Lesenswert: Andromeda-Nachrichten 257

Das Titelbild „Futuristic Toy“ ist von Andreas Schwietzke.

ANDROMEDA NACHRICHTEN 257
SFCD e.V., Murnau, April 2017, 116 Seiten A4, EUR 8,00.
Bezug: SFCD-Archiv, archiv[at]sfcd.eu

Gestern sind die neuen Andromeda-Nachrichten, die Mitgliederzeitschrift des Science-Fiction-Clubs Deutschland (SFCD), in meinem Briefkasten gelandet. Normalerweise blättere ich das Heft einmal durch, um zu sehen, was so alles drinsteht, lege es aber dann erst einmal zur Seite – auf den Stapel ungelesener Zeitschriften (STUZ).

Diesmal nicht: Ich blieb gleich bei dem Interview hängen, das SFCD-Vorsitzender Thomas Recktenwald mit Gerhard Müller geführt hat. Schon die Überschrift hat mich gelockt: »Sechs Jahrzehnte im Fandom oder: Von Walter Ernstings Kühlschrank zum umgebauten Besenschrank«. Gerhard Müller ist 80 Jahre alt und seit dem 1. Januar 1957 Mitglied im SFCD. Und er hat ein Talent zum Erzählen. Das Interview gibt Einblicke in die Frühzeit des deutschen SF-Fandoms, erzählt von Besuchen bei Walter Ernsting alias Clark Darlton und bringt uns einen Büchernarr nahe, der 45.000 Bücher in seiner 64-Quadratmeter-Wohnung in München beherbergt. Aufgelockert wird der Text mit Schwarzweiß-Fotos von Cons aus den 1950er Jahren und Besuchen bei Walter Ernsting. Ich habe selten einen so interessanten Beitrag in der AN gelesen.

Jürgen Lautner auf dem BuCon 2016

Weil ich gerade im Leseschwung war, habe ich Jürgen Lautners Bericht über den BuCon 2016 gleich hinterhergeschoben. Jürgen ist (bekanntlich) ein sehr fleißiger Con-Besucher und hält seine Besuche in Wort und Bild fest. Seine Betrachtung unter dem Titel »Das einzige Beständige ist der Wandel« ist eine launige, flott geschriebene Abrechnung mit dem Con-Betrieb in Dreieich. Die Überschrift trifft es aber nicht ganz. Der Kernsatz seines Berichts lautet nämlich: »Der Vorteil solcher Events ist, dass der Besucher weiß, was ihn erwartet. Der Nachteil: Der Besucher weiß, was ihn erwartet.« So ist das auch, weiß ich aus eigener Anschauung.

Wer ist Carl Grunert?

Der weitere Inhalt der AN lockt mich nicht so stark. Steampunk interessiert mich nicht, Game- und Filmbesprechungen lese ich auch sonst fast nie, und die unvermeindliche Perry-Rhodan-Besprechung von Robert Hector ist mir zu ausufernd (und eine Bleiwüste). Hängengeblieben bin ich allerdings beim Fanzinekurier. Dort habe ich in der Besprechung der Story-Sammlung »Gegen unendlich 11« (ich liebe Kurzgeschichten) einen Hinweis auf das Werk von Carl Grunert, einem SF-Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts, gefunden. Das hört sich spannend an, da werde ich am Ball bleiben. Die Buchbesprechungen im »Reißwolf« werde ich mir in den nächsten Tagen vornehmen, das sind zum Glück erfreulich kurze Texte.

Also, die Lektüre der AN 257 lohnt sich. Dass einen Leser nicht alles gleichermaßen interessiert, ist ohnehin klar. Aber auf den 116 Seiten sollte jeder SF-Fan etwas finden.

Das Heft gibt es kostenlos zum Download (gezipte PDF-Datei, 54 MB). Darin sind alle Abbildungen in Farbe.

Ziemlich viel Unfug auf einem Haufen

»Erinnerungen an die Zukunft« wiedergelesen. Das Buch ist ein Klassiker der Pseudowissenschaft.

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1968 erschienen die »Erinnerungen an die Zukunft« im Econ-Verlag

»Erinnerungen an die Zukunft« von Erich von Däniken ist ein Klassiker der Pseudowissenschaft und ein Meilenstein der so genannten Prä-Astronautik. Ganze Generationen von Lesern hat es beeinflusst und viele Nachfolger motiviert. Im Zuge einer Recherche habe ich mir das 1968 erschienene Buch, das ich als 15- oder 16-Jähriger, also vor sehr langer Zeit, einmal gelesen habe, (in einer Ausgabe von 1984) erneut besorgt und jetzt wieder gelesen. Das ist mein Eindruck:

Schon der erste Satz der Einleitung ist Propaganda: »Dieses Buch zu schreiben, ist eine Mutfrage – es zu lesen nicht minder.« Das ist Bullshit. In der Schweiz, wo von Däniken lebt, oder in Westdeutschland, wo das Buch erschien, wurde man damals deswegen höchstens komisch angeguckt. Aber das Statement bindet Autor und Leser aneinander und gibt ihnen das Gefühl, Teil von etwas Besonderem zu sein, Mitglieder im Club der Mutigen, der den Rest der Welt gegen sich hat.

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Nur mäßig spannende Schatzsuche

berry

Steve Berry: Die Kolumbus-Verschwörung.  Übersetzt von Barbara Ostrop. Blanvalet Taschenbuch Verlag  2014. 544 S. 12 Euro (E-Book: 9,99 €). ISBN  978-3442382798.

»Die Kolumbus-Verschwörung« ist ein Thriller des US-amerikanischen Schriftstellers Steve Berry. 1504 versteckt Christoph Kolumbus (Columbus) auf der Karibik-Insel Jamaika drei Truhen, die er aus Europa mitgebracht hat. Ein stinkreicher, skrupelloser und fanatischer jüdischer Geschäftsmann, Zacharias Simon, ist da hinterher, um mit ihrer Hilfe das Selbstvertrauen des Staates Israels/des Judentums zu stärken und sie von ihren Feinden, den Arabern, zu befreien.

Denn in der Truhe befand sich angeblich der seit Jahrhunderten verschollene Schatz aus dem Jerusalemer Tempel, dem heiligsten Ort des Judentums, den die Römer 70 n. Chr. zerstörten. Columbus war nämlich ein Converso, ein zum Christentum konvertierter Jude, der den Schatz aus Spanien gerettet hatte. Simon geht für sein Ziel buchstäblich über Leichen. Nicht weniger skrupellos ist der Jamaikaner Béne, ein Nachfahrer afrikanischer Sklaven, der auf der Suche nach einer angeblichen, von Kolumbus entdeckten Goldmine ist.

In die Machenschaften dieser Männer wird der gescheiterte Reporter Tom Sagan verwickelt, weil er glaubt, dass seine Tochter Ali entführt wurde. Der Leser erfährt bald, dass Ali, die ihren Vater verachtet, gemeinsame Sache mit Simon macht. Die Entführung ist inszeniert, damit ihr Vater beschafft, was im Sarg seines Vaters und Alis Großvater liegt – den Schlüssel zum Versteck des Tempelschatzes, wie Simon glaubt. Die Jagd nach dem Schatz führt von Florida über Wien und Prag nach Jamaika.

Simon Wiesenthals Idee

Die Idee, das Kolumbus ein konvertierter (spanischer) Jude auf einer geheimen Mission ist, ist nicht neu. Simon Wiesenthal, Holocaust-Überlebender, Eichmann-Jäger und Leiter des jüdischen Dokumentationszentrum in Wien, hat sie 1972 in seinem Buch »Segel der Hoffnung« aufgebracht. Columbus, so seine These, sollte für die in Spanien verfolgten Juden eine neue Heimat in Übersee finden. Von drei Kisten war bei ihm aber nicht die Rede. In einem Nachwort gibt Berry an, was in seinem Buch historische Tatsache ist und was Fiktion. Wiesenthal wird dabei nicht verschwiegen.

Nur mäßig spannend

Es sei Berrys bisher bestes Buch, wird der Daily Herald auf der Rückseite zitiert. Dann brauche ich seine anderen Romane ja nicht zu lesen. »Die Kolumbus-Verschwörung« hat mich wirklich nicht vom Hocker gerissen. Der angebliche Thriller ist nur mäßig spannend, was nicht nur am Plot liegt. Die Suche nach einem legendären verschwundenen Schatz – das ist nicht originell, da kommen einem gleich der Heilige Gral, Indiana Jones oder Lara Croft in den Sinn. Es wundert auch nicht, dass verschlüsselte Botschaften und eine geheime Höhle eine wichtige Rolle spielt.

Auch die Erzählweise gefällt mir nicht besonders. Allzu oft lässt Berry sich Spannung nicht richtig entfalten, weil er mit Infodump das Tempo rausnimmt. Der Leser wird immer wieder mit einem Haufen überwiegend historischer Information geradezu überschwemmt, ohne dass diese immer für das Verständnis oder den Fortgang der Handlung relevant ist.

Die verschiedenen Handlungsstränge sind zudem sehr stark segmentiert, ständig springt der Autor zwischen den Hauptpersonen und den Schauplätzen hin und her. Man kann sich richtig vorstellen, wie Berry einen Szenenplan ausgetüftelt und diszipliniert abgearbeitet hat. Jede Szene endet mit einem Cliffhänger oder einer (überraschenden) Wendung – wie aus dem Schreibratgeber. Vieles ist zu vorhersehbar, vor allem die Moral von der Geschicht’ (so etwas muss amerikanische Unterhaltungsliteratur wohl haben). Wenn gleich am Anfang das zerrüttete Verhältnis von Vater und Tochter thematisiert wird, weiß man, wie das enden wird.


Homepage von Steve Berry