Konfrontation mit dem Unerwarteten

In »Far From The Light Of Heaven« von Tade Thompson treibt ein Mörder sein Unwesen auf einem Raumschiff.

Tade Thompson: Far from the Light of Heaven.
New York, 2021. 399 S. ISBN 978-0356514321.

Den gerade vergangenen Lesemonat Januar habe ich mit »Far From The Light Of Heaven« von Tade Thompson beendet. Der in England lebende Nigerianer hat eine flott zu lesende, aber dennoch tiefgründige Raumfahrerstory geschrieben, die sich ganz auf die Charaktere konzentriert. Der Roman lebt von deren Interaktionen und der Konfrontation mit dem Unerwarteten.

Hauptfigur ist Michelle Campion, genannt Shell, die mit dem AI-gesteuerten Raumschiff Ragtime Kolonisten von der Erde zum Planeten Bloodroot bringt. Wie die Kolonisten verbringt die Astronautin den zehn Jahre dauernden Flug im Tiefschlaf. Als die Ragtime ihr Ziel erreicht und Michelle erwacht, sind 30 Kolonisten tot. Aber nicht einfach im Schlaf gestorben, sondern umgebracht und zerstückelt. Außerdem ist die AI ausgefallen, und ein Wolf streift durch das Schiff.

Die Regierung von Bloodroot schickt den Ermittler Rasheeed Fin und dessen Androiden-Assistenten Salvo ins All, um den Mord aufzuklären. Unterstützung erhält Shell außerdem von Leonard Biz, einem alten Bekannten ihres Vaters, und dessen Tochter, die von der autonomen Raumkolonie Lagos herbeieilen. Es dauert lange, bis sie dem Mörder auf die Spur kommen. Es passieren eine Menge merkwürdiger Dinge, und bald ist die Ragtime ein halbes Wrack.

Shell stemmt sich dem mit allen Kräften, vor allem aber mit ihrem durch intensives Training erworbene Astronauten-Routine entgegen. Sie will das Schiff und vor allem die Kolonisten retten. Für einen gehörigen SF-Anteil sorgt Joké, Biz’ Tochter. Sie ist eine Lamber und kann sich an andere Orte versetzen.

Man muss nicht das Nachwort lesen, um zu erkennen, dass Thompson in »Far From The Light Of Heaven« ein altes Krimi-Motiv aufgreift – das Mysterium des verschlossenen Zimmers – und auf die Spitze treibt. Denn was kann isolierter sein, als ein Raumschiff, das durchs All fliegt? Wie der Mörder an Bord gekommen ist und was seine Motive sind, erschließt sich nach und nach in der zweiten Hälfte des Romans.

Was mir besonders gut gefallen hat: Thompson hat genretypische Elemente nur sparsam eingesetzt. Er verzichtet weitgehend auf die Beschreibung von Äußerlichkeiten. Wenn Erklärungen vor allem von Technik erforderlich sind, begnügt er sich oft mit stakkatohaften Aufzählungen. Das macht das Buch schlank und intensiv; einige Kapitel haben nur ein, zwei Seiten.

Ich bin gespannt, ob bzw. wann »Far From The Light Of Heaven« Deutsch erscheint. Thompson ist einer der wenigen afrikanischen Phantastik-Autoren, dessen Bücher einen deutschen Verlag (Golkonda, Suhrkamp) gefunden haben.

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Hinein ins Vergnügen

Uwe Hermanns »Nanopark« ist für die Leser viel unterhaltsamer als für die Besucher in Deutschlands modernsten Freizeitpark.

Uwe Hermann: Nanopark
Polarise-Verlag 2021. 350 S. ISBN 978-3-947619-69-6.
Gibt’s auch als E-Book.

In seinem dritten Roman bringt uns Uwe Hermann nach Brandenburg in Deutschlands modernsten Freizeitpark. Der »Nanopark« ist ein wahres Wunderwerk der Unterhaltungstechnik, dank derer die Besucherinnen und Besucher normalerweise einen tollen Tag in einer virtuellen Welt verbringen. Über die Atemluft nehmen die Besucher Nanoroboter auf, die ihre gesamten Sinneswahrnehmungen steuern, während sie sich durch den Park bewegen und die Fahrgeschäfte nutzen. Die Illusion ist perfekt und kann von der Wirklichkeit nicht unterschieden werden.

Das ist wirklich ein tolles Setting. Uwe Hermann hat dabei offenbar an alles gedacht, und setzt die technischen Möglichkeiten geschickt ein, um die Handlung voranzubringen. Wenn man so einen Nanopark tatsächlich bauen könnte, würde er wohl so ähnlich funktionieren.

Am Pfingstmontag 2052 wird der Besuch aber zu einem Alptraum. Leute in Tiermasken überfallen die Steuerzentrale des Parks, töten en passant einen Mitarbeiter und nehmen die anderen gefangen. Die vermeintlichen Terroristen schließen die Tore des Parks und kappen sämtliche Verbindungen zur Außenwelt wie Telefon und Internet. Die rund 3000 Besucher merken nichts, denn der Betrieb läuft zunächst ungestört weiter.

Die Handlung ist spannend und gut durchdacht. Der Leser wird immer wieder von Wendungen überrascht und lange über das im Dunklen gelassen, worum es genau geht. Schon früh wird aber ein politischer Hintergrund angedeutet. Ein wenig erinnert die Story an den Film »Inside Man«. In dem Leinwand-Thriller wird eine Bank überfallen und von den Räubern von innen hermetisch abgeriegelt. In beiden Fällen ist das eigentliche Ziel des Überfalls nicht das, was es zu sein scheint. Allerdings sind der als Gorilla maskierte Anführer und seine Leute alles andere als Gentleman-Gangster wie die im Film, sondern gewissen- und skrupellose Mörder. Am Ende gehen ein Dutzend Morde und eine nicht genannte Zahl von Unfalltoten unter den Parkbesuchern auf ihr Konto.

Leider hat der Roman erzählerische Schwächen. Mich störte, dass gelegentlich die Erzählweise unvermittelt zwischen personaler, neutraler und auktorialer Perspektive wechselt, ein-, zweimal sogar innerhalb eines Absatzes. Es gibt auch zu viele Nebenfiguren, aus deren Sicht erzählt wird. Da ist zum Beispiel der »Ballonmann«, ein Besucher, der im Park herumläuft und über seine uninteressantes Leben, seine soziale Stellung und seine gescheiterte Ehe nachdenkt, ohne dass das irgendeinen Bezug zur Handlung hat oder man als Leser etwas über den Nanopark erfährt.

Dass er das viel besser kann, zeigt Uwe Hermann, der für seine humorigen, oft schrägen Kurzgeschichten bekannt ist, in der Nebenhandlung um Lutz Brendinger. Der 18-Jährige möchte ein spezielles Angebot des Nanoparks nutzen und einen Tag mit einer virtuellen Kopie seiner Traumfrau, einer sexy Influenzerin, verbringen. Das klappt nicht so, wie er sich das vorgestellt hat, sorgt aber dennoch dafür, dass er wohl als einziger diesen Tag im Park genießen kann. Herrlich!

Das Fazit: Mit ein paar Abstrichen kann ich das Buch empfehlen. Es ist ein spannender Roman, den man mit Vergnügen an ein, zwei Tagen wegschmökern kann.

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Ein Pionier der Präastronautik

Das neue phantastisch! ist erschienen. Darin schreibe ich über den deutschen SF-Pionier Walter Ernsting alias Clark Darlton.

Walter Ernsting alias Clark Darlton gehörte zu den deutschen Science-Fiction-Pionieren. Bekannt ist er vor allem als Mitbegründer der PERRY RHODAN-Serie. Aber er war auch ein Pionier der Präastronautik, lange bevor Erich von Däniken auf den Plan trat. Schon in seinem ersten Roman »Ufo am Nachthimmel« von 1955 (meine Rezension) geht es um Außerirdische, die vor langer, langer Zeit die Erde besuchten und Einfluss auf die Entwicklung früher Kulturen an. Ernsting pflegte intensive Kontakte zur Präastronautiker-Szene. Unter anderem war er mit Erich von Däniken befreundet.

Über dieses Thema habe ich einen Artikel geschrieben, der jetzt (Januar 2022) in Heft 85 des SF-Magazins phantastisch! erschienen ist. Ihr bekommt es im Bahnhofsbuchhandel (Verkaufsstellen) oder beim Atlantis-Verlag.

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