Vor 34 Jahren kamen Science-Fiction-Fans zum ersten Mal zu diesem legendären Treffen in Köln zusammen. Es hat noch immer etwas von seiner ursprünglichen spätpubertären-anarchischen Art.
Meine Bedenken, die ich wegen des Coloniacons (28./29.5. in Köln) hatte, waren innerhalb von zehn Minuten wie weggeblasen. Klar, die vor 34 Jahren in Köln ins Leben gerufene Zusammenkunft hat in der Science-Fiction- und Phantastikszene einen legendären Ruf als »Familientreffen« , aber die Familie (mit kräftigem Männerüberschuss und Nachwuchsmangel) ist offenbar jederzeit bereit für Gäste. Die Befürchtung, ich treffe da als relativer Fandom-Neuling auf eine eingeschworene Gemeinschaft und stehe ratlos rum, weil ich niemanden kenne, war völlig unbegründet.
Hier sind wir genau richtig.
Nach meiner Ankunft im Haus des Kölner Jugendparks dauerte es keine zwei Minuten, bis ich auf den ersten Bekannten stieß, Axel Kruse. Den SF-Schriftsteller aus Essen hatte ich 2014 beim Schlosscon in Schwerin kennengelernt, als er mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis ausgezeichnet wurde, und seitdem laufen wir uns immer wieder mal über den Weg. Am Stand des Begedia-Verlags von Harald Giersch drückte er mir ein Exemplar seines neuen Buches »Geschichten eines Geistreisenden« in die Hand. Später lernte ich am selben Stand Uwe Post kennen, der mir gleich in höchsten Tönen zwei Begedia-Kurzgeschichtensammlungen anpries. Da hatte er mich als Kurzgeschichten-Fan gleich an der Angel. Er war mit seinem Schriftstellerkollegen und Freund Uwe Hermann nach Köln gekommen, den ich ein paar Minuten vorher das erste Mal persönlich getroffen hatte.
Damit nicht genug des name droppings. Kaum hatte ich mein Gepäck abgestellt (ich war direkt vom Bahnhof gekommen), nahm mich Herbert Keßel von der Perry-Rhodan-Fanzentrale in Beschlag. Er hat versucht, mich zur aktiven Mitarbeiter an der Mitgliederzeitschrift SOL zu bewegen. Ich überlege noch. Wenig später lief mir Perry-Rhodan-Autor Kai Hirdt über den Weg. Ihm hatte ich eine Überraschung versprochen, nachdem er vor einigen Wochen auf Facebook stolz eine Neuerwerbung präsentiert hatte, die grausige Bearbeitung des Columbus-Bordbuchs von Robert Grün. Ich hatte aus meiner umfangreichen Sammlung ein Exemplar einer deutschen Übersetzung des Bordbuchs des Amerika-Entdeckers für ihn mitgebracht (gibt’s auch online).
Kölsch, Kaffee und Spaß an der Theke
Bis dahin hatte ich es noch nicht einmal zum Dreh- und Angelpunkt des Cons, der Theke im Obergeschoss geschafft. Dort versorgte Mitorganisator Bernd Robker alias Robert Corvus die Gäste den ganzen Tag über mit Kaffee, Kölsch und nicht alkoholischen Kaltgetränken. Wer sich länger aufhielt, traf mit Sicherheit auf Achim Mehnert, einen der Con-Mitbegründer. Vor allem am Morgen des zweiten Con-Tags gab er so manche Anekdote aus der Anfangszeit zum Besten. Es hat tierisch Spaß gemacht.
Bevor die Chronologie ganz durcheinander gerät, erwähne ich, dass ich den legendären Mausbiber Gucky samt Begleitung, Gerhard Huber vom Perry-Rhodan-Stammtisch Mannheim, getroffen habe. Mit Gerhard hatte ich bereits auf dem 1. Perry-Rhodan-Tag vor einem Jahr in Osnabrück ein paar Worte gewechselt und ihn als Testleser für meine Kurzgeschichtensammlung »Zeit für die Schicht« gewonnen. Inzwischen ist das Buch erschienen, und ich hatte ein signiertes Exemplar für ihn mitgebracht.
So ging es den ganzen Tag weiter. Am Stand des Atlantis-Verlags hat mir Dirk van den Boom persönlich das Geld für eine Hardcover-Ausgabe seines Romans »Meran« abgeknöpft. Das Werk kam in diesem Jahr beim Deutschen Science-Fiction-Preis auf Platz 2. Ich habe mich mit den Perry-Rhodan-Jungautoren Dennis Mathiak und Ben Calvin Hary unterhalten. Bei dieser Gelegenheit habe ich für nicht so dicke Bücher, wie den von von Ben verfassten 100-seitigen Fan-Roman »Mein Freund Perry«, den Begriff »Kachel« geprägt, im Unterschied zum Roman-Ziegelstein.
So ein Con ist eine gute Gelegenheit, die Personen hinter den Geschichten kennenzulernen. Das zeichnet die Science-Fiction-Szene aus. In anderen Genres trifft man nicht so leicht gleich ein Dutzend Autoren oder mehr in einem Raum, mit denen man zwanglos klönen und Bier trinken kann. Man trifft selbstverständlich auch ganz normale Leute, falls man SF-Leser als normal bezeichnen kann.
Da war doch noch was…
War da nicht noch was? Ach ja, das Programm. Den ganzen Tag über gab es in drei Räumen parallel Lesungen, Panels zu den Heftromanserien Perry Rhodan, Maddrax, Ren Dhark und Prof. Zamorra und mehr. In Köln selbst kam es mir so vor, als hätte ich fast alles verpasst, aber rückblickend stelle ich fest, dass ich doch einiges mitbekommen habe.
Zum Beispiel die Lesung von Horus W. Odenthal. Ich hatte von ihm schon was gelesen (wie sich jetzt beim Nachschlagen des Titels herausstellte, war es aber nicht das, was ich meinte) und wollte seiner »Nindragon«-Saga eine Chance geben. Die Performance war in Ordnung, aber ich hab’s mal wieder gemerkt: Ich bin ein radikaler Rationalist, Fantasy ist nichts für mich. Es gilt weiter die Devise: nichts mit Schwert, außer es ist Ivanhoe. Die Lesung von Matthias Falke, die ich ebenfalls fest eingeplant hatte, habe ich verpasst. Tatsächlich ist mir beim Con etwas das Zeitgefühl abhanden gekommen.
Zu den Pflichtprogrammpunkten eines Cons gehören die Panels (zu Deutsch: Diskussionsrunden) zu bestimmten Themen, in Köln vor allem zu den fantastischen Heftromanserien. Die Fans unten im Saal hoffen, die eine oder andere Neuigkeit zu erfahren, wie die Serie weitergeht, während die Autoren, die oben nebeneinander auf der Bühne hocken, das Mikrofon rumreichen und im besten Fall ein paar Andeutungen machen.
In Köln habe ich mir die Perry-Rhodan-Runde geschenkt, aber bei Maddrax reingeschaut, obwohl oder gerade weil ich die Serie nicht lese. Nach allem was ich da von Michael Schönenbröcher, Oliver Fröhlich, Lucy Guth und Ben Calvin Hary gehört habe, werde ich nun vielleicht doch mal bei Band 500 einsteigen. Eine nette Geste für die Fans war, dass Exposéredakteur Schönenbröcher farbige Titelbild-Ausdrucke zum Signieren mitgebracht hatte. Das habe ich mir nicht entgehen lassen. Das Perry-Rhodan-Neo-Panel hat keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Gut gefallen hat mir der Vortrag von Lars Adler über »Science vs. Fiction«. Darin zeigte er,
- dass die gerade in SF-Filmen beliebten »mad scientist« wie Dr. Frankenstein tatsächlich eher Ingenieure als Wissenschaftler sind,
- wie der Weg der Wissenschaft vom Experiment über die Theorie bis zur Anwendung läuft und
- in welche Fallen einen unwissenschaftliches Denken führen kann.
Solche Vorträge sind das Salz in der Suppe eines Cons. Man schaut über den Tellerrand der nerdigen SF-Welt und kann immer etwas fürs Leben daraus lernen. Leider wird zu wenig davon geboten.
Einer Ehrung für Achim Mehnert
Super-Achim
Den Schlusspunkt unter anderthalb abwechslungsreiche, interessante und anstrengende Con-Tage setzten am Sonntag kurz vor Mittag die beiden Organisatoren Bernd Robker und Daniel von Euw mit einer Ehrung für Achim Mehnert. Zusammen mit Ralf Zimmermann, der krankheitsbedingt fehlte, hat er den Con gegründet und 21 Mal organisiert. Dafür hängte Bernd ihm einen roten Superhelden-Umhang um. Ich glaube, dass war ein würdiger und Coloniacon-typischer Abschluss. Denn irgendwie hat das Treffen noch immer etwas von dieser spätpubertären-anarchischen Art, mit der es offenbar vor 34 Jahren aus der Taufe gehoben wurde. Nur das wir keine 20 mehr sind, sondern alte Säcke mit grauen Haaren und einem Wintervorrat um die Hüften, der für die nächste Eiszeit reicht.
Es gäbe noch viel zu berichten, zum Beispiel über das beachtliche Conbuch oder das abendliche Grillen. Aber es muss auch mal Schluss sein. Bis zum Coloniacon 2018.