Unbekümmert durch den Krieg der Welten

palmaFélix J. Palma: Die Landkarte des Himmels. Verlag Kindler. ISBN: 978-3-463-40625-1, 896 Seiten, 24,95 Euro.

Science-Fiction aus Spanien: Die gibt es, und was für welche: Da ist erst einmal die sehr lebendige, bildhafte Sprache, die »Die Landkarte des Himmels« von Félix J. Palma über den Durchschnitt selbst der anspruchsvolleren Genre-Literatur hebt. Und dann der einfallsreiche Plot: Im Mittelpunkt der Handlung steht, neben einigen fiktiven Figuren, der Schriftsteller H. G. Wells – und das in dreifacher Ausführung. Dessen Roman »Der Krieg der Welten« wird Wirklichkeit, im Jahr 1898 fallen außerirdische Invasoren über die Erde her und radieren die Menschheit fast aus.
In großen Teilen ist »Die Landkarte des Himmels« eine spannende und gelungene Neuerzählung von Wells‘ Geschichte, ergänzt um einige Wendungen, die stark an Szenen aus der Verfilmung des Romans mit Tom Cruise aus dem Jahr 2005 erinnern. Die 70 Jahre vorher spielende Vorgeschichte bedient sich bei dem Film »Das Ding aus einer anderen Welt«, der eine oder andere SF-Klassiker wird auch noch zitiert, Zeitreisende tauchen auf, eine Prise Steampunk wird einstreut, und hinzu kommt eine zu Tränen rührende Liebesgeschichte. Das Ganze ist in zahlreiche miteinander verwobenen Rück- und Vorblenden verpackt, die vom Leser einiges an Konzentration erforden, weil man in dem Wälzer manche lose Erzählfäden schnell aus dem Auge verlieren kann.
Auch wenn der eine oder andere Anachronismus stört – die Unbekümmertheit, mit der sich Palma bei den literarischen Vorbildern bedient, macht Spaß.

(Ostfriesen-Zeitung, 25.07.2014)

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Skurrile Fälle und originelle Lösungen

tinyGert Prokop: Wer stiehlt schon Unterschenkel?/Der Samenbankraub. Das Neue Berlin. Je 7,99 Euro. ISBN 978-3-360-50044-1/ISBN 978-3-360-01230-2.

Es bereitet großes Vergnügen, die Timothy-Truckle-Geschichten von Gert Prokop zu lesen. Sie sind flott erzählt, witzig, geistreich und verblüffend. Mehr als 30 Jahre nach der Erstveröffentlichung in der DDR sind »Wer stiehlt schon Unterschenkel?« und »Der Samenbankraub« im Verlag Neues Berlin als E-Books neu aufgelegt worden.

Timothy Truckle, genannt Tiny, ist ein kleinwüchsiger Privatdetektiv. Er lebt Mitte des 21. Jahrhunderts in einem luxuriösen Appartement in Chicago und arbeitet heimlich für den Widerstand. Während im ersten Band skurrile Fälle und originelle Lösungen im Vordergrund stehen, rücken im »Samenbankraub« die gesellschaftlichen Verhältnisse in den Vordergrund. Denn die USA haben die Weltgemeinschaft, das »Draußen«, hinter einen undurchdringlichen Energieschirm, die »Isolation«, verbannt. Unterdrückung, Bespitzelung, staatliche Willkür, menschenverachtende Genexperimente und Umweltverschmutzung sind an der Tagesordnung. Es ist offensichtlich, dass das Anspielungen auf die Verhältnisse in der DDR sind, versteckt hinter Kapitalismuskritik.

Erstaunlicherweise hat die staatliche Zensur sich nicht daran gestört. Es zeichnet das Werk Prokops aus, dass wir es noch immer mit Gewinn lesen können, obwohl die DDR längst untergegangen ist.

(ursprünglich erschienen in Ostfriesen-Zeitung, 27.12.2013)

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Roboter, Zeitreise und mehr

nova22Nova. Science-Fiction-Fiction-Magazin. 22. Ausgabe. Nova-Verlag, Bad Zwesten. Paperback. ISSN 1864-2829, 168 Seiten. 9,80 Euro.

Nova heißt eines von zwei regelmäßigen erscheinenden Magazinen, die deutsche Science-Fiction-Kurzgeschichten veröffentlichen. Jetzt gibt es die 22. Ausgabe, eine bunte Mischung aus sieben unterschiedlichen Geschichten, daruner eine Übersetzung, sowie einer Rezension und einigen Nachrufen. Das Spektrum ist breit. Es geht um Zeitreise, um virtuelle Welten, um die ferne Zukunft der Erde. Außerirdische kommen nicht vor, Raumfahrt nur am Rande. So unterschiedlich die Themen, so unterschiedlich ist die Qualität der Beiträge.
Stilistisch und sprachlich ragt »Der mechanische Dybbuk« von Michael Marrak heraus, der dritte Teil eines Novellen-Zyklusses (Teil 1 und 2 erschienen in den vorhergehenden Nova-Ausgaben). Er spielt in einer fernen Zukunft der Erde, in einer Welt, in der Maschinen beseelt und Menschen rar geworden sind. Marrak beweist wieder einmal, warum er zur Crème de la Crème der Science-Fiction in Deutschland gehört.
Die ganze Routine eines alten Hasen merkt man der Geschichte »Credo« von Mike Resnik an. Der Amerikaner lässt den Haushaltsroboter eines Pfarrers die Bibel entdecken: Der Roboter findet seine Seele, der Pfarrer verliert seinen Glauben.
Drei Geschichten überzeugen nicht: »Die silberne Dose No. 2« von Guido Seifert, »Smithie & Archie« von Sami Salamé und »Die Fukushima-Kriege« von Marian Ehret.

(Ostfriesen-Zeitung, 31.01.2014)

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