Als Verfasser literarischer Texte kommt man schnell an den Punkt, an dem man seinen Figuren Namen geben muss. Das ist fast wie bei der Geburt eines Kindes. Den Namen wird die Figur ebenso wie das Kind ein Leben lang mit sich tragen, also übernimmt man als Autor jede Menge Verantwortung. Manche werden dieser Verantwortung gerecht, andere scheitern.
Wie im richtigen Leben gibt es bei der Namensgebung für eine literarische Figur keine verbindlichen oder einfachen Regeln. Ob jemand sein Kind Charlotte oder Chantal nennt, ist Geschmackssache und muss jeder selbst wissen. Die Entscheidung fällt allerdings im richtigen Leben nicht im luftleeren Raum, sondern ist von vielen Einflüssen abhängig. Es kann keinem Schriftsteller schaden, solche Regeln zu kennen (und sie gegebenenfalls zu ignorieren). Eine falsche Namenswahl kann einer Geschichte Schaden zufügen.
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Teil 2: Familiennamen
Familiennamen wurden in Deutschland zu ganz unterschiedlichen Zeiten eingeführt. Ein einheitliches Namensrecht und die standesamtliche Eintragung des Namens gibt es erst seit 1875.
Schmidt und Müller deuten an, wie viele Familiennamen entstanden sind: aus Berufsbezeichnungen. Um zwei Personen gleichen (Vor-)Namens zu unterscheiden, wurde einfach ihr Beruf angehängt. Dann hieß der eine Hans im Dorf Hans, der Schmied, und der andere war Hans, der Müller. Als verbindliche Familiennamen eingeführt wurden, wurden diese Bezeichnungen übernommen.
Auch die Herkunft eines Menschen bzw. seiner Vorfahren kann sich im Namen widerspiegeln. Wenn einer mit Nachnamen Bremer oder Franke heißt, ist das noch immer offensichtlich. Auch Vornamen können zu Nachnamen werden (Werner gehört zu den 30 häufigsten deutschen Nachnamen).
Keine Angst vor merkwürdigen Namen
Gerne wurden zur Unterscheidung auffällige Eigenschaften einer Person verwendet. Deshalb heißen Leute heute Schwarz oder Hinkebein. Wo sich die Bevölkerung gegen die von der Obrigkeit verordneten Einführung von Familiennamen widersetzte, wurden auch Scherznamen verwendet. Auf einem Friedhof in Emden in Ostfriesland gibt es ein Grab der Familie Schweinebraten, und am Klinikum der Uni München heißt ein Tropenmediziner Hans-Dieter Nothdurft. Man muss als Autor keine Angst vor merkwürdigen Namen für seine Figuren haben.
Familiennamen sind zum Teil über Jahrhunderte gewachsen, und das kann für eine Geschichte durchaus eine Rolle spielen. Wenn etwa eine alteingesessene Familie vorkommt, sollte sie auch einen Namen haben, der alteingesessen sein könnte. Manche heute einheimisch erscheinende Namen sind allerdings eingewandert, etwa der als typisch fürs Ruhrgebiet verstandene Kowalski, dessen Vorfahren vermutlich erst vor 100 Jahren aus Polen nach Dortmund gekommen sind.
Menschen waren schon immer mobil, wenn auch nicht so ausgeprägt wie heute. Mit ihnen wandern ihre Namen. Es gibt dennoch regionale Schwergewichte, Namen, die in einer Gegend besonders häufig sind. Es steigert bei jedem Regionalkrimi die Glaubwürdigkeit, wenn einheimische Familiennamen in einen angemessenen Anteil vorkommen. Wenn in einem Roman, der in Wales spielt, niemand Jones heißt, wäre das merkwürdig.
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