Rückkehr zu Hugh Walker

walkerHugh Walker: Alles Licht der Welt. Emmerich Books & Media. ISBN-13: 978-1507635919. 348 Seiten. 15 Euro (print, E-Book: 5,95 Euro).

In meinem Projekt »Ich lese erst einmal alles, was auf dem Stapel ungelesener Bücher liegt«, das ich Anfang des Jahres begonnen habe, habe ich jetzt »Alles Licht der Welt« von Hugh Walker beendet. In dem Buch sind eine Kurzgeschichte und drei (Heft-) Romane von Walker (alias Hubert Straßl) enthalten:

  • Alles Licht der Welt (Erstveröffentlichung 1966 als Madman Curry)
  • Der Wall von Infos (1972)
  • Rebellion der Talente (1971)
  • Das Signal (1997)

Der Sammelband ist Teil der Werkausgabe von Walker, die im Verlag Books & Media von Peter Emmerich erscheint. »Alles Licht der Welt« ist einer von zwei Bänden mit Science-Fiction-Storys. Walker war vor allem Horror- und Fantasyautor, sein SF-Werk ist vergleichsweise schmal.

Von Walker hatte ich als Jugendlicher lediglich die Romane »Der Ruf der Träume«, »Preis der Unsterblichkeit«, »Gefangene des Kosmos«, die Anfang der 1970er Jahre als als »Terra Astra«-Heftromane Nr. 32, 42 und 86 erschienen sind und 2014 in dem Sammelband »Realphantasie« wiederveröffentlicht wurden, gelesen. Die beiden ersten gehörten zu den wenigen Storys, die auch nach Jahrzehnten bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, wie ich in einem früheren Post dargelegt habe. Das übrige SF-Werk des Österreichers ist spurlos an mir vorbeigegangen.

Jetzt muss ich sagen: schade. Walkers Werke ragen aus der Masse der deutschsprachigen SF-Romane jener Zeit heraus. Der Österreicher hat es nicht so mit der Action, er kümmert sich vielmehr um das, was mit seinen Figuren passiert, legt ihre Gedanken und Gefühle offen. Das tut er mit in einer eindringlichen, zum Teil suggestiven Sprache, die den Leser in die Geschichte hineinzieht.

In »Der Wall von Infos« und »Rebellion der Talente« behandelt Walker dasselbe Thema: Ein alles regelnder Computer übernimmt nach und nach die Kontrolle und entmündigt den Menschen bis sie jede Individualität verloren haben und nur noch Maschinen sind. In beiden Geschichten steht eine Protagonist im Mittelpunkt, der aus dieser allumfassenden Kontrolle herausgefallen ist und seine Individualität wiederfindet.

Der Charakter eines Ortes

An »Die Rebellion der Talente« hat mir besonders gefallen, dass ich den Schauplatz der Story schon im ersten Absatz erkannt hatte, obwohl ich erst einmal in Wien war. Dadurch bin ich ein wenig selbst Teil der Geschichte geworden. Das passiert nicht in jeden Roman, der an einem Ort spielt, den ich kenne. Den Charakter eines Ortes einzufangen und ihn Teil de Handlungs werden zu lassen, gelingt vielen Autoren nicht. Walker stellt hier die dafür erforderlichen Fähigkeiten unter Beweis.

In »Das Signal« steht ein Mann im Mittelpunkt, der seinen Körper wie viele andere Menschen mit dem Geist eines Außerirdischen teilt und zeitweise von ihm gesteuert wird. Diese Aliens sind seit Jahrzehnten auf der Erde und arbeiten mit dem amerikanischen Militär zusammen. Es ist die Geschichte des Roswell-Ufos und der Area 51 aus einem anderen Blickwinkel.

In der Titelgeschichte »Alles Licht der Welt« wird ein ähnliches Thema behandelt: Ein junger Telepath tauscht den Körper mit einem ähnlich veranlagten blinden Bettler, der anschließend nicht wieder zurück will.

Walkers Storys heute noch einmal zu lesen, ist gewiss keine Zeitverschwendung. Mir haben sie gefallen. Als nächstes nehme ich ein Werk des Amerikaners Steve Berry vom Stapel ungelesener Bücher: Die Kolumbus-Verschwörung. Ausnahmsweise mal keine Science-Fiction. Aber es liegt schon seit zweieinhalb Jahren auf dem Stapel.

Zum dritten Mal: Deutsche SF in Spektrum

Ausgabe Februar 2017

Für deutsche Science-Fiction-Kurzgeschichten gibt es nur wenige regelmäßig erscheinende, einer breiten Leserschaft zugängliche Veröffentlichungsmöglichkeiten, zum Beispiel die Computerzeitschrift c’t. Seit Kurzem gehört das Magazin Spektrum der Wissenschaft (SdW) dazu, woran ich einen gewissen Anteil hatte.

Mit dem Februar-Heft ist jetzt die dritte SF-Kurzgeschichte eines deutschen Autors erschienen, »Welt der Erwachsenen« von Karsten Kruschel. Man kann sie kostenlos als PDF-Datei  herunterladen. Continue reading „Zum dritten Mal: Deutsche SF in Spektrum“

»Lagune«: bunte Endzeitstimmung in Lagos

lagune
Tolles Cover von Greg Ruth

Nnedi Okorafor: Lagune
übersetzt von Claudia Kern
Cross Cult/Amigo Grafik, Ludwigsburg 2016
370 Seiten, 18 Euro (E-Book 9,99 Euro)
ISBN 9783864258732

»Lagune« ist ein tolles Buch. Das fängt schon mit dem Umschlagbild von Greg Ruth an. Das Gesicht einer Afrikanerin, das sich in einer Wolke von Tinte oder gefärbtem Wasser aufzulösen oder zu entstehen scheint, ist magisch, genau wie der Roman von Nnedi Okorafor. Die Amerikanerin, Tochter nigerianischer Eltern, vermischt eine First-Contact-Geschichte mit afrikanischen Volksmärchen und Aberglaube und würzt sie mit Sozialkritik.

Der Roman spielt in der nigerianisches Metropole Lagos. Dort am Strand treffen drei Menschen – die Meeresbiologin Adaora, der Rapper Anthony und der Soldat Agu – auf eine Außerirdische, die sie Ayodele nennen. Adaora nimmt alle mit zu sich nach Hause; ihr Haus wird dadurch zum Brennpunkt der Ereignisse. Das Militär, eine Straßengang, eine Transvestitengruppe und eine Gruppe christlicher Fanatiker wollen sich der Außerirdischen bemächtigen und beschwören ein riesiges Chaos herauf. In Lagos kommt Endzeitstimmung auf, es gibt Tote, Plünderungen, Hexenverfolgung. Das Panoptikum, dass Nnedi Okorafor ausbreitet, ist so vielfältig und schrill wie die Stadt, die die eigentliche Hauptrolle in diesem Buch spielt. So bunt wie Lagos, wie die Figuren und die Geschichten ist auch der Stil der Autorin.

Das Meer beziehungsweise die Lagune von Lagos spielen eine große Rolle, ein Schwertfisch, ein Straßenmonster und der Hexenwahn sowie die auch bei uns bekannte Betrugsmasche mit E-Mails aus Nigeria (dort nach dem entsprechenden Paragrafen im Strafgesetzbuch 419 genannt) ebenso. Mehr wird nicht verraten.

Zum tollen Inhalt gibt’s die passende Ausstattung. Das Buch kommt als stabiles Paperback mit Klappbroschur und erhabener Schrift auf der Vorderseite. Das Titelbild kommt wegen des großen Formats von 13,5 x 20,5 Zentimeter besonders gut zur Geltung. Wie das Titelbild entstand, erzählt Ruth in einem Beitrag für Tor Online. Mehr von Okorafor und Ruth kommt demnächst. Für April kündigt Cross Cult Okorafors Debütroman »Wer fürchtet den Tod« (Originaltitel: »Who Fears Death« von 2010; Gewinner des World Fantasy Award) an.


Weiterführende Links
Internetseite von Nnedi Okorafor
Internetseite von Greg Ruth