SF-Elemente dienen nur als Staffage

schiffsdiebePaolo Bacigalupi: Schiffsdiebe. Heyne-Verlag. ISBN 978-3-453-53445-2. 352 Seiten, 8,99 Euro.

Nach seinem Debütroman »Biokrieg« wurde Paolo Bacigalupi begeistert als neuer Stern am Science-Fiction-Himmel gefeiert. Aber in seinem Buch »Schiffsdiebe«, erster Band einer Trilogie und jetzt als Taschenbuch erschienen, sind die SF-Elemente nur Kulisse, Staffage, auch wenn die Handlung in einer nicht allzu weit entfernten, düsteren Zukunft in der vom Klimawandel zerstörten Gegend um New Orleans spielt und Halbmenschen – genmanipulierte Mischwesen aus Mensch, Hund und Tiger – durch die Gegend laufen.

Held des Romans ist Nailer. Der Junge schlachtet Tankerwracks aus, die an der Küste von Louisiana gestrandet sind. Eines Tages trifft er auf die reiche »Bonzentusse« Nita und flieht mit ihr und dem Halbmenschen Troll vor seinem gewalttätigen Vater, der das Mädchen an Organhändler verschachern will.

In »Schiffsdiebe« geht es darum, wie ein Mensch Anstand in einer Welt voller Gewalt und Verrat bewahrt, es geht um Loyalität und den Traum von einem besseren Leben. Das Thema ist bekannt, und der Amerikaner fügt dem keine neuen Aspekte hinzu. »Schiffsdiebe« könnte genauso gut bei Elektroschrott-Sammlern im heutigen Afrika spielen oder während der Frühphase der Industrialisierung in Europa. Bacigalupis düstere Zukunftsversion ist auch eine Mahnung, mit der Welt sorgsam umzugehen. Aber wo diese Themen direkt angesprochen werden, ist der Ton belehrend und die Dialoge wirken aufgesetzt.

»Schiffsdiebe« ist gut geschrieben und unterhaltsam. Aber wer einen wirklich guten SF-Roman lesen will, sollte sich nach etwas anderem umsehen.

(Ostfriesen-Zeitung, 28.06.2013)

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Einsteins Grab auf der Rückseite des Mondes

kometHannes Stein: Der Komet. Galiani-Verlag. ISBN 978-3-86971-067-9. 272 Seiten, 18,99 Euro.

Es ist eine andere Welt: In Wien (und in Berlin) regiert noch ein Kaiser, Anne Frank hat als 70-Jährige gerade den Literaturnobelpreis erhalten, und Albert Einstein hat in einem Grab auf der Rückseite des Mondes seine letzte Ruhestätte gefunden. Das ist die Welt, in die Hannes Steins Roman »Der Komet« den Leser entführt. Eine Welt, in der es nicht den Ersten und auch nicht den Zweiten Weltkrieg gegeben hat.

Steins Debütroman spielt Ende des 20. Jahrhunderts in Wien, der Hauptstadt der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Während der namengebende Himmelskörper unaufhaltsam der Erde entgegenfällt, verfolgen die Leser das Schicksal einiger Einwohner der Stadt. Da ist ein Student, Alexej von Repin, der eine Affäre mit der schönen, aber verheirateten Barbara Gottlieb anfängt, da ist der Psychoanalytiker Dr.Anton Wohlleben, der einen verstörenden Patienten behandelt und sich regelmäßig mit dem Oberrabbiner und dem Bischof zum Kaffeetrinken trifft, und da ist der merkwürdige Fernsehphilosoph André Malek, dem der Zufall einen bösen Streich mit einem Blumentopf spielt.

Was das Werk so lesenswert macht, sind der Witz und die Fabulierfreude – und der Umstand, dass Stein uns in eine bessere, eine gemütliche Welt entführt ohne ideologischen Hass, ohne Finanzkrise und ohne die Erinnerung an millionenfachen Mord, in der man noch gemütlich im Café Central sitzt und an seiner Melange nippt und nicht mit einem Coffee-to-go-Becher in der Hand durch die Stadt hetzt.

Beunruhigend sind nur die Träume, die Dr. Wohllebens Patienten heimsuchen und zeigen, dass alles hätte anderes ausgehen können, wenn Kronprinz Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajevo doch einem Attentat zum Opfer gefallen wäre.

(Ostfriesen-Zeitung, 30.08.2013)

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Irgendwann packt einen die Geschichte

boomDirk van den Boom: Eine Reise alter Helden (D9E, Staffel 1, Band 1). Wurdack-Verlag. ISBN 978-3-95556-010-2. 256 Seiten, 12,95 Euro.

Der kleine Wurdack-Verlag in Nittendorf bei Regensburg hat sich mit anspruchsvoller deutscher Science-Fiction einen Namen gemacht. Was Ernst Wurdack verlegt, ist kein Schund. Jetzt ist bei Wurdack eine neue SF-Reihe herausgekommen: »Die neunte Expansion« (D9E) spielt in einer fernen Zukunft, in der die mysteriösen Hondh die Menschheit und weite Teile der Galaxis beherrschen. Jeder Band ist nach Verlagsangaben als eigenständiger Roman mit selbstständigen Plots und Charakteren vor einem gemeinsamen Hintergrund gedacht. Vier Bücher sollen pro Jahr erscheinen.

Den Auftaktband mit dem Titel »Eine Reise alter Helden« hat Dirk van den Boom geschrieben. Der gebürtige Wilhelmshavener hatte zuletzt mit der »Kaiserkrieger«-Serie auf sich aufmerksam gemacht. Statt ins alte Rom geht es jetzt in die Zukunft. Ein Kriegsschiff kommt nach langem Dilationsflug 500 Jahre nach dem Ende des verlorenen Krieges gegen die Hondh auf die befriedete Erde zurück. Bald merkt die Besatzung, dass der Friede manipuliert ist, und flieht, bevor die Regierung ihr das Schiff abnehmen kann. Ende von Band 1.

Van den Boom ist ein routinierter, einfallsreicher Schreiber, der sein Metier beherrscht. Der Roman braucht aber etwas, bis er in Fahrt kommt. Der Anfang – Kriegsraumschiff der Menschen entkommt in letzter Minute Alien-Angriff – ist auch nicht sehr originell, und an der ein oder anderen Stelle hätte der Lektor ruhig etwas herzhafter den Rotstift ansetzen können. Aber irgendwann packt einen die Geschichte doch, und am Ende will man natürlich wissen, was aus Kommandant Thrax und seinen Leuten wird – und natürlich, wer die Hondh sind.

(Ostfriesen-Zeitung, 25.10.2013)

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