Vor 50 Jahren habe ich den ersten PERRY RHODAN-Roman gelesen. Wahrscheinlich.
In Ostfriesland, wo ich lebe, ist es üblich, dass man Nachbarn oder Kollegen zu einem Jubiläum »einen Bogen« macht, eine Girlande, die um die Haustür gelegt und mit einem Zahlenschild gekrönt wird. Bei mir könntet ihr jetzt eine Girlande mit einer goldenen 50 aufhängen, denn ich bin seit einem halben Jahrhundert PERRY RHODAN-Leser.
Okay, so ganz genau stimmt es nicht. Tatsächlich weiß ich nicht, wann ich meinen allerersten Roman aus dieser deutschen Space-Opaera-Serie gelesen habe; wahrscheinlich hat mir ein Klassenkamerad, mit dem ich näher befreundet war, einen Heftroman in die Hand gedrückt. In meiner persönlichen Chronik ist »Der alte Admiral«, geschrieben von Hans Kneifel, der Auftakt, weil ich danach jede Woche ein Heft las und ganz verrückt danach war. Das war Band 448. Es erschien Ende März/Anfang April 1970.
Der Roman gehört zum Cappins-Zyklus. Ovaron und Merceille, zwei Cappins aus der weit entfernten Galaxie Gruelfin (NGC 4594, auch Sombreronebel genannt), riskieren ihr Leben, um die Gefahr durch den sogenannten Todessatelliten, der in der Korona der Sonne kreist, zu bannen. Es gelingt ihnen, in den Satelliten einzudringen und eine Bombe scharf zu machen. Fast wäre die Aktion schief gegangen, denn das Positronengehirn, der Zentralcomputer der Station, erkennt ihre Absicht. Im letzter Sekunde können die Saboteure fliehen. Auf diese Flucht spielt das dynamische Titelbildmotiv von Johnny Bruck an: Ein kleine Raumschiff, das kaum mehr als ein Rettungsboot ist, versucht, sich mit Höchstgeschwindigkeit aus dem Griff der Sonne zu befreien. Der Stern sieht aus, als stehe er kurz vor einer Explosion.
Aus Anlass des Jubiläums habe ich das Heft noch einmal gelesen (das »Original« habe ich schon lange nicht mehr, aber dank Ebay war es kein Problem, ein gut erhaltenes Exemplar zu bekommen). Der Roman ist noch so richtig 60er Jahre, als Piloten bei der Arbeit rauchten, alle, die etwas durchsetzen wollten, rumbrüllten, und die einzige Frau weit und breit »Mädchen« genannt wurde. Die Handlung ist behäbig, die Dialoge umständlich. Aber schlimme Schnitzer hat Hans Kneifel sich nicht geleistet.
Mit der MARCO POLO ins Perryversum
Zwei Hefte später, in Band 450, startet Perry Rhodan mit dem Superraumschiff MARCO POLO nach Gruelfin, um Ovaron in seine Heimat zurückzubringen. Die Abenteuer in der fernen Galaxie haben den damals 13-Jährigen mächtig fasziniert. Für mich war das der Initiationszyklus, und wenn ich mir heute dank der Perrypedia, dem großen Online-Lexikon zur Serie, die Titelbilder ansehe oder die Handlungszusammenfassung lese, kommt mir vieles trotz der dazwischenliegenden Jahrzehnte vertraut vor. Kein Wunder, dass mein Lieblingsraumschiff aus der Serie immer noch die MARCO POLO ist. Mit der bin ich schließlich ins Perryversum aufgebrochen.
Die Faszination, die von der Serie ausging (dank der Nachauflagen habe ich im Laufe der Zeit den Rückstand ab Band 1 weitgehend aufgeholt), hielt allerdings zunächst nur ein paar Jahre. Mit 15, 16 war ich nicht mehr so einfältig und leicht zu begeistern wie mit 13. Ich erkannte die literarischen Mängel der Serie, hatte qualitativ anspruchsvollere SF entdeckt und war auf dem besten Weg, ein »beinharter Intellektueller« zu werden. In den 1970er Jahre hing an PR schließlich das Stigma, eine faschistoide Serie zu sein und Schund obendrein. In bestimmten Kreisen hatte man es noch Jahre später schwer, wenn man sich als PR-Leser outete. Im besten Fall wurde man komisch angeschaut.
Sieben Jahre ohne ging auch
Irgendwann Ende 1973 bin ich ausgestiegen. So weit ich mich erinnere, habe ich den damals laufenden Zyklus um das Kosmische Schachspiel nicht zu Ende gelesen, mit Sicherheit aber nicht mit dem nachfolgenden Laren-Zyklus angefangen. Meine Pause dauerte etwa sieben Jahre: Im Dezember 1980 ist mir Band 1007, die »Kosmische Hanse« von William Voltz, in die Hände gefallen – und der Perryvirus hatte mich wieder im Griff. Diese Lücke von vier Zyklen von den Laren bis zu den Kosmischen Burgen habe ich übrigens nie geschlossen.
Seit 1980 bin ich also ununterbrochen dabei, habe aber immer mit unterschiedlicher Intensität gelesen. An manche Zyklen habe ich sehr plastische Erinnerungen, andere sind weitgehend spurlos an mir vorbeigegangen. Das lag, vermute ich, nicht unbedingt (nur) an den Romanen, sondern hatte viel auch mit den übrigen Lebensumständen zu tun: Beruf, Familie, andere Projekte etc.
Bis 1988 hatte ich wieder eine umfangreiche Sammlung mit mehreren Hundert Heften zusammengetragen, von der ich mich bei einem Umzug getrennt habe, um das viele »Altpapier« nicht mitschleppen zu müssen. Ich habe sie einfach im Keller des Hauses, das wir damals gemietet hatten, zurückgelassen. Ein paar Wochen später bekam ich einen Anruf vom neuen Mieter, der sich für das Geschenk bedankte.
Nach dem Mauerfall habe ich meine Hefte einige Zeit lang bündelweise an einen PR-Leser in der Nähe von Magdeburg verschenkt, und als der nicht mehr darauf angewiesen war, in 50er Blöcken bei Ebay verscherbelt. Seit Heft 2750 lese ich Perry Rhodan nur noch elektronisch.
Aus Neugier bin ich 2015 zum ersten Perry-Rhodan-Tag nach Osnabrück gefahren – und seitdem im Perryfandom hängengeblieben, habe viele nette und interessante Leute kennengelernt und mit ihnen viele abwechslungsreiche und anregende Stunden verbracht. Schade, dass ich darauf nicht früher gekommen bin.
Bilder (2): Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt
Ja, warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen? Das frage ich mich auch immer wieder. 😁
Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!
Viele Grüße
Markus
Hallo Norbert,
ein sehr schöner Artikel!
Beim Lesen kamen auch bei mir wieder viele Erinnerungen hoch.
In diesem Sinne wie immer: galaktische Grüße und bis bald vom
Brühlotarchen