Wo ist die SF auf der Buchmesse?

Auf der Frankfurter Buchmesse 2021 war ich Science-Fiction-Titeln auf der Spur. Die Entdeckungsreise führte mich nach Tschechien und Polen.

Am Stand von Fischer gab’s ein paar SF-Titel.

Auf der Frankfurter Buchmesse 2021 war ich auf der Suche nach Science-Fiction. Da gab es einige Aussteller, die man unbedingt besuchen musste. Befreundete Autorinnen und Autoren, die selbst nicht zur Messe fuhren, hatten mich gebeten, darauf zu achten, ob ihre kürzlich erschienenen Bücher zu sehen waren. Aber viel spannender ist ja das Unerwartete.

Die Buchmesse stand im Zeichen der Corona-Pandemie. Am Eingang wurde man nach der 3G-Regel kontrolliert, und überall musste Maske getragen werden. Stundenlang mit der Maske rumzulaufen war nicht der Hit, aber andererseits war es dank eines limitierten Kartenkontingents im Vergleich zu früher erfreulich leer. Es gab genug Platz, um sich auszuweichen. In den Vorjahren war das Gedränge an einigen Ecken gelegentlich an der Grenze des Erträglichen. Leider fiel den Einschränkungen ein großer Teil des üblichen Programms zum Opfer. Es gab nur wenige Lesungen oder Signierstunden. Literatur-Prominenz ließ sich überhaupt nicht blicken.

SF geht in der Masse unter

In Frankfurt ist die Phantastik, um die sich in Deutschland viele kleine Verlage kümmern, im Unterschied zu Leipzig nicht breit vertreten. Bei den großen Verlagen verschwinden die wenigen Titel, wenn sie überhaupt ausgestellt werden, in der Masse. Immerhin habe ich am Stand von Fischer Tor einige Neuerscheinungen, unter anderem »Anarchie Deco« von J. C. Vogt und »Universum« von Phillip P. Peterson, gesehen. Ich habe bei der Edition Roter Drache und beim Golkonda-Verlag vorbeigeschaut. Da ich die Verlagsprogramme weitgehend kenne, waren Überraschungen und damit Spontankäufe ausgeschlossen.

Am tschechischen Stand fiel mir der Comic »Neočekávaný robotí exodus« ins Auge.

Das Unerwartete begegnete mir deshalb bei den ausländischen Verlagen. An den tschechischen Stand hatte mich ein Eintrag im Ausstellerverzeichnis getrieben. Was versteckte sich hinter »Labyrint & Raketa«? Nun, »Labyrint« ist ein Verlag, »Raketa« eine von ihm herausgegebene reich bebilderte Kinder- und Jugendzeitschrift. Am Stand fiel mein Blick auf einen Titel, der mich als SF-Fan sofort elektrisierte: »Neočekávaný robotí exodus« mit einem Titelbild, auf dem unzweideutig ein Roboter zu erkennen ist. Es handelt sich bei »Unerwarteter Roboter-Exodus« um den zweiten Teil eines Comics von Taťána Rubášová (Text) und Jindřich Janíček (Illustration). Obwohl ich kein Tschechisch kann, hätte ich den Comic gekauft; er hätte in meine Robotersammlung gepasst. Leider verkauften die ausländischen Aussteller auf der Messe nicht.

Polen tut etwas für seine Phantastik-Autorinnen und Autoren

Das und die fehlenden Sprachkenntnisse bewahrten mich wohl auch davor, eine originalsprachige Ausgabe von Stanisław Lems Roman »Solaris« zu erstehen. Am Stand des Polnischen Buch-Instituts gab es ein Regalfach nur mit einheimischen SF- und Fantasytiteln. Dieses Genre hat in Polen offenbar einen hohen Stellenwert, auch wenn wir hier nur Lem und den Fantasy-Autor Andrzej Sapkowski (Hexer-Geralt-Zyklus aka The Whitcher) kennen. Um die anderen Autoren bekanntzumachen und in Frankfurt für deren Übersetzung zu werben, hat das Institut eine 32-seitige Broschüre mit dem Titel »Polish Sci-Fi & Fantasy« zusammengestellt, in der außer Lem und Sapkowski vier SF- und sieben Fantasy-Autorinnen und -Autoren vorgestellt werden, deren Namen hier wohl kaum jemandem etwas sagen dürften: Jacek Dukaj, Rafał Kosik, Cezary Zbierzchowski, Paweł Majka, Robert M. Wegener, Jarosław Grzędowicz, Radek Rak, Krzysztof Piskorski, Anna Brzezińska, Tomasz Kołodziejczajk und Marta Kisiel. Was ich dort gelesen habe, klingt sehr spannend. Von einer solchen Unterstützung können deutsche Phantastik-Autorinnen und Autoren nur träumen.

In einer 32-seitigen Broschüre stellt das Polish Book Institut einige der wichtigsten polnischen SF- und Fantasy-Autoren vor. Hier ein Ausschnitt der Doppelseite für Rafał Kosik.

Bei meinen weiteren Streifzügen bin ich am spanischen Stand auf eine Übersetzung von Marc-Uwe Klings »Qualityland« gestoßen. Auf der Internetseite des Verlags Tusquets gibt es eine Hörprobe aus dem gleichzeitig erschienenen Hörbuch.

Leider waren die Stände der englischsprachigen Aussteller, die ich am Messesonnabend besuchte, weitgehend abgeräumt. Dort hätte sich vielleicht das eine oder andere interessante Werk gefunden – und dazu in einer Sprache, die ich beherrsche. Was mir noch aufgefallen ist: Eine koreanische Ausgabe von »1984« und zwei anderen Texten von George Orwell und an einem chinesischen Stand ein Buch über »Space Tourism«.

Messe-Abschluss mit Stanisław Lem

Mein Weg führte mich am Stand der Büchergilde vorbei. Dort konnte ich nicht nur in einer neuen »Solaris«-Ausgabe blättern (dazu gleich mehr), sondern es ging auch ein alter Wunsch in Erfüllung. Vor drei Jahren gab es auf der Leipziger Buchmesse anlässlich der Neuausgabe von Karel Čapeks Klassiker »Der Krieg mit den Molchen« (einer der wenigen tschechischen SF-Romane, die ins Deutsche übersetzt wurden, wenn nicht sogar der einzige) ein dazu passendes Plakat, das dort allerdings nur als Deko diente. Offenbar hatte nicht nur ich deswegen nachgefragt. In Frankfurt konnte man das Plakat jetzt kaufen. Die fünf Euro habe ich gerne ausgegeben.

Die Büchergilde stellte in einem Frankfurter Hotel eine neue, illustrierte Ausgabe von   Stanisław Lems Roman »Solaris« vor.

Zurück zu Lem. Mit ihm endete mein Messe-Aufenthalt. Am Sonnabendabend wurde in einem Hotel in der Frankfurter Oststadt eine neue illustrierte Ausgabe von »Solaris« anlässlich seines 100. Geburtstags vorgestellt. Die Illustratorin Anna Stähler, die für die Herstellung zuständige Büchergilde-Mitarbeiterin Cosima Schneider und der Filmkritiker und Podcaster Wolfgang M. Schmitt kamen zu Wort. Dazwischen las Helge Heynold mit beeindruckender Stimme Auszüge aus dem Roman. Interessant waren vor allem die Einblicke in den Herstellungsprozess und Infos über die verwendeten Materialien. Der Umschlag zum Beispiel besteht aus einem für Schutzkleidung entwickelten Kunststoff, der für eine besondere Haptik sorgt. Stählers minimalistischen Schwarz-weiß-Zeichnungen kontrastieren mit der farbigen Sprache des Autors. Es war ein gelungener Abschluss. Dass ich mir ein Exemplar sicherte und von der Illustratorin signieren ließ, versteht sich von selbst.

Das einzige andere Buch, das ich in Frankfurt erwarb, ist »Was Sie schon immer über Aliens wissen wollten und bisher nicht zu fragen wagten« von Arthur M. Lahn aus dem Golkonda-Verlag. Die Hoffnung, dort den zweiten Teil der »Rosewater«-Trilogie von Tade Thompson erwerben zu können, zerschlug sich. Das Buch erscheint erst im November.

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Mit SF die Welt retten

Das Jahr ist noch lange nicht zu Ende, aber das Science Fiction Jahr 2021 ist schon da. Schwerpunktmäßig befasst sich der Jahresband mit dem Klima. Aber es kommen auch andere Themen zur Sprache.

Melanie Wylutzki/Hardy Kettlitz (Hrsg.): Das Science Fiction Jahr 2021. Hirnkost-Verlag Berlin. 28 Euro. ISBN: 978-3-949452-12-3 (auch als E-Book erhältlich).

Die Herausgeber Melanie Wylutzki und Hardy Kettlitz haben sich echt ins Zeug gelegt. Das Science Fiction Jahr 2021 ist superfrüh erschienen und wieder hochinteressant. Einmal aufgeschlagen, konnte ich das voluminöse Jahrbuch kaum weglegen und habe an einem Wochenende fast jede freie Minute damit verbracht. 

Der Schwerpunkt »Klima in der SF« war aufschlussreich, informativ und inspirierend. Er hat mir mehr gebracht als die Schwerpunkte vergangener Jahre; ich muss doch den einen oder anderen Aldiss- oder Ballard-Roman, den ich vor Jahrzehnten gelesen habe, wieder in die Hand nehmen. Passenderweise ist dieses Mal die Erde auf dem Cover zu sehen. Das Klima und der Klimawandel betreffen uns alle unmittelbar.

Manches fand ich allerdings zu verkopft, zu elitär. Wenn in dem Beitrag »Solarpunkt oder Wie SF die Welt retten will« von Wenzel Mehnert die Frage aufgeworfen wird, »ob Solarpunk nicht selbst als präemptive Kommodifizierung kapitalistischer Eskapismus-Phantasien zu lesen ist«, komme ich mir vor wie in einem literaturwissenschaftlichen Seminar. 

Aus der Seele gesprochen hat mir Simon Spiegel mit seiner Kritik an Dietmar Daths monumentaler »Niegeschichte«. Es hat mich sehr amüsiert, wie er einige Sätze daraus auseinandergenommen hat, um den Grad ihrer Verschwurbelung offenzulegen. Wenn Dath von SF erzählt, das habe ich bei einigen Gelegenheiten erlebt, redet er ganz verständlich. Warum schreibt er bloß immer so anstrengend?

Als langjähriger Lem-Leser haben mir die Würdigungen zu dessen100. Geburtstag natürlich gut gefallen, allen voran Karlheinz Steinmüllers Schilderung, wie er 1976 in Krakau eine polnische Ausgabe der  »Summa Technologiae« erstand. Solche Erlebnisse sind das Salz in der Suppe jedes SF-Liebhabers.  Ganz im Sinne des Polen setzt sich ein zweiter Beitrag mit dem »IV. Inter-Intelligenz-Symposium zur Lemologie im Jahr 2171« auseinander. Sehr amüsant.

Mehr Iwoleit, bitte

Beeindruckt hat mich mal wieder Udo Klotz’ umfassende Rückschau auf die deutschen SF-Romane des vergangenen Jahres. Von ihm werde ich regelmäßig daran erinnert, was ich alles noch lesen sollte, aber nie schaffen werde. Seine Kritik könnte aber ruhig etwas pointierter ausfallen. Etwas mehr Iwoleit, sozusagen. Ehrlich gesagt, ein wenig vermisse ich Michael K. Iwoleits Kurzgeschichten-Reviews schon (aber nicht, weil er mich darin mal als talentierten Hobbyautor und meine Sprache als »sauber, schörkellos und präzise« gelobt hat). Seine gnadenlosen apodiktischen Rundum- und Tiefschläge waren immer höchst lesenswert und forderten Widerspruch heraus (und oft hatte er recht, oder?). Ein wenig Orientierung im Anthologie-Wust wäre schon hilfreich.

Wie immer ist das SF-Jahr randvoll mit Buch-, Film-, Comic- und Game-Besprechungen, und auch die Liste der wichtigsten SF-Preise einschließlich der russischen fehlt nicht. Der traurigen Pflicht, in Nachrufen an die Gestorbenen zu erinnern, kommen die Herausgeber ebenfalls nach. Umfangreich wie immer (70 klein bedruckte Seiten) ist die Aufzählung der Neuerscheinungen. Hier wünsche ich mir allerdings, dass auf den ersten Blick zu erkennen ist, ob es sich um eine deutsche Originalausgabe oder um eine Übersetzung handelt. 

Das Jahrbuch sollte bei jedem engagierten SF-Fan im Regal stehen, keine Frage. Mich stört nur eins: dass ich jetzt so lange auf die Ausgabe 37warten muss. Zum Glück werden genügend gute Bücher vorgestellt, die das Warten erträglich machen. 

Übrigens: Wer das SF-Jahr abonniert, hilft nicht nur mit, dieses Projekt am Leben zu erhalten, sondern spart auch noch (Infos auf der Verlagsseite).

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Bastei entstaubt seine »Ufo-Akten«

Der Heftroman-Verlag hat eine alte Serie aus dem letzten Jahrhundert aus dem Archiv geholt. Er verspricht »auch neue Abenteuer«. Heft 1 ist jetzt an den Zeitschriftenständen.

Cliff Conroy und Judy Davenport ermitteln wieder. Bastei legt »Die Ufo-Akten« neu auf: rechts das Original, links die Neuauflage.

Das vor einiger Zeit wegen eines Bericht der US-Regierung neu aufgeflammte Interesse an »Unbekannten fliegenden Objekten« – Ufos — hat offenbar den Heftroman-Verlag Bastei-Lübbe dazu bewogen, eine alte Serie aus dem Archiv zu kramen, abzustauben und wieder auf den Markt zu werfen: »Die Ufo-Akten« mit dem Untertitel »Ermittlungen im Grenzbereich«. Die Romane erschienen ursprünglich in den Jahren 1995 und 1996 als 25-teilige Taschenheftreihe, damals mit dem Untertitel »Auf den Spuren der Außerirdischen«.

Die Neuauflage, als »Mystery« gekennzeichnet, erscheint seit dem 5. Oktober 2021 in neuer Aufmachung als klassischer Heftroman mit veränderten Titelbildern, die sich an die Originale anlehnen. Auf der Internetseite zu den »Ufo-Akten« heißt es: »In 14-täglicher Erscheinungsweise werden nicht nur die alten Fälle von Cliff [Conroy] und Judy [Davenport] in aktualisierter Form neu aufgelegt, es warten auch neue Abenteuer auf die Ermittler, die sie in Grenzbereiche vorstoßen lassen.« Was mit »in aktualisierter Form« gemeint ist, muss hier offenbleiben. Weil ich die Originale nicht kenne, fehlt mir die Vergleichsmöglichkeit.

Bisher ist ein Titel – »Projekt GhostRider« von Marten Veit – erschienen, und zwei sind angekündigt: »Flug 19 verschollen« von Carter Jackson und »Der Tunnel« von Logan Dee (der Roman der Erstauflage erschien unter seinem richtigen Namen Uwe Voehl). Das sind die Nummern 1 bis 3 der Original-Serie. Zu den Autoren der Serie gehörte Wolfgang Hohlbein, der mit »Der Feind in der Wüste« Band 17 beisteuerte.

Eine Ergänzung: Nach der Veröffentlichung dieses Posts habe ich in der Facebook-Gruppe POpuläreMEdienWELTEN einen Beitrag von Bastei-Mitarbeiter Michael Schönenbröcher gelesen. Er schreibt: «Teilweise neu, kein reiner Nachdruck! Die Handlung der alten Bände wurde in die Gegenwart verlegt, und mit Heft 4 erscheint der erste neue Roman der Serie.« Band 4 der Originalserie war ein Roman von PERRY RHODAN-Autor Arndt Ellmer, »Lichter des Todes«.

Mit »Die Ufo-Akten« reagierte Bastei seinerzeit auf die erfolgreiche amerikanische Fernsehserie »Akte X«, in der die FBI-Agenten Dana Scully und Fox Mulder mysteriöse Kriminalfälle aufklärten. In Deutschland lief die Serie von 1994 bis 2003 auf ProSieben und ist mehrfach wiederholt worden.