht selbst feststellen, dass die Antarktis und der größte Teil der südamerikanischen Küste wegen der Kugelgestalt der Erde überhaupt nicht zu sehen sind, wenn man senkrecht über Kairo steht. Und warum überhaupt Kairo? Die Stadt wurde erst im 10. nachchristlichen Jahrhundert gegründet, und selbst die in der Nähe liegenden Pyramiden von Gizeh entstanden erst vor 4600 Jahren. Dabei soll doch die Aufnahme (laut Text zur Abbildung nach S. 144) gemacht worden sein, »bevor die Eisdecke [der Antarktis] da war«. Nach heutigem Stand der Forschung ist die Antarktis seit 34 Millionen Jahren von einem Eispanzer bedeckt (Quelle).
In vielen Punkten wirken die »Erinnerungen an die Zukunft« heute altbacken, sie waren eben auch eine Produkt ihrer Zeit, der späten 1960er Jahre. Wir wissen heute im Unterschied zu damals, dass es Milliarden von Planeten allein in unserer Milchstraße gibt, und leider wurden nicht »in weniger als zwei Jahrzehnten… Riesen-Raumschiffe auf dem Mond startklar« (S. 24) gemacht.
Der sogenannte Astronaut aus dem Valcamonica in Norditalien. Er trägt angeblich einen Helm mit Antennenstäben. Bild: Luca Giarelli/Wikipedia
Manches war aber sogar schon 1968 lächerlich: Die Raumfahrer bei Erich von Däniken »tragen merkwürdige Hüte mit Stäben daran auf den Köpfen« (S. 27). Sind das Antennen? Schon die amerikanischen Raumfahrer vor Neil Amstrong, der wenige Monate nach Erscheinen des Buches auf dem Mond landete, trugen keine Helme mit Antennen. Da hat wohl einer zu viele Perry-Rhodan- und andere SF-Heftchen gesehen.
Fazit: als Sachbuch grenzwertig, weil statt Beweise Spekulationen, Vereinfachungen und Verdrehungen geliefert werden, als Unterhaltungslektüre ganz annehmbar. Bedenklich ist allerdings, dass das Buch beziehungsweise der Autor und dessen »Thesen« noch heute die rechte Pseudogeschichtsszene vor allem in den USA befeuern.
Begegnung mit Erich von Däniken
An meine einzige eigene Begegnung mit von Däniken kann ich mich kaum erinnern. Das war im September 1993 bei einer Vortragsveranstaltung in Hesel, einem Dorf in Ostfriesland. So sah damals mein Bericht in der Ostfriesen-Zeitung darüber aus – wobei ich den letzten Satz so nicht mehr schreiben würde: Erich von Däniken ist ein Scharlatan.