Vor 100 Jahren erschien die Story »Invaders from Outside« von Joseph Schlossel
Die Titelillustration von Andrew Brosnatch greift ein Motiv aus der Story auf.
Vor einhundert Jahren haben zum ersten Mal Extrasolarier das Sonnensystem besucht, und das nicht mit guten Absichten. »Invaders from Outside« von Joseph Schlossel erschien 1925 als Coverstory in der Januar-Ausgabe des Pulp-Magazins Weird Tales. Vorher gab es nur Besucher von einem der solaren Planeten, vorzugsweise vom Mars, zum Beispiel in »Auf zwei Planeten« von Kurd Laßwitz (1897) oder »War of the Worlds« von H. G. Wells (1898).
Joseph Schlossel wurde 1902 in New York oder Toronto geboren und wuchs in Kanada auf, bevor er als 19-Jährige in die USA kam. Er war wie sein Vater von Beruf Schneider. In den 1930er Jahren wechselte er in die metallverarbeitende Industrie. Er veröffentlichte zwischen 1925 und 1931 nur sechs phantastische Kurzgeschichten, bevor er das Schreiben offenbar aufgab. Schlossel starb 1977. »Invaders from Outside« war sein erstes veröffentlichtes Werk.
Darin breitet Schlossel auf wenigen Seiten ein Panorama der Millionen von Jahren zurückliegenden Geschichte der Twelve Confedarate Worlds im Sonnensystem aus. Diese zwölf konföderierten Welten sind der irdische Mond, der Mars, vier Jupiter- und fünf Saturnmonde sowie ein namenloser Planet No. 5, der seine Bahn dort zog, wo heute der Asteroidengürtel liegt (Astronomen des 19. Jahrhunderts gaben diesem hypothetischen Planeten den Namen Phaeton. Es hat ihn aber nie gegeben). Die Erde ist eine unwirtliche Urwelt, auf der nur »nameless four-legged things« ihr klägliches Dasein fristen. Die konföderierten Welten leben seit Ewigkeiten in Frieden, treiben miteinander Handel und sind technisch hoch entwickelt. Sie fliegen mit Raumschiffen durchs Sonnensystem und beherrschen die verzögerungsfreie drahtlose Übertragung von Feststoffen über lange Distanzen.
»Invaders from Outside« von Joseph Schlossel war im Januar 1925 Coverstory des Pulp-Magazins Weird Tales. Das Bild ist von Andrew Brosnatch.
Eines Tages wird von einem Observatorium auf dem Saturnmond Japetus ein dunkler, mondgroßer Himmelskörper entdeckt, der von außerhalb der Milchstraße 1 zu kommen scheint und sich in einem merkwürdigen Zickzack-Kurs mit einem Zehntel der Lichtgeschwindigkeit dem Sonnensystem nähert. Irgendwann wird die Dunkelwelt langsamer und schwenkt in einen Orbit um den Neptun ein. Aus dem Untergrund dieser Welt, die von rechteckigen Strukturen und riesigen Pyramiden bedeckt ist, tauchen nun massenweise »seltsame Kreaturen« auf, die aufrecht auf »nur zwei Beinen« laufen. Die Konföderierten schicken zur Begrüßung eine Delegation auf den neuen Neptun-Mond. Kaum haben die Abgesandten aber ihr Raumschiff verlassen, werden sie umgebracht. Die Zwölf Welten glauben irgendwie an ein Missverständnis und verlegen sich aufs Beobachten.
Drei Jahre danach beginnt die Invasion. In Hunderten von große Würfeln, die von den Pyramiden ausgestoßen werden, werden Tausende Aliens auf die Uranusmonde versetzt. Sie vermehren sich ungebremst und errichten dort ebenfalls Pyramiden, die Würfel ausstoßen. Als nächstes werden die fünf Monde des Saturns angegriffen. Aber auf Japetus und Titan kommt die Invasion vorerst zum Stillstand.
Jetzt werden die Konföderierten aktiv. In alten Archiven auf dem Mars, ihrer Hauptwelt, entdecken sie die Baupläne todbringender Strahlenwaffen, die ihre blutrünstigen Vorfahrern einst benutzten, und beginnen mit der Produktion. Dadurch können sie den Eindringlingen etwas entgegensetzen. Nach verlustreichen Kämpfen, in denen die Bevölkerung fast aller Welten dezimiert oder gar vernichtet wird, werden die Aliens auf Planet No. 5 isoliert und machen ihn zu ihrer letzten Bastion. Bei dem Versuch, den Planeten mittels ihrer fortschrittlichen Antriebstechnik zur Flucht aus dem Sonnensystem zu benutzen, bricht er auseinander. Ein Trümmerstück zerstört die lunare Zivilisation. Auch der Mars und die anderen Welten der Konföderation sind nicht mehr bewohnbar.
Die Überlebenden der Zwölf Konföderierten Welten gelangen zur Erde, dem am wenigsten beschädigten Planeten, und beginnen dort in einer fremden Umgebung von neuem, die Zivilisation aufzubauen, die von den Eindringlingen von außen zerstört worden war.
Schlossels »Invaders from Outside« ist die Art von Geschichten, die bis Mitte der 1930er Jahre die SF prägten und bis heute erzählt werden: Die Story bietet Raumschiffe, Strahlengewehre, Aliens, einen steuerbaren Planeten und einen interstellaren Konflikt. Schlossel wird deshalb zu den Vätern der Space Opera gezählt2. Dennoch ist er im Unterschied zu Autoren wie Edmond Hamilton oder E. E. Smith, die die Space Opera groß gemacht haben, fast vergessen. Das liegt nicht allein daran, dass er nur eine Handvoll Kurzgeschichten veröffentlicht hat, sondern in erster Linie, weil er »crude and amateurish« schrieb. Das Werk liest sich wie ein (gutes) Roman-Exposé. In der Story wird keine spannende, lebhafte Geschichte erzählt, es gibt keine handelnden Figuren und keine Dialoge. Der allwissende Erzähler ist ein körperloser, wandernder Standpunkt, der sich frei zwischen den Ereignissen bewegt, und einen von jeder Handlung losgelösten trockenen kosmischen Überblick längst vergangener Zeiten gibt. Daraus hätte man mehr machen können.
Fußnoten
1 Erst im Jahr 1923 wurde von Edwin Hubble für den Andromedanebel nachgewiesen, dass es Objekte weit außerhalb der Milchstraße gibt und das Universum viel größer ist als bisher angenommen. Wahrscheinlich war Schlossel der erste, der diese bahnbrechende kosmologische Entdeckung literarisch verarbeitete.
2 Everett Franklin Bleiler: Science-fiction, the Early Years. Kent 1990, p. 654; Mike Ashley: The Time Machines. Liverpool 2000, p. 43, 60-61. Der Begriff »space opera« wurde 1941 von Wilson Tucker in seinem Fanzine Le Zombie geprägt und von ihm als »hacky, grinding, stinking, outworn, spaceship yarn« bezeichnet.
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Dies ist ein Text, den ich zum 40. Todestag des Schriftstellers und Chefautors der PERRY RHODAN-Serie, William Voltz, geschrieben habe. Er erschien zuerst im Mai 2024 in der Ausgabe 122 des SF-Fanzines Paradise des Terranischen Clubs Eden. Er wurde von mir leicht überarbeitet.
Viele ältere Leser der seit 1961 ununterbrochen laufenden Science-Fiction-Heftromanserie PERRY RHODAN schwärmen von William Voltz (1938-1984). Der gebürtige Offenbacher stieg 1963 in die Serie ein, die mit der ersten Mondlandung von Perry Rhodan im Jahr 1971 begann. Er verfasste Hunderte von Heftromanen. Ab 1974 sorgte er als Chefautor für eine inhaltliche Neuausrichtung der Serie hin zu mehr Komplexität und einem kosmologischen Überbau, der bis heute wirkt. Er starb 1984 an Krebs.
Band 1000 wird von Leserinnen und Lesern immer wieder als Meilenstein der Serie genannt. »Der Terraner« von William Voltz erschien im Oktober 1980 mit besonderer Jubiläumsausstattung, unter anderem einem umlaufenden Titelbild von Johnny Bruck und einem Risszeichnungsposter des Fernraumschiffs SOL von Bernhard Stoessel. Der Roman besteht aus drei Teilen mit insgesamt zehn Kapiteln. Der erste Teil spielt lange vor der Seriengegenwart und handelt von der Suche nach zwei ausgewählten Zellaktivatorträgern, dann folgt ein enzyklopädischer Mittelteil mit einem Überblick der geschichtlichen Entwicklung seit der ersten Mondlandung, und schließlich endet der Roman in der Seriengegenwart im Jahr 3588 v Chr. bzw. im Jahr 1 NGZ, in der Perry Rhodan von ES den Auftrag bekommt, die Kosmische Hanse zu gründen.
Das Cover
Werfen wir zuerst einen Blick auf das ikonische Titelbild von Johnny Bruck. Das Bild kennt wahrscheinlich jeder PR-Fan: Auf einem anscheinend atmosphärenlosen Himmelskörper pflanzt ein Raumfahrer in einem blauen Raumanzug, vermutlich der titelgebende Terraner (= Perry Rhodan), eine Flagge auf, die durch rot-weiße Streifen und Sterne auf blauem Grund an den Star-Spangled Banner der USA erinnert. Im Hintergrund ist ein aufrecht stehendes schlankes Raumschiff zu sehen, das man für Perry Rhodans Mondrakete »Stardust« halten könnte.
Eine Hommage an die erste Mondlandung im Perryversum? Vielleicht, aber in Heft 1 hat niemand eine Flagge auch nur erwähnt, und die offizielle »Stardust« sieht anders aus. Das Motiv hat Bruck aus einer Ausgabe der in Indianapolis erscheinenden Saturday Evening Post von 1959 abgekupfert, in der Paul Lehr eine Story von Frank Harvey mit dem Titel »The Deadly Dust« illustrierte, und 1960 bereits für den Terra-Roman 141 »Menschheit im Aufbruch« von Lan Wright verwendet.
Das Aufstellen einer Flagge ist eine imperiale Geste. Damit machen Entdecker und Eroberer seit dem Mittelalter sichtbar, dass sie das Territorium in Besitz nehmen. Die Praktik wurde von Christoph Kolumbus in seinem »Bordbuch« überliefert. Über seine Ankunft in der Neuen Welt am 12. Oktober 1492 schrieb er unter anderem: »Dort entfaltete ich die königliche Flagge, während die beiden Schiffskapitäne zwei Fahnen mit einem grünen Kreuz im Felde schwangen, das an Bord aller Schiffe geführt wurde und welches rechts und links von den je mit einer Krone verzierten Buchstaben F und Y umgeben war.« Diese symbolische Handlung ist bis in die Gegenwart wirkungsmächtig; man denke nur an das berühmte Foto »Raising the Flag on Iwo Jima« des US-amerikanischen Kriegsfotografen Joe Rosenthal vom 23. Februar 1945, das das Hissen einer US-Flagge durch sechs Soldaten auf der japanischen Pazifikinsel Iwojima zeigt. Die USA sah sich deshalb 1969 sogar veranlasst, vor der ersten Mondlandung ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass das Aufstellen der amerikanischen Flagge neben der Landefähre »Eagle« nicht als Akt der Inbesitznahme zu verstehen sei, sondern als »Geste des nationalen Stolzes«.
Dreht man das Heft um, fällt einem eine urzeitliche nächtliche Landschaft vor einem kosmischen Hintergrund ins Auge, in der ein Vulkan Magma auswirft, ein Dino wie das Ungeheuer von Loch Ness aus einer Wasserfläche ragt, und sich zwei Affenmenschen, der eine wie der Klischee-Neaderthaler mit einer Keule bewaffnet, dem Astronauten nähern. Das spielt selbstverständlich auf das geradezu ikonische Bild von der Evolution des Menschen an, auf dem fünf oder sechs hintereinander laufenden Gestalten die Entwicklung vom Australopithecus zum Homo sapiens symbolisieren.
Der Roman
Graffiti
Vor jedem der zehn Kapitel steht ein mit »Graffiti« überschriebenes skizzenhaftes Kurzporträt eines »normalen« Menschen. Das erste stellt uns Taou Sun Heng vor, der vor vier Tagen das letzte Mal etwas zu essen hatte. Er ist auf der Flucht vor Soldaten, nachdem sein Dorf überfallen und seine Familie getötet wurde. Ein anderes Graffito handelt von dem drogenabhängigen Jod Kellar, und schließlich stoßen wir auf Perry Rhodan, der »davon überzeugt [ist], dass der Mensch sich als Teil eines wunderbaren Universums begreifen und voller Harmonie darin leben kann«. Jedes Graffito schließt mit dem Namen und der den Romantitel aufgreifenden Formel »… ist ein Terraner«. Nur bei Perry heißt es »… ist der Terraner«.
Was auffällt: Es sind keine Frauen darunter, keine Kinder und keine Alten, nur Männer im mittleren Alter. Es gibt auch keine positiven Beispiele, alle Porträtierten – außer Rhodan – haben erhebliche Probleme oder sind Unsympathen. Als 2012 der Silberband 119 erschien, in dem »Der Terraner« enthalten ist, schrieb Chefredakteur Klaus N. Frick über die Graffiti, sie seien »eine klare Verankerung im damaligen ›Hier und Jetzt‹« und griffen »aktuelle Probleme« auf. Der Roman endet mit einem Zitat aus der fiktiven Encyclopaedia Terrania: »Graffiti – in die Mauer eingeritzte Inschriften. Nach Meinung vieler Soziologen die kürzeste Form, in der sich der Zustand einer Zivilisation artikuliert.« Wenn das zutrifft, muss es nach Voltz‘ Ansicht um den Zustand der Zivilisation um 1980 sehr schlecht bestellt gewesen sein.
In der Vergangenheit
Der Sorgore Carfesch sucht die Superintelligenz ES zu einem unbestimmten Zeitpunkt in weit zurückliegender Vergangenheit auf. Im Auftrag des Kosmokraten Tyrik soll er zwei zuvor an ES geschickte lebensverlängernde Zellaktivatoren auf zwei spezielle Träger abstimmen. Sie sollen helfen, ES’ Mächtigkeitsballung zu erhalten und zu stabilisieren. Der Kosmokrat weiß zwar, dass die künftigen Träger ungewöhnliche Fähigkeiten haben, aber nicht, wer diese zwei potenziellen Ritter der Tiefe sind und wo und wann sie leben. Über einen sehr langen Zeitraum ist die von ES initiierte Suche nach ihnen erfolglos, bis der Gargamane Charruta einen der zwei Kandidaten entdeckt. Es ist der Arkonide Atlan, der gerade mitten im Krieg mit den Maahks steckt. Ein Robotschiff händigt Atlan den auf ihn abgestimmten Aktivator sowie die Konstruktionsunterlagen für eine Waffe, die Konverterkanone, aus, die helfen soll, den Methankrieg zu beenden. Der Roboter überbringt zudem die Botschaft von ES, er erhalte mit dem ZA »die Gelegenheit, in seinem Sinn zu handeln«.
Es vergehen weitere zehntausend Jahre, bis der zweite Träger gefunden wird. Es ist der erst neunjährige Perry Rhodan. Weil ein Kind als ZA-Träger sinnlos ist, holt ES den Jungen für einen Augenblick zu sich, um ihn »durch das Fenster zum Kosmos blicken [zu] lassen und dafür [zu] sorgen, dass das Feuer niemals in ihm erlischt«, und nimmt ihm anschließend die Erinnerung daran.
Diese Geschichte passt nicht zur Überlieferung in der Serie und widerspricht ihr zum Teil sogar. Danach löste Perry Rhodan nämlich Anfang 1976 das Galaktische Rätsel und begegnete ES auf Wanderer (#19). Voltz nimmt darauf im mittleren Teil des Romans selbst Bezug und schreibt: »Versehen mit der lebensverlängernden Zelldusche, die sie von ES erhielten, konnten Rhodan und seine Mitarbeiter den Kampf gegen die verschiedensten Gefahren aufnehmen, die der Erde nun drohten.« Einen Zellaktivator erhält Perry erst im Jahr 2103 unter merkwürdigen Umständen, bei denen ES eine sadistische Ader zeigt. In Band 112 »Der Mann mit den zwei Gesichtern« wird von Kurt Brand geschildert, dass Perrys Sohn Thomas Cardif in dessen Rolle schlüpft und von ES einen Zellaktivator für sich verlangt und erhält, der unmittelbar vor der Übergabe von dem Geisteswesen im Physiotron auf Perry geprägt wird. Woher ES, der Cardif durchschaut, den Aktivator hat, wird nicht gesagt. Unter dem Einfluss dieses speziellen Aktivators setzt bei Cardif ein unnatürliches Zellwachstum ein. Als Cardif und Perry sich begegnen, wechselt der ZA, der an Cardif festgewachsen ist, »in die Hände seines rechtmäßigen Besitzers«, schreibt Voltz. Dabei findet Perrys Sohn den Tod.
Warum bekommt Perry seinen ZA, den ES seit Jahrmillionen für ihn aufbewahrt, nicht bereits bei der ersten Begegnung auf Wanderer, sondern erst knapp 130 Jahre später und über den Umweg Thomas Cardif? Die ehrliche Antwort ist natürlich, dass der ZA erst mit Atlan in Band 50 in die Serie eingeführt wurde, für Band 19 also noch nicht zur Verfügung stand.
Voltz rettet sich über diese Ungereimtheit hinweg, indem er ES nach der Begegnung mit dem Kind das galaktische Rätsel im Wegasystem als eine Prüfung für Perrys Tauglichkeit vorbereiten und beschließen lässt, Perry die Unsterblichkeit ohnehin »nur behutsam« zu verleihen. Bei Atlan hatte ES diese Vorbehalte nicht. Dem wurde der ZA quasi durch einen Paketboten zugestellt.
Hier überschreibt WiVo die Serien-Überlieferung mit einer eigenen Version, die besser in sein Konzept passt.
Historie
Im anschließenden sechsten Kapitel fasst WiVo die Geschichte des Perryversums von der ersten Mondlandung bis zur Handlungsgegenwart Zyklus für Zyklus zusammen und verleiht ihr damit Kontinuität. Dabei macht der Autor darauf aufmerksam, dass »die Menschheit immer tiefer in den Strudel kosmischer Ereignisse« gerät und Rhodan »unbeirrt« daran arbeitet, »die Menschheit früher oder später in eine kosmische Ordnung integrieren zu können«. Er habe aufgehört, »die Serie dramatischer Ereignisse in all den Jahren nach seiner erfolgreichen Mondlandung als isolierte Vorgänge anzusehen«. Schon im Untertitel des Romans ist von der »Bestimmung der Menschheit“ die Rede. Im Kontext mit der zuvor erzählten Geschichte wird hier ein deterministisches Weltbild, in dem alles auf eine unvermeidliche Zukunft hinauszulaufen scheint, sichtbar, das die PERRY RHODAN-Serie immer stärker prägen wird.
Voltz erzeugt durch seine Darstellung aber auch die Illusion, dass die Entwicklung der Serie selbst von Anfang an vorherbestimmt war. Eine starke Leistung.
In der Gegenwart
Wir sind jetzt im Jahr 3588. Perry Rhodan hängt in einer Bar ab. Er ist frustriert: »Warum meldete ES sich nicht? Warum schwiegen die Kosmokraten?« Kaum gedacht, wird er von zwei Robotern abgeholt und zu Carfesch gebracht, dessen Bewusstsein ES in sich aufgenommen hatte. Der Sorgore überbringt eine Einladung der Superintelligenz. Mit Hilfe von Laires Auge, einem technischer Wunder-Gimmick, gelangt Rhodan zu ES’ Heimstatt Eden II. Er ist begierig zu erfahren, »was ich zu tun habe«.
ES eröffnet ihm, dass die Menschheit eine Aufgabe habe. Unmissverständlich wird ihm befohlen: »Sobald du zurückgekehrt bist, wirst du ein Unternehmen in Angriff nehmen, wie es bisher noch niemals durchgeführt wurde.« Die Kosmische Hanse soll, getarnt als Handelsorganisation, ES in einer Auseinandersetzung mit der Superintelligenz Seth-Apophis unterstützen. Diese drohe zu degenerieren und versuche mit allen Mitteln, sich dagegen zu wehren. Dadurch sei ES selbst in seiner Existenz bedroht. Mit Gründung der Hanse soll zudem ein neuer Kalender eingeführt werden.
Anschließend gibt es kosmologischen Nachhilfeunterricht für Perry. ES erklärt ihm das Zwiebelschalenmodell von der Entwicklung des Lebens im Universum vom Urzustand bis zu den Superintelligenzen und Kosmokraten. Rhodan erfährt, dass das Universum ein »Ort einer immerwährenden unvorstellbaren Auseinandersetzung« ist, was Materiequellen und Materiesenken sind, und dass die Menschheit die Chance, aber nur 20.000 Jahre Zeit hat, zu einer Superintelligenz zu werden.
Mit Carfesch im Schlepptau kehrt Rhodan nach Terrania zurück und verkündet seinen verblüfften Freunden Reginald Bull und Julian Tifflor, dem amtierenden Ersten Terraner, ohne weitere Erklärung: »Von nun an gilt eine neue Zeitrechnung […] In diesem Augenblick beginnt das Jahr eins der Kosmischen Hanse.«
Das ist schon ziemlich starker Tobak. Wie ein Despot zwingt Rhodan, der nicht einmal ein öffentliches Amt in der zwei Jahre zuvor gegründeten Liga Freier Terraner hat, der Menschheit eine neue kulturelle Ordnung auf, die offenbar von niemandem infrage gestellt wird. Das kommt einem Putsch gleich.
Ob Voltz und die Leser das genauso gesehen haben, wage ich zu bezweifeln.
Fazit
Die Geschichte um Carfesch und die Suche nach den besonderen Aktivatorträgern ist cool. Der Sorgore hat Charakter und eine positive Ausstrahlung. Eine gelungene Figur. Was die Suche selbst angeht, die in zwei Geschichten erzählt wird, stört ein wenig, dass sie schon Jahrmillionen dauert, die Superintelligenz dann aber so ungeduldig ist, dass sie nicht einmal die paar Jahre abwarten kann, bis Perry alt genug für den Zellaktivator ist. Diese plötzliche hektische Eile bei schon Äonen andauernden Prozessen ist ein Phänomen, das mir in der Serie immer wieder aufgefallen ist. Sie ist der Dramaturgie geschuldet, damit Perry eingreifen kann.
Der handlungslose Mittelteil mit dem kompakten historischen Rückblick war mir zu lang, aber ich verstehe die Absicht dahinter, alles in einen Zusammenhang zu bringen. Er macht den Roman zudem zu einem idealen Band für Einsteiger.
Der dritte Teil auf Eden II bringt die Zerrissenheit Perrys gut rüber und setzt mit der Einführung des Zwiebelschalenmodells den Rahmen für den Fortgang der Serie. »Der Terraner« ist ein programmatischer Roman.
Willi Voltz verpasst der Serie allerdings auch eine Art quasireligiösen Hintergrund. Da gibt es Wesen, die die Geschicke des Universums lenken, und es werden zwei Ausgewählte gesucht, die helfen sollen, eine elementare Bedrohung zu beseitigen.
In Würdigung des Voltz’schen Werks wird gerne auf seine »zutiefst humanistische Einstellung«vii, die vor allem in den Nebencharakteren zum Ausdruck kommt, verwiesen. In »Der Terraner« wird der Menschheit jedoch das Recht auf eigenständige, unabhängige Entwicklung genommen, denn sie hat im Auftrag höherer Mächte eine Aufgabe zu erfüllen und wird nicht gefragt, ob sie das möchte. Sie ist im Grunde zu einem rechtlosen Hilfsvolk der Superintelligenz mit Rhodan an der Spitze geworden. Dabei macht sich Perry selbst zum Befehlsempfänger und Erfüllungsgehilfe von ES, denn er fragt nicht, was er tun kann, sondern was er zu tun hat.
Das kommt auch in der Einführung des Neuen Galaktischen Zeitrechnung (NGZ) – die in diesem Roman noch gar nicht so heißt – zum Ausdruck. Die NGZ ist eine stetige Erinnerung an die Aufgabe, die ES der Menschheit erteilt hat. Tifflor wirft Rhodan, der sich das nicht ausgedacht hat, in einer spontanen Reaktion einen »gregorianischen Komplex« vor. Das weist auf die Reform unter Papst Gregor im Jahr 1582 hin, der wir unseren heutigen Kalender verdanken. Damals wurden aber nur die Probleme mit dem geltenden julianischen Kalender beseitigt, wobei es vor allem um den Frühlingsanfang und des davon abhängigen Termins des Osterfestes (erster Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond) ging. Der Perrypedia ist zu entnehmen, dass der gregorianische Kalender mit seiner Schaltjahresregelung weiter gilt. Es wurde nur der Name geändert, und die Zählung wurde zurückgesetzt. Welche Probleme das für alle Galaktiker, die nicht auf Terra wohnen, haben könnte, hat Rainer Castor in einem »Kommentar« in Band 2620 angedeutet.
Nach »Der Terraner« geschieht im Perryversum nichts mehr einfach so. Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Das ist das Voltz’sche Vermächtnis.
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Vor 100 Jahren herrschte Optimismus bei den Raketenpionieren. Einer von ihnen war Otto Willi Gail.
Otto Willi Gail Mit Raketenkraft ins Weltenall – Vom Feuerwagen zum Raumschiff Stuttgart 1928
Mit dem Buch »Mit Raketenkraft ins Weltenall – Vom Feuerwagen zum Raumschiff« als Lektüre habe ich eine wissenschaftliche Reise in eine Zeit unternommen, als Raumfahrt noch ein Traum und vieles, was uns heute an Technik und Wissen selbstverständlich ist, unbekannt war. Das Sachbuch erschien 1928, Autor war Otto Willi Gail. Der Physiker und Journalist, Jahrgang 1896, hatte drei Jahre zuvor den Roman »Der Schuß ins All« veröffentlicht, in dem das erste Mal Raumfahrt realistisch beschrieben wurde.
Das war kein Zufall. Gail hatte Kontakt zu den deutschen Raketenpionieren Hermann Oberth und Max Valier, der wie Gail in München lebte. Die Männer waren befreundet und gehörten zum Verein für Raumschiffahrt, der maßgeblich an der Entwicklung von Raketentechnik beteiligt war und die Idee des Weltraumflugs populär machte. Gails Buch war ein Beitrag dazu.
Es erläutert auf hundert Seiten die physikalischen und technischen Grundlagen der Raumfahrt und gibt Einblick in den Entwicklungsstand der Raketentechnik. Ausführlich werden unter anderem die Versuche mit dem raketenbetriebenen Rennwagen behandelt, die Max Valier in jener Zeit zusammen mit dem Rüsselsheimer Autobauer Fritz von Opel machte. Valier starb 1930 durch eine Explosion bei einem Triebwerkstest und gilt deshalb als erstes Todesopfer der Raumfahrtgeschichte.
Theoretische Grundlagen waren bekannt
Was aus heutiger Sicht an dem Buch fasziniert ist zum einen der Enthusiasmus und die Zuversicht, die es ausstrahlt. Gail und seine Raketenfreunde waren offenbar überzeugt, dass es nur noch wenig Jahre dauern würde, bis der erste Mensch zum Mond fliegt. Dass es passieren würde, stand für sie außer Zweifel. Es war nur eine Frage der Zeit. Dabei unterschätzten sie allerdings nicht nur die technischen Herausforderungen, sondern auch die Kosten.
Der Optimismus lag vor allem darin begründet, dass Mitte der 1920er Jahre alle theoretischen Grundlagen bekannt waren. Die hatte unter anderem der Physiker Hermann Oberth 1923 mit seinem wegweisenden Buch »Die Rakete zu den Planetenräumen« gelegt. Er entwickelte das Konzept der Stufenrakete, setzte auf flüssigen Treibstoff und entwarf Raumstationen als Zwischenstation auf dem Weg zu anderen Welten. Walter Hohmann legte 1925 mit dem Buch »Die Erreichbarkeit der Himmelskörper« die mathematischen Grundlagen für die Flugbahnberechnung. Nach ihm ist die Hohmann-Transfer benannt, der Kurs, den ein Raumschiff nehmen muss, um mit möglichst wenig Energieaufwand von einer Kreisbahn in eine andere zu wechseln.
Andererseits fehlten den Raketenpionieren einiges an Kenntnissen, die heute in der Raumfahrt unerlässlich sind. Man wusste damals zum Beispiel nicht, ob sich Funkwellen im Weltraum genauso ausbreiten wie auf der Erde. Deshalb setzten Oberth und andere für die Kommunikation auf Licht. Signale aus dem Weltraum sollten mit großen Spiegeln zur Erde geschickt werden. Ebenso wenig wurden Fernlenkung oder Automation in Betracht gezogen. Den Raketenstart, so die Vorstellung von Gail, muss die Besatzung »im Führerraum unseres Weltraumkreuzers« einleiten: »Im gleichen Augenblick zuckt die Hand des Führers nach dem Anlasser … Der Hebel fliegt herum. Ein gewaltiger Ruck läßt das Schiff erbeben, die Knallgasfüllung hat sich entflammt und die Düse der Rakete speit donnernd kosmische Gewalten dem versinkenden Festland zu.« (S. 88)
Die Raketenpioniere waren sich der gesundheitlicher Gefahren gerade in der Startphase bewusst. Wegen der starken Beschleunigung sollten die Besatzungsmitglieder in Hängematten, die den Druck abfangen, liegen. Eine Beschleunigung von 40 Meter pro Sekundenquadrat (die vierfache Erdbeschleunigung) hielt Gail für »die Grenze … zwischen Leben und Tod« (S. 88). Um den Antrieb abzuschalten, müssen die Raumfahrer die »unerträglich[e]« Beschleunigungskraft überwinden: »Langsam hebt der Führer den Arm, mit übermenschlicher Anstrengung führt er ihn zum Gashebel, kämpft mühsam um jeden Zentimeter.« (S. 89) Schön dargestellt ist das im Stummfilm »Die Frau im Mond« von 1929 (bei YouTube), an dem Hermann Oberth als Berater mitwirkte. Tatsächlich sind heutige Astronauten und Kampfjetpiloten weitaus höheren Beschleunigungen ausgesetzt, ohne dauerhafte Schäden davonzutragen.
Nur mit fast übermenschlicher Anstrengung gelingt es den Raumfahrern im Stummfilm »Die Frau im Mond«, die Raketentriebwerke abzuschalten. Das Schaltpult ist allerdings auch ungünstig angebracht.
Wenn der Koch den Wein einschenken will
Als völlig unproblematisch für den Körper wurde die Schwerelosigkeit betrachtet. Gail machte sich nur Gedanken darüber, wie das Essen und Trinken funktioniert: »Will sich einer zum Beispiel ein Glas Wein eingießen, so nützt es gar nichts, wenn er die Flasche über das Glas neigt. Der Wein fließt nicht aus, man kann die Flasche kippen soviel man will.« (S. 93). In seinem Roman »Der Schuß ins All« lässt Gail sogar einen Koch mitfliegen, der die Besatzung versorgt. Allerdings schildert er darin nicht, wie dieser die Speisen in der Kombüse zubereitet.
Kein Thema ist bei Gail die kosmische Strahlung. Dabei wurde die sogenannte Höhenstrahlung bereits gut zehn Jahre zuvor vom Ballonfahrer Victor Franz Hess entdeckt. Unklar war zu jener Zeit, was die Ursache war. Dass sie aus dem Weltraum kommt, wurde erst in den 30er Jahren zweifelsfrei festgestellt. Womöglich hielten die Raketenpioniere die gesundheitsschädliche Höhenstrahlung für ein atmosphärisches Phänomen und verschwendeten daran keinen Gedanken.
Nicht ganz so durchdacht wie die Grundlagen des Raketenstarts waren die Überlegungen, wie die Rakete, das heißt deren Oberstufe, nach der gelungenen Mondumrundung auf die Erde zurückkommt. Klar war den Pionieren, dass das Raumschiff stark abgebremst werden muss und dabei hohe Reibungshitze entsteht. Gail verweist auf Hohmann. Dieser »denkt sich die Art der Landung auf der Erde in einer Serie von immer enger an den Erdball heranführenden Bahnellipsen unter vorsichtiger Ausnützung der Bremswirkung der Luft« (S. 81). Am Ende wird mittels Tragflächen in den Gleitflug übergangen. Das ist das Space-Shuttle-Prinzip.
Bremsen mit Blechscheiben
Gail selbst sieht den Wiedereinritt in die Erdatmosphäre so: »[A]us der nach rückwärts gerichteten Schiffsspitze [schiebt sich] ein Kabel ins Freie an dem in kleinen Abständen konisch nach hinten gebogene Blechscheiben, ähnlich den Quasten am Schwanze eines Papierdrachens, aufgereiht sind. Diese Scheiben stemmen sich gegen die Luft, erzeugen hinter dem Schiffe mächtige Wirbel und üben eine starke Bremswirkung aus.« (S. 79) Allerdings verglühen die Scheiben schnell durch die Reibungshitze und immer neue müssen nachgeschoben werden. Dadurch »bleibt das Schiff selbst von übermächtiger Überhitzung bewahrt« (S. 79). Wenn die Rakete weit genug abgebremst ist, kommt ein Fallschirm zum Einsatz. Valier hatte übrigens die Idee, bei Gefahr die »Beobachterkammer« von der Rakete zu trennen und am Fallschirm auf die Erde schweben zu lassen. Nach diesem Prinzip landen bis heute alle Raumkapseln.
Bei den Raketenpionieren war die Landung auf dem atmosphärenlosen Mond übrigens kein Thema. Gail schreibt: »Leicht wird die Landung auf dem Mond nicht sein, und vorerst denkt noch niemand daran.« (S. 81) Aber er war überzeugt, dass »kühne Raumpiloten« das eines Tages versuchen werden. Vier Jahrzehnte später, am 20. Juli 1969, wurde dieser Traum wahr. Die kühnen Raumpiloten waren Amerikaner und hießen Neil Amstrong und Edwin Aldrin.
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