Propaganda für einen Schein-Heiligen

Ein Franzose setzte sich für die Heiligsprechung von Christoph Columbus ein. Dafür brachte er ein opulent ausgestattetes Buch auf den Markt.

Katholische Propaganda: Das Buch »Christoph Columbus« von Antoine François Félix Comte de Roselly de Lorgues in der Übersetzung von Philipp Laicus.

Vor einiger Zeit habe ich meine umfangreiche Bibliothek zu Christoph Columbus durch ein besonders opulentes Exemplar erweitert: Die deutsche Ausgabe von »Christophe Colomb« von Antoine François Félix Comte de Roselly de Lorgues aus dem Jahr 1888. Die Übersetzung stammt von Philipp Laicus (Pseudonym von Philipp Wasserburg, einem radikal-katholischen Schriftsteller), auf den ich am Ende noch ein wenig eingehen werde, weil er einen utopischen Roman verfasst hat.

Das gewichtige, großformatige Buch (2,5 Kilo, 19,5 x 28,8 cm) ist mehr als üppig ausgestattet. Es ist ist rotes Leder eingebunden. Titelbild und Rücken sind mit vergoldeten Reliefs versehen. Der Buchblock hat einen Goldschnitt. Die mehr als 500 Seiten haben alle unterschiedliche Randillustrationen. Soweit ich das nach Internetrecherchen urteilen kann, hat der schweizerisch-deutsche Verlag (Benzinger & Co. in Einsiedeln/Waldshut) die Ausstattung originalgetreu übernommen. Das Original ist 1879 bei Victor Palmé in Paris 1879 erschienen.

Das Besondere an dem Buch ist allerdings nicht allein die kostbare Ausstattung, sondern der Anlass seiner Veröffentlichung. Vor der 1892 anstehenden 400-Jahr-Feier der »Entdeckung« gab es in katholischen Kreisen Bestrebungen, Columbus heilig sprechen zu lassen: Er habe dafür gesorgt, dass das Evangelium den Weg in neue Länder fand und Millionen von Menschen zu Jesus Christus führten. Roselly de Lorgues (1805–1898) war einer der treibenden Kräfte. Er hatte sein Leben diesem Ziel gewidmet. Columbus habe, heißt es in seinem Vorwort, »den Raum der Erde verdoppelt und das Werk des Schöpfers für uns vervollständigt«.

Jede Textseite des Buches hat einen reich illustrierten Rahmen.

Unterstützt von Papst Pius IX.

Ein Unterstützer des französischen Adeligen war Papst Pius IX. (1792-1878). Im Buch wird unter einem Porträt des Kirchenoberhaupts aus einem Brief an Roselly de Lorgues als einem »Zeugnis, welches der heilige Papst Pius IX. für den evangelischen Eifer des Christoph Columbus abgelegt hat“, zitiert.

Aus der Heiligsprechung (Kanonisation) wurde nichts. Columbus war kein Märtyrer und hatte auch keine Wunder bewirkt, was für einen Heiligen das Mindeste ist. Auch für eine Seligsprechung (Beatifikation) reichte es nicht. Schuld war unter anderem Columbus’ Lebenswandel. Der Entdecker war nicht nur für Gräueltaten an einheimischen Taino verantwortlich, sondern lebte vor seiner Amerikareise in wilder Ehe mit Beatriz de Arana und hatte mit ihr einen unehelichen Sohn, Fernando (was Ende des 15. Jahrhunderts allerdings niemand gestört zu haben schien). Dennoch forderte Papst Leo XIII., der Nachfolger von Pius IX., 1892 in der Enzyklika Quarto abeunte saeculo alle Geistlichen in Spanien, Italien und beiden Amerikas auf, zu jedem Kolumbus-Tag (12. Oktober) eine besondere Messe für den Entdecker abzuhalten. Noch immer gibt es erzkonservative Katholiken, die die Heiligsprechung für legitim halten und Columbus von jeder Mitschuld an der Ermordung und Unterdrückung amerikanischer Ureinwohner freisprechen.

Verfasser eines utopischen Romans

Übersetzer Philipp Wasserburg (1827-1897) war als Student Mitglied eines radikalsozialistischen Arbeitervereins, beteiligte sich an der Revolution von 1848 und saß wegen kommunistischer Umtriebe im Gefängnis. Später machte er sich als radikaler katholischer und antipreußischer Publizist einen Namen. Er verfasste mehrere Romane, unter anderem 1891 »Etwas später«, eine als »Fortsetzung« bezeichnete scharfe Reaktion auf den utopischen Roman »Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf das Jahr 1887« des amerikanischen Reformsozialisten Edward Bellamy (1850-1898). Bellamys Roman wurde zum Bestseller (die letzte deutsche Ausgabe erschien 2013 bei Golkonda), Wasserburgs Antwort ist dagegen weitgehend vergessen (kann man hier online lesen).

Was wäre Deutschland ohne Kartoffeln

In zwölf Zutaten präsentiert Drew Smith eine Geschichte des Columbian Exchange. Der Austausch von Nutzpflanzen und -tieren zwischen der Neuen und der Alten Welt hat nicht nur den Speiseplan geändert.

Drew Smith: Das Festmahl der Eroberer
Eine Geschichte der Entdeckungen in zwölf Zutaten

Aus dem Englischen von Alan Tepper und Andreas Schiffmann.
224 S., 28 Euro. Darmstadt 2021.
ISBN 978-3-8062-4029-0

Als Christoph Columbus und seine Mannen im März 1493 von der Amerika-Entdeckung nach Europa zurückkehrten, begann das, was als Columbian Exchange bezeichnet wird: der Austausch von Nutztieren und -pflanzen zwischen der Alten und der Neuen Welt. Vom kolumbischen Austausch handelt »Das Festmahl der Entdecker« von Drew Smith. Der britische Publizist, Gastronomiekritiker und begeisterte Koch beschränkt sich dabei nicht auf Amerika und Europa, sondern bezieht Asien und Afrika ein. Denn der Columbian Exchange war von Beginn an ein globales Phänomen, in dem die europäischen Entdecker, Eroberer und Händler eine Vermittlerrolle einnahmen. Denn sie brachten die Produkte von einem Ende der Welt zum anderen.

In zwölf Kapiteln liefert Smith zu ausgewählten Nahrungs- und Genussmitteln – vom Zuckerrohr über Tomaten und Kartoffeln bis zu Schokolade und Schweinefleisch – interessante, zum Teil abseitige historische Fakten und Anekdoten. Der Leser erfährt zum Beispiel, dass das Verfahren, Gewürze zu mischten und damit Fleisch einzureiben, in Mesoamerika entwickelt wurde, oder auf wen das in den USA und Großbritannien so beliebte Thanksgiving-Dinner zurückgeht. Er geht auf sozioökonomische Zusammenhänge ein, denn es haben sich durch den Columbian Exchange nicht nur die Speisepläne grundlegend geändert, sondern auch die Lebensumstände ganzer Kontinente. Wie sähen wohl Deutschland ohne Kartoffeln, Italien ohne Tomaten, Ungarn ohne Paprika oder Texas ohne Rindfleisch aus? Es gäbe keine Bananenrepubliken, keinen Rum und keine Schokoladenweihnachtsmänner. Smith macht deutlich, wie sehr der kolumbische Austausch die Welt verändert hat, und nicht unbedingt immer zum Guten.

Das Buch enthält ein paar Fehler und Ungenauigkeiten. Einige davon dürften auf die Übersetzer zurückgehen. So wird an einer Stelle Pfeffer genannt, wo es wohl Paprika (red pepper) heißen soll. Überprüfen lässt sich das nicht ohne Weiteres. Denn das englische Original des Buches (»The Conquerers’ Feast«; Elwin Street Productions Ltd.) ist wegen der Covid-19-Pandemie noch nicht erschienen. Die Veröffentlichung ist für kommendes Jahr geplant.

Falsches Datum für Amerika-Entdeckung

Ein kapitaler Fehler steht auf Seite 14. Dort heißt es: »Am Weihnachtsabend 1492 füllten die leichte Winde endlich die Segel der Karacke [Santa Maria] und offenbarten den Europäern erstmalig die Küstenlinie der heutigen Bahamas.« Die Bahamas erreichte Columbus’ kleine Flotte von drei Schiffen – im Buch wird der Eindruck erweckt, Columbus sei nur mit einem Schiff und 40 Mann Besatzung gefahren – bereits am 12. Oktober 1492 (und über zu wenig Wind mussten sich die Spanier zu dem Zeitpunkt auch nicht beklagen; laut Columbus’ Bordbuch fuhr sein Schiff, bevor Land gesichtet wurde, mit zwölf Seemeilen pro Stunde). Am Weihnachtsabend 1492 lief die Santa Maria, das Flaggschiff, an der Nordküste der Insel Hispaniola auf eine Sandbank und wurde abgewrackt.

Dann ist da der Fall Strickland, eigentlich eine Lappalie. Aber hier zeigt sich wieder einmal, dass vermeintliche Tatsachen oft ungeprüft in Sachtexten übernommen und weiterverbreitet werden, selbst wenn sie offensichtlich falsch sind. Smith schreibt, dass ein gewisser William Strickland, ein Adliger aus Nordostengland, als junger Mann den Entdecker Sebastian Cabot auf einer seiner Amerikafahrten begleitete und 1521 den Truthahn in England eingeführte. So steht es auf zahlreichen Internetseiten, unter anderem in der englischen Wikipedia (Link). Dort ist Stricklands Todestag genannt: 15. Dezember 1598. Er wird wohl kaum 77 Jahre vorher den Truthahn nach England gebracht haben, geschweige denn 1508/09 mit Cabot unterwegs gewesen sein.

Auf schön illustrierten Doppelseiten werden zum Kapitelthema passende Original-Rezepte vorgestellt. Nicht alle treffen wie dieses für Pfannenmaisbrot den heutigen Geschmack.

Alles in allem ist »Das Festmahl der Entdecker« ein sehr lesenswertes Buch. Angereichert werden Fakten und Anekdoten mit einer ganzen Reihe von historischen Rezepten, aus denen Leserinnen und Leser sich Anregungen für die eigene Küche holen können. Am Ende führen zwei Tabellen auf, was an Tieren und Pflanzen zwischen der Alten und der Neuen Welt ausgetauscht wurde. Einen Extrastern gibt es für die exzellente Auswahl an Illustrationen.

Geschichtslektion mit ein paar Schönheitsfehlern

In »Kolumbus, der entsorgte Entdecker« geht es um den unfreiwilligen Jamaika-Aufenthalt des Seefahrers. Dabei spielt eine Mondfinsternis eine Rolle.

Wolfgang Wissler: Kolumbus, der entsorgte Entdecker.
Das Desaster des legendären Seefahrers.
Gebunden, 192 Seiten, 22 Euro
ISBN 978-3-7776-2916-2
S. Hirzel Verlag, Stuttgart

Einen Roman über ein bedeutendes historisches Ereignis wie die Entdeckung Amerikas zu schreiben ist immer eine Gratwanderung. Der Leser weiß meistens zumindest grob, was passiert ist und kann nicht wirklich überrascht werden, und häufig fehlt den Dingen, die sich im wirklichen Leben abspielen, das, was einen Roman ausmacht: Spannung. Da hilft nur Fiktionalisierung, der Autor muss etwas erfinden. Wer nah an der historischen Wirklichkeit bleiben will, beschränkt sich auf Dialoge, andere dramatisieren vorhandene Konflikte, und manchmal werden Personen und Ereignisse komplett erfunden oder weggelassen. Dem Konstanzer Journalisten und Schriftsteller Wolfgang Wissler ist in seinem als literarisches Sachbuch bezeichneten Roman »Kolumbus, der entsorgte Entdecker« eine gute Mischung gelungen, an der es nur wenig auszusetzen gibt.

Wissler erzählt nicht die Geschichte der Entdeckung. Er widmet sich einem der letzten Kapitel im Leben des Entdeckers. Ende Juni 1503 strandete Kolumbus mit 116 Männern auf Jamaika. Seine letzten verbliebenen zwei von elf Schiffen, die Capitana und die Santiago de Palos, waren vom Schiffsbohrwurm zerfressen und nicht mehr seetüchtig. Er schickte mehrere Besatzungsmitglieder unter Führung von Diego Méndez in zwei Indianerkanus los, um aus der Kolonie auf der Insel Hispaniola Hilfe zu holen, was Gouverneur Nicolás de Ovando monatelang hinauszögerte. Die Spanier auf Jamaika waren in dieser Zeit auf die Unterstützung der Eingeborenen angewiesen, was zu Spannungen führte. Ein Teil der Besatzung meuterte Anfang 1504 unter der Führung von Francisco de Porras und dessen Bruder Diego und zog marodierend über die Insel, nachdem es ihnen wegen schlechten Wetters nicht gelungen war, Hispaniola in Kanus zu erreichen. Erst Ende Juni 1504 kann Méndez ein Schiff organisieren, um seine Kameraden abzuholen.

Krank, einsam, desillusioniert

Von den Ereignissen erfährt der Leser abwechselnd aus der Sicht der verschiedenen Protagonisten, die davon betroffen sind, oft in längeren inneren Monologen. Allen voran ist das natürlich Kolumbus. Der von Krankheit gezeichnete, einsame und desillusionierte Entdecker ist die meiste Zeit damit beschäftigt, die Besatzungsmitglieder unter vier Augen in »Mitarbeitergesprächen« bei der Stange zu halten. Dass der Admiral so jovial auftrat, ist wenig glaubwürdig. Ein Mann, vor dem sich das Königspaar nach seiner ersten Reise erhoben hatte, wird sich nicht mit dem Fußvolk abgegeben haben. Dazu hatte er seine Offiziere. Deshalb nehme ich an, dass Wissler das ironisch meint.

Der Kazike Ameyro, das Oberhaupt der Eingeborenen, weiß nicht so richtig, wie er mit der Situation umgehen soll. Er sucht einerseits den friedlichen Kontakt mit den Spaniern und versorgt sie mit Lebensmitteln, andererseits fürchtet er sie und gerät wegen seiner Wankelmütigkeit bei seinen eigenen Leute in Schwierigkeiten.

Der Meuterer Francisco de Porras erkennt nach und nach, dass seine Lage aussichtslos ist, als seine Gefolgschaft in Scharmützeln mit den Indios schrumpft. Schließlich überfallen er und seine Leute die columbustreuen Spanier. Sie wollen sie umbringen, um für den Fall, dass Rettung kommt, als einzige Überlebende dazustehen. Der Überfall scheitert. Im Roman ist Columbus gnädig mit de Porras. In Wirklichkeit hat er ihn in Ketten gelegt.

Spanier kämpfen gegen Spanier: Die  Meuterei von Francisco de Porras wurde von Theodor de Bry in seinem monumentalen Werk über die »West-Indischen Reisen« (1590-1618) verewigt.

Der Venezianer Amerigo Vespucci, nach dem Amerika benannt wurde, kommt nach Hispaniola und versucht, sich bei Gouverneur  Ovando einzuschleimen. Beide haben ein Interesse daran, dass Kolumbus nicht zurückkehrt und auf Jamaika verreckt. Ovando weiß, dass Columbus ihm die Führung der Kolonie streitig machen würde, und Vespucci möchte gerne als der eigentliche Entdecker der Neuen Welt zu ewigem Ruhm gelangen.

Wissler tut Vespucci Unrecht, indem er ihm fast schon krankhaften Neid auf Kolumbus unterstellt. Die beiden Italiener waren seit 1492 zeitweise Geschäftspartner und tauschten sich über ihre Amerikareisen aus. Kolumbus hielt große Stücke auf ihn. »Er hat immer den Wunsch, mir Freude zu machen. Er ist ein sehr anständiger Mann«, schrieb er Anfang 1505 an seinen Sohn Diego. Vespucci war 1504 nicht auf Hispaniola, sondern nahm (möglicherweise) an einer portugiesischen Expedition teil, die die Küste Brasiliens erkundete. Zutreffend ist, das er zu Übertreibungen neigte. Geschäftstüchtig sorgte er dafür, dass sein Ruhm als Entdecker sich verbreitete, während Columbus damit beschäftigt war, seine vom spanischen Königshaus gewährten großzügigen Privilegien nicht zu verlieren.

Die Geschichte auf den Kopf gestellt

Schließlich ist da der Unberührbare, der in Ameyros Stamm lebt. Dieser nach einem Unfall querschnittgelähmte Europäer ist die einzige erfundene Hauptfigur in Wisslers Roman. Er heißt Gabriel und ist ein alter Freund von Kolumbus. Beide haben 1476 mit einem kleinen Schiff den Atlantik überquert und die Neue Welt entdeckt. Während Gabriel dort blieb, kehrte Kolumbus allein (!) zurück, um ganz offiziell auf Entdeckungsfahrt gehen zu können, weil ihm sonst niemand geglaubt hätte. Damit stellt Wissler die Historie auf den Kopf. Interessanter Ansatz.  Das Schicksal des Unberührbaren, einziger Zeuge dieses »Betrugs«, bleibt in der Geschichte offen.

Interessant ist auch, welche Figuren Wissler in seinem Roman nicht auftreten lässt. Auf der vierten Reise wurde Columbus von seinem Bruder Bartolomeo und seinem 13 Jahre alten Sohn Fernando begleitet. Bartolomeo war dabei eine wichtige Stütze seines Bruders, während Fernando die Ereignisse später für die Nachwelt festhielt.

Das Buch ist sehr unterhaltsam und locker geschrieben, stellenweise sogar etwas flapsig. Da heißt es an einer Stelle: »[M]an gönnt den anderen nicht die Ananasscheibe auf dem Brot« (S. 21) und an anderer (S. 56): »Selbstverständlich braucht Amerigo Vespucci kein Gespräch mit irgendeinem Kanusportler, um sich eine Meinung zu bilden.« (S. 56). Aber der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass die Europäer den Menschen in der Neuen Welt mit kaum zu überbietenden Selbstgefälligkeit und Grausamkeit ihren Willen aufgezwungen haben. Columbus und seine Kumpane sind keine glorreichen Entdecker, sondern gewissenlose, egoistische Eroberer.  Nur ein Beispiel für die von Wissler historisch korrekt geschilderten Grausamkeiten: Indios, die versuchten, in ein von Spaniern besetztes Kanus zu gelangen, um nicht im Meer zu ertrinken, wurden die Hände abgehackt.

Von Holzwürmern und einer Finsternis

Einige sachliche Fehler trüben den positiven Gesamteindruck. Harmlos ist noch, dass Wissler offenbar den Unterschied zwischen Schiffsbohrwurm und Holzwurm nicht kennt. Er schreibt ständig Holzwurm. So wird  die Larve des Gemeinen Nagekäfers (Anobium punctatum) genannt, die Gänge in totes Holz, gerne in Möbel, bohrt. Die Schiffe der Spanier wurden jedoch von der Schiffbohrmuschel Teredo navalis, die auch Schiffsbohrwurm genannt wird, befallen.

Peinlich ist Wisslers Darstellung der berühmten Mondfinsternis-Episode. Columbus, der die für die Seeleute seiner Zeit wichtige Ephimeriden-Tafeln des Regiomontanus mitführte, wusste, dass in der Nacht zum 1. März 1504 eine totale Mondfinsternis stattfinden würde. Weil die Eingeborenen sich weigerten, die Spanier weiter mit Lebensmitteln zu versorgen, kündigte Columbus den Eingeborenen an, dass sein Gott den Mond in dieser Nacht zur Strafe »im Zorn entflammen« und sein Licht verblassen lassen würde. Bei einer Mondfinsternis fällt der Erdschatten auf die hell leuchtende Scheibe des Vollmonds. Die Scheibe wird dunkler und schimmert am Ende in dunklem Rot, weil in der Erdatmosphäre gestreutes Licht dorthin reflektiert wird. Die Mondscheibe bleibt während der ganzen Finsternis sichtbar.

Die Mondfinsternis in einer Darstellung des 19. Jahrhunderts (aus: Astronomie Populaire von Camille Flammarion, 1879)

Als das tatsächlich passierte, drehten die Eingeborenen durch und erfüllten die Wünsche der Spanier. Dieses Ereignis wurde von Kolumbus‘ Sohn Fernando überliefert. Und was schreibt Wissler? Er lässt den Kaziken Ameyro zu Wort kommen: »Es war, als schöbe sich sich eine schwarze Scheibe vor sein geliebtes Angesicht. Größer und größer wurde die Scheibe, immer kleiner wurde der Mond und immer schwächer sein Licht.« Nur bei einer Sonnenfinsternis wäre eine schwarze Scheibe sichtbar, könnte man mit bloßem Auge hinsehen. Es handelt sich dabei um den Neumond, der sich zwischen Erde und Sonne schiebt.

Die Eingeborenen werden sich vermutlich gar nicht wegen der Verdunklung gefürchtet haben. Mondfinsternisse sind keine Seltenheit. Aber sie kannten die Ursache nicht und glaubten, dass Kolumbus seinen Gott dazu bewegen konnte, ihnen dieses Zeichen zu geben. Das machte ihnen Angst.