Dieses Buch hat mich im Griff

Mein Lesemonat Februar wurde von einem Roman bestimmt: Die Enden der Parabel von Thomas Pynchon ist berüchtigt für seine Themenvielfalt, aber toll geschrieben, absurd und lustig. Da muss andere Lektüre zurückstecken.
Thomas Pynchon: Die Enden der Parabel.
Taschenbuch, 1200 Seiten. 20 Euro (E-Book 14,99 Euro). ISBN 978-3499135149.
rororo

Mein Lesemonat Februar 2021 war von Thomas Pynchons Roman »Die Enden der Parabel« (im Original »Gravity‘s Rainbow«, übersetzt von Elfriede Jelinek und Thomas Piltz) bestimmt. Der Roman wird zu den bedeutendsten englischsprachigen Werken des 20. Jahrhunderts gezählt. Das rororo-Taschenbuch hat 1200 Seiten, von denen ich bisher fast die Hälfte geschafft habe. Was den Inhalt angeht, verweise ich auf den Wikipedia-Eintrag. Dort steht: »Der Roman ist berüchtigt für seine Figurenvielfalt, seine schwer durchschaubaren Handlungsstränge und seine enzyklopädische Themenvielfalt.« Hauptfigur ist die erste, in Deutschland entwickelte Rakete, die im Zweiten Weltkrieg als V2 unter anderem tausendfach auf London abgefeuert wurde. Um sie kreisen die Handlungen aller Figuren.

Pynchon schreibt keine einfache Prosa, das Buch ist kein Pageturner. Manche Sätze sind so verschachtelt und mäandernd, manche Gedankengänge so ineinander verwoben, dass man die Passagen mindestens zweimal lesen muss, um zumindest ihre Struktur zu entschlüsseln. Das kostet Zeit, und deshalb schaffe ich immer nur ein paar Seiten pro Tag. Aber das ist es wert. »Die Enden der Parabel« strotzt vor originellen Einfällen und großartigen Bildern, ist stellenweise völlig absurd und oft umwerfend komisch. Beispiel: Tyrone Slothrop, einer der Hauptprotagonisten, ist mit einem Mann in einem Ballon nach Berlin unterwegs, als sie von einem Flugzeug bedrängt werden. Sie wehren sich, indem sie das Flugzeug mit Sahnetorten bewerfen, die der Mann nach Berlin bringen wollte, um sie dort zu verkaufen. Purer Slapstick! Erstaunlich ist auch, wie gut sich Pynchon an den verschiedenen Schauplätzen, mit geschichtlichen und technischen Details auskennt. Er muss unendlich viel recherchiert haben, ganz ohne Internet (das Buch ist von 1973).

Werk mit SF-Elementen

»Die Enden der Parabel« enthält zahlreiche phantastische Elemente, darunter eine militärische Abteilung, die sich mit Psi-Experimenten beschäftigt. Der Roman wird deshalb zur Slipstream Science Fiction gezählt (Slipstream = Windschatten). Der SF-Schriftsteller Bruce Sterling bezeichnete damit Werke, die sich SF-Elemente bedienen, aber nicht zum SF-Genre gezählt werden. Tatsächlich würde aber kein Buchhändler »Die Enden der Parabel« in ein SF-Regal stellen, und ich schätze, dass viele, nein, die meisten SF-Leser auf das Buch mit Befremden reagieren würden, sollten sie es jemals zur Hand nehmen.

Das Buch ist aber nicht nur zeitfordernd; es hat noch einen anderen Effekt auf mein Leseverhalten. Normalerweise macht es mir nichts aus, mehr oder weniger gleichzeitig etwas anderes zu lesen: Ich lege ein Buch weg und greife nach einem anderem oder einem Heftroman. Nach Pynchon brauche ich immer eine Pause: Sonst erschlägt mich der Qualitätsunterschied. Nichts gegen euch, meine Freunde vom PERRY RHODAN-Autorenteam, aber da könnt ihr einfach nicht mithalten. Immerhin habe ich es fast geschafft, wie geplant, die zweite Staffel der PERRY RHODAN-Miniserie »Mission Sol« komplett zu lesen, damit ich ab Mitte März Luft für die nächste Miniserie habe. Auch einige Kurzgeschichten gehörten im vergangenen Monat zu meinem Pensum.

Dreizehn ist keine Unglückszahl

Die Nummer 13 sollte für mich keine Unglückszahl sein. In der jetzt bei Amazon als E-Book veröffentlichten Anthologie »Gegen unendlich 13« ist eine Kurzgeschichte von mir erschienen, »Kurze Unterbrechung«. Der eine oder andere wird sie kennen, denn sie steht in meiner selbst verlegten Storysammlung »Zeit für die Schicht« von 2016.

Das sollte aber niemanden daran hindern, »GU 13« zu erwerben und zu lesen. Denn es gibt noch zehn andere Storys. Einige Autoren sind mir dem Namen nach bekannt, von anderen habe ich nicht nie gehört oder gar gelesen. Das werde ich jetzt nachholen. Print wird übrigens nachgeliefert.

Von den elf Autoren ist Gert Prokop der bekannteste. Prokop (1932-1994) war einer der profiliertesten SF-Schriftsteller der DDR und vor allem bekannt für seine Storys um den Detektiv Timothy Truckle (meine Rezension). Eine dieser Geschichten, »Null minus unendlich«, steht in »GU 13«. Über eine solche Gesellschaft kann man sich als Hobbyschriftsteller nur freuen. Mit der Prokop-Story und dem letzten Beitrag der Antho, »Verbrechen im 21. Jahrhundert. Die SF-Kriminalstorys von Gert Prokop« von Armin Möhle, erweisen die Herausgeber Michael Awe, Andreas Fieberg und Joachim Pack wieder einem älteren deutschen SF-Schriftsteller die Ehre. Ich selbst bin durch »GU 11« das Werk von Carl Grunert (1865-1918) aufmerksam geworden.

Der Waschzettel

Die Herausgeber schreiben:

Die phantastische Literatur erreicht Orte, von denen manch einer nicht wusste, dass es sie überhaupt gibt. Diese Erkenntnis wollen wir hiermit erneut auf die Probe stellen, und zwar mit einer gesunden Mischung aus forscher Phantastik und gediegener Science Fiction. Begleiten Sie uns auf einen weiteren Ausflug »gegen unendlich« und lassen Sie sich von unseren Autoren über Grenzen entführen, hinter denen alles möglich scheint. – Das Titelbild stammt von Michael Hutter.

DIE STORYS
Michael J. Awe: »Der Seltsamkeitsladen«
Andreas Fieberg: »5-Minuten-Schicksal«
Fernando Sorrentino: »Schuld hat Dr. Moreau«
Joachim Pack: »Lift!«
Uwe Durst: »Frau Griese«
Norbert Fiks: »Kurze Unterbrechung«
Amya Northcote: »Brikett Bottom«
Ute Dietrich: »Das Eis«
Michael Hutter: »Melchior Grün und das Sternentier«
Ellen Norten: »Der magische Schleier«
Gert Prokop: »Null minus unendlich«
Armin Möhle: »Verbrechen im 21. Jahrhundert. Die SF-Kriminalstorys von Gert Prokop«

AUS DEM INHALT
Ein obskurer Laden, in dem nichts gekauft werden kann / Instant Karma auf Causa Prime / Ein nicht ganz menschlicher Schwiegervater in spe / Unterwegs per Anhalter auf Vingart / Eine Wohnung, die sich gegen eine alte Dame wendet / Nebenwirkung eines Cyberanschlags / Verschwinden im Tal des Todes / Eisige Postapokalypse / Intergalaktische Brut / Raffinesse einer Bauchtänzerin / Überbevölkerung und ihre vermeintliche Lösung / Armin Möhle über die SF-Krimis von G. Prokop

Link zu Amazon

Rücksturz in eine »Lockende Zukunft«

Aus den Tiefen des Online-Antiquariats ist ein besonderes Buch in meinem Briefkasten gelandet: die erste Anthologie mit deutschen Science-Fiction-Kurzgeschichten überhaupt. Sie erschien 1957, also vor 61 Jahren, unter dem Titel »Lockende Zukunft. Eine utopische Anthologie« und versammelte 35 Geschichte deutscher SF-Schriftsteller. Ich bin gespannt, welche Perlen sich darin verstecken.

Hier ist das Inhaltsverzeichnis:

Wolfgang Jeschke: Der Türmer | Wlli Voltz: Mechanical Brain | Henry Bings: Begegnung | K. H. Scheer: Sie erkannten es nicht | Bernd Müller: Kommst Du? | Jorge Z. Lancha: Stützpunkt Mais | Bernd Müller: Sie kamen zum dritten Mal | Heinz Pradel: Die letzte Hoffnung | Lawson Marchfield: Der Warner | Peter Martin: Der Versuch | Jay Grams: Geheimnisvolle fremde Welt | Willi Voltz: Die andere Welt | Clark Darlton: Das Ende der Furcht | Heinz-Dieter Reiss: Die Ursache | Ernst W. Hulsch: Die entscheidende Sekunde | Thea Grade: Das Experiment | Henry Bings: Tod im Licht | Willi Voltz: Der Tod bringt den Beweis | Jürgen Duensing: Ruf der Vergangenheit | Willi Volts: Theorie und Praxis | Anna-Maria Best: Das Erbe der Götter | Rainer Eisfeld: Die Hölle auf Erden | Willi Voltz: Ein Stück Ewigkeit | Victor Jewers: Impulse | Ernst H. Richter: Die Rückkehr | Jay Grams: Die Welt im Atom | Willi Voltz: Der zehnte Planet | Manfred Caspar: Dramatische Signale | Willi Voltz: Keine Robot’s mehr für Venus | K. H. Biege: Phänomen um Mitternacht | Rolf Ulzheimer: Die Zeitmaschine | Willi Voltz: Der Schläfer | Norbert Nowak: Das ewige Leben | Gord W. Zetzmann: Die Chance war Null | Willi Voltz: Tödliche Gedanken

Den Auftakt macht Wolfgang Jeschke, später langjähriger SF-Herausgeber beim Heyne-Verlag. Die beiden Väter der PERRY-RHODAN-Serie, K.-H. Scheer und Clark Darlton, sind mit je einer Geschichte vertreten, der erst 19 Jahre alte Willi Voltz, beider Nachfolger als PR-Chefautor, gleich achtmal; fleißig, fleißig. Ernst H. Richter, Henry Bings und Rainer Eisfeld sind Namen, die im Zusamenhang mit der Geburt der deutschen SF und den Anfängen des Fandoms immer wieder auftauchen. Der Rest? Die Namen sagen allenfalls Experten etwas, viele waren als SF-Schriftsteller offenbar nur »Eintagsfliegen«.

Herausgeber war Henry Bings alias Heinz Bingenheimer, der Gründer der SF-Buchhandlung Transgalaxis, die inzwischen auch schon mehr als 60 Jahre auf dem Buckel hat. Erschienen ist das Werk im Bewin-Verlag Menden, einem der führenden Leihbuch-Verlage jener Zeit in Deutschland. Deshalb wundert es nicht, dass im Buch ein Stempel den »Praktischen Bücherverleih I. Walden« aus Duisburg-Meiderich als (ehemaligen) Eigentümer ausweist. »Geadelt« wurde das Buch durch das Clubsiegel des Science-Fiction-Clubs Deutschland, zu dessen Gründungsmitgliedern Bingenheimer gehörte.

Die Illustration zum Story „Die Ursache“ Heinz-Dieter Reiss.

Das Cover ist von Alfred Dudda, Schwerte, einem damals viel beschäftigen Titelbildzeichner. Jan Groenmeyer aus Iserlohn hat zu jeder Geschichte eine Illustration beigesteuert. Ich kann mir vorstellen, dass das Buch bei den Lesern gut angekommen ist.

Mal sehen, wie die vergangenen 60 Jahre den Geschichten bekommen sind.