Vom 7. bis 10. April trafen sich SF-Fans, Autoren und Händler aus vielen Ländern Europs in Dudelange in Luxemburg. Ich war dort mit der Kamera unterwegs.















Vor 60 Jahren formulierte der Schriftsteller Arthur C. Clarke (1917-2008) das sogenannte dritte Clarkesche Gesetz. Es ist neben den Robotergesetzen von Isaac Asimov die am häufigsten zitierte vermeintliche Grundregel der Science-Fiction.
Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.
(im Original: Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic.)
Der Brite gilt als einer der bedeutendsten SF-Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Auf einer seiner Kurzgeschichten beruht der Filmklassiker »2001: Odyssee im Weltraum«. Clarke war auch ein visionärer Wissenschaftler. Er hat zum Beispiel bereits 1945 die Idee von geostationären Satelliten für die weltweite Kommunikation entwickelt.
Clarke formulierte die drei Gesetze 1962 im Essay Hazards of Prophecy: The Failure of Imagination aus dem Sammelband Profiles Of The Future: An Inquiry into the Limits of the Possible (1962, rev. 1973; pp. 14, 21, 36). Darin vertritt er die Auffassung, dass es Prognosen (bzw. dessen Urhebern) meistens an Mut und Phantasie mangele. Mit Science-Fiction direkt hat das nichts zu tun.
Die beiden anderen Gesetze lauten
Das dritte Gesetz wird nicht nur häufig in Beiträgen über Science-Fiction zitiert, auch in SF-Romanen, -Kurzgeschichten und -Filmen selbst wird es gerne erwähnt. Ein Beispiel von vielen ist diese Passage aus einem Roman der Perry Rhodan-Serie:
Der Extrasinn hatte, wie meistens, eine Antwort darauf. Jede hinreichend fortgeschrittene Technologie ist von Magie nicht mehr zu unterscheiden.“
(Uwe Anton/Christian Montillon: Der Sternenwanderer – Perry Rhodan 2950).
Gefunden habe ich es aber auch im Zusammenhang mit dem erfolgreichen Test der Falcon-Heavy-Rakete des Raumfahrunternehmens SpaceX im Februar 2018.
Das Zitat gehört also offenbar inzwischen zum Redewendungen-Kanon der SF- und weltraumaffinen Community.
Die Griffigkeit der Aussage im dritten Gesetz, das Spiel mit dem vermeintlichen Gegensatz Technik/Magie, der prominente Urheber und die sich darauf ergebende Popularität verstellen aber offenbar den kritischen Blick darauf. Ich halte den Satz für Unsinn.
Um eine sinnvolle Aussage zu machen, müssen die Prämissen stimmen. Als Rationalist mit einem auf überprüfbaren Fakten basierenden Standpunkt weiß ich: Es gibt keine Magie, im Unterschied zu fortschrittlicher Technologie. Wenn es keine Magie gibt, taugt sie als Vergleichsobjekt nicht.
Magie ist nur ein Wort, eine Bezeichnung für das Wirken unerklärbarer, scheinbar übernatürlicher Kräfte auf unsere Welt, die durch Götter, Geister oder sonst etwas verursacht werden. Tatsächlich gibt es solche Kräfte nicht, ebenso wenig wie ihre vermeintlichen Verursacher, denn alles, was in unserer Welt wirkt, ist auch von dieser Welt und beruht auf Naturgesetzen. Es gibt nur Wissen beziehungsweise Unwissen über die Naturgesetze und die damit verbundenen Kräfte.
Der Angehörige eines Naturvolk aus dem Amazonasgebiet, das noch nie Kontakt mit moderner Technik hatte (soll’s geben), wird ein Smartphone für Magie halten, weil es seinen Wissenstand und sein Vorstellungsvermögen übersteigt, dass ein Smartphone ein ebenso von Menschen erdachtes und erschaffenes Werkzeug ist wie sein Speer mit der Feuersteinspitze. In seiner Welt ist so etwas nur durch Zauberei erklärbar. Das unterscheidet ihn grundsätzlich von unsereins, der zwar auch nicht versteht, wie ein Smartphone funktioniert, das aber keineswegs für Magie hält, sondern weiß, dass es sich um ein hochkompliziertes Produkt irdischer Ingenieurskunst handelt.
Würde unsereinem ein Gerät vorgeführt, mit dem man die Gravitation aufheben kann, würden wir das nicht für Magie halten, auch wenn eine solche Technologie verglichen mit der gegenwärtigen zweifellos sehr fortschrittlich wäre. Wir würden einen Trick dahinter vermuten wie bei den scheinbar schwebenden Fakir-Darstellern, die wir aus den Fußgängerzonen unserer Städte kennen. Denn wir wissen immerhin, dass einerseits Gravitation keine übernatürliche Kraft ist und es anderseits technische Geräte gibt, mit denen man sich natürliche Kräfte zunutze machen kann. Ein Gerät zur Beeinflussung von Gravitation ist vorstellbar. Seit »Raumschiff Enterprise« wissen viele, das hinter der zeitlosen Versetzung von Personen von einem Ort zum anderen nicht Hexerei stecken muss, sondern es ein Transporter genanntes Gerät bewirken könnte. »Beam me up, Scotty« ist fast schon zum geflügelten Wort geworden.
Wir sind, im Unterschied zu dem Amazonas-Jäger, durchaus in der Lage, jede »hinreichend fortschrittliche Technik« für genau das zu halten, was sie ist: fortschrittliche Technik. Dazu müssen wir sie nicht verstehen oder auch nur eine Ahnung davon haben, auf welchen physikalischen Prinzipien sie beruht. Wir müssen zur Einordnung einer solchen unbegreiflichen Technologie nicht auf andere Konzepte zurückgreifen. Der Amazonas-Ureinwohner würde sagen: »Das ist Magie.« Wir können ganz einfach sagen: »Das verstehe ich nicht.«
Insofern träfe das Clarkesche Axiom selbst dann nur eingeschränkt zu, wenn es Magie gäbe. Wir wären nämlich aufgrund unserer Kenntnisse von Naturgesetzen in der Lage, zwischen Magie und fortschrittlicher Technik zu unterscheiden.
Die Idee, das Technik und Magie in einer Beziehung stehen, hat Clarke nicht als erster entwickelt, sie ist vielmehr schon 400 Jahre alt.
In seinem 1620 in Frankfurt am Main erschienenen Werk De sensu rerum et magia libri quatuor schrieb der Gelehrte Tommaso Campanella (1568-1639) auf S. 282: Quicquid sapientes faciunt imitando naturam aut ipsam adiuuando per artem non modo plebi ignotam sed communitatio hominum opus magicum dicimus. Quapropter non modo iam dictae scientiae, sed omnes magiae praestant usum. (Alles, was die Wissenschaftler in Nachahmung der Natur oder um ihr zu helfen mit Hilfe einer unbekannten Kunst vollbringen, wird Magie genannt. Denn Technologie wird immer als Magie bezeichnet, bevor sie verstanden wird, und nach einer gewissen Zeit entwickelt sie sich zu einer normalen Wissenschaft.) Das, finde ich, ist eine viel treffendere Aussage als das dritte Clarkesche Gesetz.
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»Imperium Alpha« von Ernest G. Black erschien 1965 als Utopia Zukunftsroman. Das Titelbild ist von Rudolf Sieber-Lonati.
Ursprünglich wollte ich mich nur ein wenig über den »Schrott« aufregen, der früher als deutschsprachige Science Fiction in Heftenromanreihen wie Utopia oder Terra veröffentlicht wurde, nachdem ich »Imperium Atlantis« von Ernest G. Black gelesen hatte. Ich hätte von »Schulaufsatzniveau« und »Dilettantismus« geschrieben und als Kontrast auf die gleichzeitige Entwicklung der sogenannten New Wave in der britischen SF hingewiesen. Aber nach einigem Nachdenken bin ich zu einem differenzierterem Urteil zumindest über diesen Roman gekommen. Was zu diesem länger als geplanten Text geführt hat.
»Imperium Atlantis« ist 1965 als Nummer 446 in der Reihe Utopia Zukunftsromane des Rastattter Pabel-Verlag erschienen. Ich hatte ihn vor ein paar Monaten zusammen mit anderen Heftromanen aus einem Nachlass bekommen und wegen seines Titels ausgewählt, weil ich mich kürzlich einige Zeit (wegen der ab März 2022 erscheinenden Perry Rhodan-Miniserie Atlantis) mit dem Atlantis-Thema in der SF beschäftigt hatte. Der Titel ist allerdings irreführend. Atlantis kommt nur an zwei Stellen im Hintergrund vor und spielt für die Handlung keine Rolle.
Ernest G. Black ist laut der Internationalen Science-Fiction-Datenbank das Pseudonym von Ernst Schwarz. Über den Autor habe ich nichts in Erfahrung bringen können. Er hat außer »Imperium Atlantis« offenbar nur einen weiteren Roman veröffentlicht, »Raumschiff des Todes«, der 1966 ebenfalls als Utopia-Heftroman und direkte Fortsetzung erschienen ist.
Der Roman hat drei Teile:
Der Roman wird chronologisch überwiegend in personaler Erzählweise aus der Perspektive verschiedener Protagonisten, hauptsächlich Jerry King, erzählt. Eingestreut sind immer wieder einzelne Sätze oder Abschnitte in auktorialer Erzählweise, die zum Teil durch Einrückung optisch vom übrigen Text abgesetzt sind. Der Leser erfährt deshalb schon auf der ersten Seite, dass es einen Großen Plan gibt, in dem Jerry King eine wichtige Rolle spielt. Handlungsorte sind zunächst die Erde, genauer gesagt die USA, mit den drei Sterbeorten von King, Connory und Banthorps, dann das Raumschiff der Pfuthars sowie der Planet der Mendas mit mehreren Schauplätzen.
Ernest G. Black nimmt, und das hat mich überrascht, offensichtlich Bezug auf die Bibel und die christliche Heilslehre. Jerry King ist der Erlöser, der Heilsbringer, auf den die Medas gewartet haben. Der Name ist sicherlich mit Bedacht gewählt. Jerry, die Kurzform von Jeremia, ist der Name eines Propheten und bedeutet soviel wie »von Gott erhöht«. Der Name fängt mit dem selben Buchstaben wie Jesus an. Auch der Nachname verweist auf Christus: Jesus sei »König der Könige und Herr der Herren«, heißt es in der Offenbarung 19,16. Wie Jesus wird Jerry in aller Öffentlichkeit umgebracht und steht von den Toten auf, um seiner Bestimmung (die Vollendung des Großen Plans) zu folgen: »Der GROSSE soll uns dann mit Hilfe Atelians wieder zu Macht und Wohlstand fühlen.« (S. 28) Das ist eine originelle Version der alien abduction, der Entführung durch Außerirdische.
Auch Samuel, der künftige Gegenspieler Jerrys, trägt einen biblischen Namen und ist wie dieser ein Prophet. Armon{i] ist ebenfalls ein Name, der in der Bibel vorkommt.
Erzählerisch und stilistisch ist der Roman nicht überzeugend. Die Figurenzeichnung ist mehr als dünn. Es gibt eine ganze Reihe von Ungereimtheiten, Anschlussfehler und Plot Holes. Jerry weiß zum Beispiel, dass er erschossen wurde, obwohl das nach dem im Roman geschilderten Ablauf nicht möglich ist. Dann wissen die Mendas nicht, was Raumschiffe sind. Sie wissen allerdings, dass ihr Volk einmal »über viele Sterne« herrschte, und als Mortos erkennt, dass er King nicht stoppen kann, schickt er Samuel auf einen anderen Planeten des Sonnensystems, wo es (dummerweise) eine zweite Steuerzentrale für den Supercomputer gibt. Womit er fliegt wird nicht gesagt, aber vermutlich mit einem Jahrtausende alten Raumschiff. Dann weiß Atelian, obwohl er Jahrtausende im Tiefschlaf lag, was mit Atlantis, der Mendas-Kolonie auf der Erde, passierte. Überhaupt nicht nachvollziehbar ist, wie es Atelian über eine Kluft von Tausenden Jahren gelingen konnte, minuziös den Attentäter, der King erschießt, zu steuern und die eigentlich überlegenen Pfuthars in den Großen Plan einzuspannen.
Das größte Manko ist, dass der Autor nicht merkt, wie er den sogenannten Großen Plan, der auf dem Erscheinen des GROSSEN fußt, selbst ad absurdum führt. Jerry King ist überflüssig. Er bringt überhaupt nichts mit, was ihn als Führer der neuen Mendas auszeichnet. Er ist ein völlig normaler Mensch Anfang Dreißig, der als fleißig, reaktionsschnell, willensstark bezeichnet wird, mehr nicht. Alles, was er für seine Rolle im Großen Plan braucht, bekommt er von Atelian: Tausende von besiedelten Planeten, Roboter, das gesammelte Wissen der alten Mendas, ein langes Leben. Aus dem mutmaßlichen Heilsbringer King wird ein Instrument Atelians. Jeder andere könnte diese Funktion genauso erfüllen, zum Beispiel die als recht ehrgeizig, aber auch wohl intrigant dargestellte Tochter Armons, Rhona.
Fazit: Insgesamt kann ich beim Urteil »dilettantisch« bleiben, ich würde aber die Bezeichnung »Schrott« zurückziehen. Die, wenn auch nur oberflächliche Anlehnung an die christlich Heilslehre und die Namen aus der Bibel lassen vermuten, dass in dem Roman konzeptionell doch einiges an Gehirnschmalz steckt. Allerdings kann der Autor diesen Ansatz nicht nutzen, und die Umsetzung schwächelt insgesamt ohnehin.
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