Sven Klöpping (Hrsg.): Bullet und andere Storys aus dem MegaFusion-Universum. Sven Klöppings sternwerk @ p.machinery. Murnau 2014, 196 Seiten, Taschenbuch. 10,90 Euro. ISBN 9783957650153.
Auf einer sehr langen Bahnfahrt von Wien nach Ostfriesland hatte ich Gelegenheit, die Story-Sammlung »Bullet« in einem Rutsch zu lesen, eingerahmt von einem Perry-Rhodan-Roman des Wieners Leo Lukas und dem Anfang des SF-Klassikers »Neuromancer« von William Gibson. Ich formuliere mein Urteil mal so: Eine Geschichte von Gibson wäre in der von Sven Klöpping herausgegebenen Anthologie »aus dem MegaFusion-Universum« nicht so aufgefallen wie eine aus dem Perryversum.
Das sollte jetzt ein Lob sein. »Bullet« zeigt, auf welch hohem Niveau die junge deutsche SF-Generation schreibt – und auch, wie sehr sie von Schriftstellern wie Gibson beeinflusst ist und gelernt hat, im Guten wie im Schlechten. Sprachlich und stilistisch fand ich alle 16 Storys der Sammlung mit geringen Abstrichen sehr gelungen, inhaltlich hat mich nicht alles überzeugt.
Das Megafusion-Universum ist eine Erfindung von Sven Klöpping und beschreibt eine riesige, erdumspannende Stadt der fernen Zukunft, die von einer Handvoll Großkonzernen beherrscht wird. In dieser Megacity, diesem Moloch, lebt es sich gut, wenn man zu denen da oben gehört, die Mehrheit ist einfach nur schlecht dran. »Bullet« handelt von Versagern, Ausgestoßenen, Kleinkriminellen und Verweigerern, von denen, die sich irgendwie durchschlagen müssen und das im wahrsten Sinne des Wortes auch tun – also von der Kehrseite des Lebens, die im Megafusion-Universum aber das Normale ist.
Die Storys sind »böse und schnell« (Verlagswerbung), die Protagonisten sind nicht zimperlich, »Sex, Gewalt und Tod« (Andreas Flögel in »Who’s your Daddy?«) sind die treibenden Kräfte. Klöpping selbst hat zwei Storys beigetragen, den Rest lieferten mehr oder weniger bekannte Kollegen der SF-Szene (in der Reihefolge ihres Auftretens): D. J. Franzen, Christian Künne, Michael Schmidt, Thorsten Küper, Jakob Moser, Stefan Blankertz, Vincent Voss, Susanne Schnitzler, John Aysa, Dirk Bernemann, Frederic Brake, Diane Dirt, Andreas Winterer und Andreas Flögel.
Ich fand alles spannend zu lesen, manches originell, aber vieles hat mich nicht angemacht. Dieser ganze psychedelische, surrealistische SF-Punk mit seinen drogenvernebelten, durchgeknallten Typen und deren unverblümten Gewalt- und Sexobzession ist mir immer schon fremd gewesen. Ich bevorzuge Storys, in denen ich die Motive und Handlungen der Protagonisten nachvollziehen kann, und mögen sie noch so bescheuert sein. Das gelang mir in vielen der in »Bullet« versammelten Storys nur begrenzt, ein oder zwei haben mich ratlos zurückgelassen, weil ich nicht begriffen habe, worum es ging. Mir haben »Der Mechaniker« von Thorsten Küper und die titelgebende Story von Vincent Voss am meisten zugesagt, weil sie mir erlaubten, mich in die Lage des Protagonisten zu versetzen.
»Bullet« ist dennoch auf jeden Fall empfehlenswert, nicht nur für lange Zugfahrten. Vor allem das durchgängig hohe sprachliche Niveau ist bemerkenswert, der Einfallsreichtum der Autoren sowieso. Die eine oder andere Story werden wir sicher in der engeren Wahl zum Deutschen Science-Fiction-Preis oder zum Kurd-Laßwitz-Preis wiederfinden, und das zu recht.