»Kollaps« fehlt Tiefgang

John Scalzi
Kollaps. Das Imperium der Ströme 1.

Übersetzer: Bernhard KempenFrankfurt/Main 2017
Taschenbuch, 416 Seiten
14,99 Euro (E-Book: 12,99 Euro)
ISBN 978-3596299669
 

John Scalzi ist wahrscheinlich derzeit der am besten bezahlte SF-Schriftsteller. Im Mai 2015 hat er mit seinem Verlag, Tor Books, einen Vertrag über 13 Bücher, die er innerhalb von zehn Jahren schreiben muss, abgeschlossen. Dafür bekommt er 3,4 Millionen US-Dollar (knapp 2,9 Millionen Euro). Eines dieser Bücher ist »Kollaps«, der Auftakt zu einer neuen Serie.

»Kollaps« spielt irgendwann in ferner Zukunft, der Kontakt der Menschen zur Erde ist längst abgebrochen. Das System der Ströme, das überlichtschnelle Raumfahrt ermöglicht, droht zusammenzubrechen und damit das Heilige Imperium der Interdependenten Staaten zu zerstören. Die Interdependenz ist ein Staatenbund aus zahlreichen Weltraumhabitaten und (überwiegend) lebensfeindlichen Planeten, auf denen sich die Menschen in den Untergrund verzogen haben. Der Adel und die Gilden, die das Handelsmonopol haben, bestimmen, wo es langgeht. Vor diesem Hintergrund spinnt das mächtige Handelshaus der Nohamapetan eine Intrige, um nach dem Zusammenbruch die Macht an sich zu reißen. In diese Intrige werden der junger Physiker Marce, Kiva, die Tochter eines anderen Handelshauses, und die frisch gekrönte Herrscherin der Interdependenz, Cardenia alias Imperatox Grayland II., verwickelt.

Das Buch ist toll zu lesen, voller Action, ein Thriller, und mit 400 Seiten auch nicht allzu dick. Das Tempo ist hoch. Scalzi schreibt direkt, prägnant, humorvoll, einfallsreich und spannend bis zum Schluss. Da kommt keine Langeweile auf. Aber seine Figuren sind etwas blutleer, allein die ordinäre Lady Kiva hat Persönlichkeit und wirkt lebendig (wahrscheinlich, weil sie Dinge sagt und tut, die wir uns nicht trauen).

Kein Werk für die Ewigkeit

Was dem Buch fehlt, ist Tiefgang. Das ist kein Werk für die Ewigkeit. Die Geschichte ist zudem nicht besonders originell. Mächtige Adelshäuser, die sich gegenseitig bekriegen, Konkurrenten mit Hilfe von Attentätern aus dem Weg räumen oder entführen lassen, in unermesslichem Luxus leben, Aufstände anzetteln, rücksichtslos ihre Interessen über die des Rests der Welt stellen und auf jede Form von Anstand und Moral pfeifen – das gab’s schon bei den »Drei Musketieren« von Alexandre Dumas (erschien 1844) und ist auch in der Science-Fiction wiederholt geschrieben worden. Ich musste beim Lesen merkwürdigerweise immer an »Meran« von Dirk van den Boom denken, das nach einem ähnlichen Muster gestrickt ist. Auch dort geht es um höfische Intrigen, aber in »Meran« kommen immerhin Aliens vor.

Mein Resümee: »Kollaps« ist unterhaltsam, aber kein Werk für die Ewigkeit.

Ein Altar für Perry Rhodan

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Das Perryversum auf dem Altar(falz) von »E Vau«

Es ist ein ziemlich hoher Anspruch, mit dem die Macher für ihr neues Produkt werben: »In Deutschland gibt es über 600.000 Vereine. Das ist ihr Magazin«. Seit Juli ist Ausgabe 1 von »E Vau«, ein 90-seitiges Heft, für elf Euro im Zeitschriftenhandel erhältlich. Wahrscheinlich aber nicht überall.

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Das Cover von »E Vau«.

»E Vau« oder e. V. ist die Abkürzung für »eingetragener Verein«. Das Magazin hat aber selbst nichts, das man spontan mit einer Vereinszeitschrift verbinden würde. Es ist hochwertig ausgestattet, ein ganzes Team von Grafikern, Fotografen und Illustratoren (letztere werden im Unterschied zu den Schreibern am Anfang des Heftes in Kurzbiografien vorgestellt) hat seine sehenswerten Spuren hinterlassen, stolz werden auf einer Seite die verwendeten Papiere (Holmen TRND 80g/m3) und Schriftarten (Isidora von Enrique Hernández) aufgelistet, so wie bei »Craft«-Bieren die verwendete Hopfensorte genannt werden. Herausgegeben wird »E Vau« (Homepage) von der offensichtlich jungen und hippen Agentur pr+co aus Stuttgart (Homepage). Die produziert unter anderem Mitarbeiter- und Kundenzeitschriften für die Allianz, Kärcher, hansgrohe und viele andere. Continue reading „Ein Altar für Perry Rhodan“

Prickelnde SF aus Kroatien

ziljak01Aleksandar Žiljak: Welche Farbe hat der Wind? Begedia-Verlag, Mülheim an der Ruhr, 2017. 160 S., 14,90 Euro. ISBN 978-3957770950.

Aleksandar Žiljak aus Zagreb ist der deutschen Science-Fiction-Szene in den vergangenen Jahren bereits durch einige seiner im »Nova«-Magazin veröffentlichten Kurzgeschichten aufgefallen. Eine überbordende, fast barocke Phantasie, eine poetische Sprache, Humor und ein ordentlicher Schuss Erotik zeichneten diese Storys aus.

Im Juni war Žiljak Ehrengast auf dem Eurocon in Dortmund, dem Treffen des europäischen Science-Fiction-Fans. Die Besucher hatten Gelegenheit, mit ihm in Kontakt und ins Gespräch zu kommen. Zu diesem Ereignis hatte Verleger Harald Giersche (Begedia-Verlag) frisch aus der Druckerei eine Anthologie mit sieben Kurzgeschichten des Autors aus Kroatien mitgebracht. In »Welche Farbe hat der Wind?« sind neben den drei »Nova«-Storys vier weitere enthalten (alle übersetzt von Tommi Brem und von »Nova«-Mitherausgeber Michael K. Iwoleit, dem diesjährigen Sieger des Deutschen Science-Fiction-Preises in der Kategorie »Kurzgeschichte«). Das stimmungsvolle Titelbild stammt von Christian Günther. Continue reading „Prickelnde SF aus Kroatien“