Dieses Buch ist gefährlich

Heinrich Stöllner schreibt über die Serien in den Utopia- und Terra-Heften – und führt mich in Versuchung.


Heinrich Stöllner: Die Zukunft von gestern. Verlag Dieter von Reeken, 2019. ISBN ISBN 978-3-945807-49-1.


Bücher wie »Die Zukunft von gestern« von Heinrich Stöllner sind eine Gefahr, eine kaum zu widerstehende Versuchung, noch mehr Bücher, die man sonst nicht lesen würde, zu kaufen. Ist mir so gegangen. 

»Die Zukunft…« ist eine akribisch recherchierte Dokumentation aller Serien, die als Utopia– oder Terra-Heftroman der Verlage Pabel und Moewig zwischen 1953 und 1985 erschienen sind. Als Serien werden Roman-Reihen bezeichnet, bei denen die Handlungen aufeinander aufbauen. Die bekannteste in diesem Literatursegment ist die 1961 im Münchner Moewig-Verlag erstmals erschienene Perry Rhodan-Serie, die es bis heute auf mehr als 3000 Folgen gebracht hat. Außer solchen eigenständigen Serien gab es weitere kürzere, die innerhalb von Heftroman-Reihen auf den Markt kamen.

Utopia und Terra waren die führenden Reihen in Deutschland. Von Utopia erschienen bis 1968 als Utopia SF, Utopia Großband, Utopia Kriminal und Utopia Magazin 850 Hefte, von Terra SF, Terra Sonderband, Terra Extra, Terra Nova und Terra Astra etwa doppelt so viele Hefte, allerdings nicht genau so viele Titel, denn viele Romane, die in Terra SF oder Terra Nova veröffentlicht wurden, erschienen Jahre später in Terra Astra erneut. In den Heftroman-Reihen waren deutsche Autoren stark vertreten, in Terra Nova und Terra Astra vor allem solche aus dem Umfeld der Perry Rhodan-Serie.

Es gibt viel zu entdecken

Wer wann was veröffentlicht hat, kann man in Stöllners 500 Seiten dickem Werk nachlesen, das mit zahlreichen Coverabbildungen illustriert ist. Es ist in drei große Kapitel unterteilt, die sich den deutschsprachigen und den englischsprachigen Autoren sowie den Fernseh- und Filmserien widmen. Es gibt zu jedem der thematisch gegliederten Unterkapitel, in denen mehrere Autoren und deren Serien behandelt werden, eine Einführung mit ausführlichen Inhaltsangaben, Information zur Publikationsgeschichte und einer Bibliografie, in der auch die Nachdrucke aufgelistet sind.

In  »Die Zukunft von gestern« gibt es eine Menge zu entdecken, auch dank des üppigen Anhangs, in der alle im Buch genannten Serien alphabetisch aufgelistet sind.  Das ist eine beeindruckende Arbeit, die jedem Sammler zu empfehlen ist. Dann ist es auch noch gut geschrieben, und man merkt dem Autor die Leidenschaft für das Genre und den Heftroman an. Davon lässt man sich gerne anstecken.

Wer in »Die Zukunft von gestern« stöbert, findet mit Sicherheit etwas, von dem sie/er gar nicht wusste, dass es im Bücherregal noch fehlt.

Ich bin nun kein ausgesprochener Sammler, sondern habe die ausgelesenen Heftromane verschenkt oder sogar weggeschmissen. Einige wenige Hefte habe ich mir inzwischen aus reiner Nostalgie besorgt. Dazu gehört Terra Astra 30, »Die Herrin der Fische« von Hans Kneifel, erschienen 1972. Den Roman las ich, als ich 14 oder 15 war. Dank Söllner weiß ich heute nicht nur, dass der Roman bereits neun Jahre zuvor in der Terra-Reihe erschienen war und zusammen mit zwei anderen Romanen zur Serie »Das Rätsel von Machaon« gehört, sondern auch, dass die Serie 1996 in Buchform als »Das Machaon-Projekt« im Tilsner-Verlag neu herausgegeben wurde – und, zack, hatte ich das Buch bei booklooker.de aufgespürt und bestellt. Jetzt muss ich es nur noch lesen.

Auch einigen anderen Protagonisten meiner frühen SF-Phase wie Earl Dumarest bin ich wieder begegnet, aber sehr viel größer ist die Zahl der Serien, von deren Existenz ich jetzt das erste Mal gehört habe. Vielleicht schlage ich da auch noch mal zu. Wie gesagt, dieses Buch ist eine Versuchung.

Rückkehr zu Hugh Walker

walkerHugh Walker: Alles Licht der Welt. Emmerich Books & Media. ISBN-13: 978-1507635919. 348 Seiten. 15 Euro (print, E-Book: 5,95 Euro).

In meinem Projekt »Ich lese erst einmal alles, was auf dem Stapel ungelesener Bücher liegt«, das ich Anfang des Jahres begonnen habe, habe ich jetzt »Alles Licht der Welt« von Hugh Walker beendet. In dem Buch sind eine Kurzgeschichte und drei (Heft-) Romane von Walker (alias Hubert Straßl) enthalten:

  • Alles Licht der Welt (Erstveröffentlichung 1966 als Madman Curry)
  • Der Wall von Infos (1972)
  • Rebellion der Talente (1971)
  • Das Signal (1997)

Der Sammelband ist Teil der Werkausgabe von Walker, die im Verlag Books & Media von Peter Emmerich erscheint. »Alles Licht der Welt« ist einer von zwei Bänden mit Science-Fiction-Storys. Walker war vor allem Horror- und Fantasyautor, sein SF-Werk ist vergleichsweise schmal.

Von Walker hatte ich als Jugendlicher lediglich die Romane »Der Ruf der Träume«, »Preis der Unsterblichkeit«, »Gefangene des Kosmos«, die Anfang der 1970er Jahre als als »Terra Astra«-Heftromane Nr. 32, 42 und 86 erschienen sind und 2014 in dem Sammelband »Realphantasie« wiederveröffentlicht wurden, gelesen. Die beiden ersten gehörten zu den wenigen Storys, die auch nach Jahrzehnten bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, wie ich in einem früheren Post dargelegt habe. Das übrige SF-Werk des Österreichers ist spurlos an mir vorbeigegangen.

Jetzt muss ich sagen: schade. Walkers Werke ragen aus der Masse der deutschsprachigen SF-Romane jener Zeit heraus. Der Österreicher hat es nicht so mit der Action, er kümmert sich vielmehr um das, was mit seinen Figuren passiert, legt ihre Gedanken und Gefühle offen. Das tut er mit in einer eindringlichen, zum Teil suggestiven Sprache, die den Leser in die Geschichte hineinzieht.

In »Der Wall von Infos« und »Rebellion der Talente« behandelt Walker dasselbe Thema: Ein alles regelnder Computer übernimmt nach und nach die Kontrolle und entmündigt den Menschen bis sie jede Individualität verloren haben und nur noch Maschinen sind. In beiden Geschichten steht eine Protagonist im Mittelpunkt, der aus dieser allumfassenden Kontrolle herausgefallen ist und seine Individualität wiederfindet.

Der Charakter eines Ortes

An »Die Rebellion der Talente« hat mir besonders gefallen, dass ich den Schauplatz der Story schon im ersten Absatz erkannt hatte, obwohl ich erst einmal in Wien war. Dadurch bin ich ein wenig selbst Teil der Geschichte geworden. Das passiert nicht in jeden Roman, der an einem Ort spielt, den ich kenne. Den Charakter eines Ortes einzufangen und ihn Teil de Handlungs werden zu lassen, gelingt vielen Autoren nicht. Walker stellt hier die dafür erforderlichen Fähigkeiten unter Beweis.

In »Das Signal« steht ein Mann im Mittelpunkt, der seinen Körper wie viele andere Menschen mit dem Geist eines Außerirdischen teilt und zeitweise von ihm gesteuert wird. Diese Aliens sind seit Jahrzehnten auf der Erde und arbeiten mit dem amerikanischen Militär zusammen. Es ist die Geschichte des Roswell-Ufos und der Area 51 aus einem anderen Blickwinkel.

In der Titelgeschichte »Alles Licht der Welt« wird ein ähnliches Thema behandelt: Ein junger Telepath tauscht den Körper mit einem ähnlich veranlagten blinden Bettler, der anschließend nicht wieder zurück will.

Walkers Storys heute noch einmal zu lesen, ist gewiss keine Zeitverschwendung. Mir haben sie gefallen. Als nächstes nehme ich ein Werk des Amerikaners Steve Berry vom Stapel ungelesener Bücher: Die Kolumbus-Verschwörung. Ausnahmsweise mal keine Science-Fiction. Aber es liegt schon seit zweieinhalb Jahren auf dem Stapel.

Der Ruf der Träume ist nie verhallt

Titelbild Real-Phantasie, 2014

Hugh Walker: Real-Phantasie. Emmerich Books & Media. ISBN-13: 978-1503216969. 327 Seiten. 15 Euro (print, E-Book: 5,95 Euro).

Über die Neuausgabe von Hugh Walkers 40 Jahre alten Terra-Astra-Romanen »Ruf der Träume«, »Preis der Unsterblichkeit« und »Gefangene des Kosmos« unter dem Titel »Real-Phantasie« durch den Verlag Emmerich Books & Media Konstanz habe ich mich gefreut. Denn sie gehörten zu den ersten »richtigen« SF-Romanen, die ich als Jugendlicher gelesen habe, und sind mir – wenn auch nur vage – stets in Erinnerung geblieben. Vor einigen Jahren habe ich mir aus reiner Nostalgie den originalen »Ruf der Träume« bei Ebay ersteigert, den Text vorsichtig Seite für Seite eingescannt und auf meinem Kindle gelesen (ein ganz schöner Aufwand, nicht wahr?).

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