Das war mein erster ElsterCon

Karlheinz Steinmüller entführt die Besucher des ElsterCons in »Ferne Welten« und wird dabei von Thomas Braatz aufgenommen.

Nach dem Con ist vor dem Con, und bevor es am nächsten Sonnabend nach Köln zum ColoniaCon geht, will ich meine Eindrücke vom 14. ElsterCon in Leipzig festhalten. Dieser Con war für mich eine besondere Veranstaltung, denn ich habe dort eine Urkunde für meine Kurzgeschichte »Das letzte Mammut« in Empfang genommen, die in diesem Jahr für den Deutschen Science-Fiction-Preis nominiert war.

Die Siegerehrung wäre schon Anlass genug für eine Reise nach Leipzig gewesen, aber es war vor allem der besondere Ruf des ElsterCons, der mich gelockt hatte. Dort – und in Dresden – ist noch ein gutes Stück des DDR-Fandoms lebendig. Man kann den Autorenlegenden Karlheinz und Angela Steinmüller oder Erik Simon begegnen, mit Illustrator Thomas Hofmann plaudern, oder trifft Truefans wie Thomas Braatz und Ralf P. Krämer. Das gibt den Cons ein besonderes Flair – habe ich mir vorgestellt. So war es dann auch. Es war mein erster Con-Besuch im Osten.

Internationalen Ehrengäste

Der ElsterCon ist auch wegen seiner internationalen Ehrengäste beliebt. Man konnte dort schon SF-Größen wie Christopher Priest, Thomas M. Dish, Michael Bishop oder gar George R. R. Martin erleben. In diesem Jahr waren Alastair Reynolds, Nicholas Sansbury und Aliette de Bodard dort. Weil ich aber seit Jahren fast nur noch deutsche SF lese, war das kein Anreiz. Dann schon eher die Gewissheit, Leute wie Robert Corvus,  Axel Kruse, Niklas Peinecke oder eben Karlheinz Steinmüller über den Weg zu laufen.

Die Ehrengäste wurden übrigens am Eröffnungsabend in einem gelesenen launigen Hörspiel von Christian von Aster und Boris Koch vorgestellt. Die beiden gaben zwei Raumschiffreiniger, die sich auf der Raumstation ElsterCon 14 über ihre Einsätze auf den Raumschiffen der Ehrengäste austauschten.

Wie so oft habe ich die meiste Zeit des Cons im Haus des Buches auf den Fluren verbracht. Dort trifft man Freunde, alte Bekannte und Leute, die man von Facebook oder Twitter kennt oder kauft Bücher (ich habe mich dieses Mal zurückgehalten). Man erfährt ab und zu sogar Neuigkeiten. René Moreau und Olaf Kemmler, die Herausgeber des Exodus-Magazins, haben mir verraten, was sie für Band 40 vorhaben. Er soll dicker werden und wieder einem Thema gewidmet werden. Mehr will ich hier aber nicht herausposaunen.

Manchmal begegnet man auch völlig Unbekannten wie dem Altfan aus Wurzen, mit dem ich mich mittags beim Kaffee unterhielt, weil wir zufällig am selben Tisch saßen. Ich habe da viele Fragen: Wie war das damals mit der SF in der DDR? So verquatscht man die Zeit und verpasst schon mal den Beginn der einen oder anderen Veranstaltung.

Flurgespräche: Atlantis-Verleger Guido Latz (links) plaudert mit Fan Ralf Belling.
Phantastische Stummfilme

Zum Auftakt am Sonnabendvormittag ging’s tief in die Filmhistorie. Manfred Nagl, der sich seit Jahrzehnten wissenschaftlich mit der Science-Fiction beschäftigt, hatte eine Vielzahl von Filmschnipseln mitgebracht. SF war, sobald die Bilder laufen lernten, ein cineastisches Thema. Außer George Mélès’ Film »Le voyage dans la lune« (auf Youtube) von 1902 gibt es zahlreiche andere Schätze, die längst in Vergessenheit geraten und weitgehend vergessen sind. Wie »A trip to Mars« von 1910 (auf Youtube), produziert von Thomas A. Edisons Firma, der erste SF-Film der USA. Ein Wissenschaftler erfindet ein Pulver, das die Schwerkraft aufhebt und ihn zum Mars bringt. Frankenstein war ebenso beliebtes Thema wie Roboter. In »The Automatic Motorist« von 1911 (auf Youtube) bringt ein Roboterchaffeur ein frisch vermähltes Ehepaar auf deren Hochzeitsreise zum Mars.

Dass SF-Filme nichr nur der Unterhaltung dienten, sondern durchaus politische Inhalte transportierten, zeigt »Sur un air de Charleston« von Jean Renoir (auf Youtube). In diesem Kurzfilm von 1927 lässt der spätere Meister des Poetischen Realismus einen afrikanischen Forschungsreisenden im zerstörten Paris auf eine »wilde« Europäerin treffen, die ihm den Tanz Charleston vorführt. Das Ganze spielt nach einem Krieg, in dem Europa durch einen Krieg zerstört wurde.

Von Nagl zu Steinmüller: Der Berliner hatte das Motto des ElsterCons aufgegriffen und sich auf einen Streifzug durch die frühe phantastische Literatur begeben. Mit war vieles davon bekannt, aber sein profundes Wissen und die lockere Vortragsart machen einfach Spaß. Der kurzweilige Trip begann bei den »Wunderdingen jenseits von Thule« und den alten Römern und Griechen und endete Mitte des 20. Jahrhunderts mit dem Vater des Großvater-Paradoxons, dem Franzosen René Barjavel.

Gelockt hatte mich auch »Social Media für Buchnerds« wegen der beiden positiven Stichworte und des Referenten. Ivo Schwarz kannte ich von Twitter und hatte jetzt die Chance ihn persönlich kennenzulernen. Er hat in die Welt von »Goodreads«, eine »social cataloging website«, eingeführt. Auf dieser Plattform kann man sein eigenes virtuelles Bücherregal aufbauen und, wenn man kein MoF ist (ein Mensch ohne Freunde) sich mit anderen Booknerds austauschen. Weil wir es nicht hinbekommen haben, uns anschließend zum Bier zu treffen, haben wir verabredet, das auf dem BuCon am 13. Oktober in Dreieich nachzuholen.

Der Kurd-Laßwitz-Preis wird verliehen (von links): Uwe Hermann, Udo Klotz und Arnulf Meifert.
Zwei Siegerehrungen

Kommen nur zum offiziellen Teil, den Siegerehrungen. Beim ElsterCon wurden sowohl der Kurd-Laßwitz-Preis (KLP) als auch der Deutsche Science-Fiction-Preis (DSFP) verliehen. Das sind die beiden wichtigsten Auszeichnungen für das SF-Genre. Mittags überreichte Udo Klotz, der Treuhänder des KLP, mit Unterstützung von Arnulf Meifert, der die die Laudationes vorlaus und Ausschnitte aus preisgekrönten Texten vorlas, die Preise. Den KLP gibt es in mehreren Kategorie (hier). Die beiden Hauptpreise – für Romane bzw. Erzählungen/Kurzgeschichten – gingen an Michael Marrak für seinen fulminanten Roman »Der Kanon mechanischer Seelen« und an Uwe Hermann für »Das Internet der Dinge«.

Uwe Hermann sahen wir abends ein zweites Mal bei der Verleihung des DSFP. Seine Kurzgeschichte über Küchengeräte, die einen Menschen vor dem Tod bewahren, war auch hier auf Platz 1 gelandet. Für die Preisverleihung hatten sich der Komitee-Vorstand (Ralf Boldt, Martin Stricker und Ralf Bodemann) wie immer in Schale geworfen. Da kam ich mir in meinem schlabbrigen Hemd und der Jeans mit dem Loch im Knie etwas underdressed vor, als ich auf die Bühne gerufen wurden, um meine Urkunde abzuholen. Die Preis für den besten Roman hat Marc-Uwe Kling für »Qualityland« geholt. Was dort über das Buch erzählt wurde, hat mich neugierig gemacht. In der Welt, in der das Buch spielt, würde ich Norbert Eisenbahner heißen. Leider ist die Internetseite des DSFP noch nicht auf dem neuesten Stand. Die Nominierungen findet man aber zum Beispiel beim Börsenblatt.

Ein Con ohne Perry Rhodan

Der ElsterCon gehört zu den wenigen Cons, die ohne »Perry Rhodan«, die am meisten gelesene deutsche SF-Serie, auskommen. Aus dem Perryversum waren Gastautor Robert Corvus, Zeichner Arndt Drechsler und Lektor Dieter Schmidt dort, aber nicht im Auftrag des Terraners, sowie der eine oder andere Leser/Fan. Ohnehin machen sich Autoren und ausgewiesene Fans der Serie ja rar, wenn auf Cons die »normale« SF im Vordergrund steht. Beim ColoniaCon am kommenden Wochenende wird der Auftrieb wohl größer sein. Allein sechs Programmpunkte drehen sich um den Erben des Universums.

Vor der Thomaskirche in Leipzig steht Johann Sebastian Bach.
Was ich verpasst habe

Was ich verpasst habe? Ganz viel. Die Panels mit den Ehrengästen. Einige Lesungen. Der ElsterCon war auch JahresCon des Science-Fiction-Clubs Deutschland, in dem ich Mitglied bin. Die Mitgliederversammlung am Sonntagmorgen habe ich mir geschenkt. Aber wir wollten vormittags den thematischen Stadtrundgang mitmachen. Davon konnte uns der leichte Regen nicht abhalten; aber der Leipziger Hauptbahnhof. Auf der Suche nach einem funktionsfähigen, genügend großen Schließfach haben wir zu viel Zeit verloren. Stattdessen haben wir das Bach-Museum gegenüber der Thomaskirche besucht. War auch nicht schlecht. Und auf dem Weg zum Bahnhof sind wir am frühen Nachmittag richtig nass geworden.

Freibier für alle Außerirdischen

In den »Unendlichen Weiten« sind Aliens willkommen (eigene Montage mit Bildern von TheDigitalArtist und Christian Birkholz).

Vor einigen Jahren hatte ich einen Traum, ich sollte lieber sagen, eine Schnapsidee: die Idee von einer Science-Fiction-Musikkneipe. Das grobe Konzept stand schon fest, auch der Name, »Unendliche Weiten«, damit die Leute sagen können: »Ich gehe in die unendlichen Weiten.« Jeder SF-Fan wird die Anspielung verstehen.

Das kam so: In meinem beruflichen Umfeld gab es seinerzeit einige Umbrüche. Es war unsicher, ob und wie es weitergeht. Da macht man sich Gedanken, ob der Arbeitsplatz noch der richtige für einen ist und welche Alternativen es gibt. Als ich einmal eine Jazzkneipe besuchte und dabei die Frage aufkam, wer denn der Schlagzeuger der Chick-Corea-Band Return to Forever war, von der gerade ein Stück lief, bahnte sich die Idee an.

Es werden nur SF-Titel gespielt

Die Jazzkneipe bildete die Blaupause. So wie dort nur Jazzmusik lief, sollte es in der SF-Kneipe nur Musik mit SF- oder Weltraum-Bezug geben. Ich hatte dafür schon immer ein Faible: »The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars« war meine erste selbst gekaufte Langspielplatte. Es gibt genug Titel, die dieses Kriterium erfüllen, da würde es auch Stammgästen so schnell nicht langweilig werden.

Zum Angebot hätte es gehören, dass an einer zentralen, gut einsehbaren Stelle darüber informiert wird, welcher Titel gerade läuft. Mich stört es, wenn ich irgendwo interessante Musik höre, die ich nicht kenne, und nicht oder nur mit Mühe herausfinden kann, um welches Stück und welchen Interpreten es sich handelt. In meiner Kneipe müsste das anders sein.

Klar war auch, dass die Fassade ein SF-Motiv haben würde. Ich kenne einige Künstler, die ich dafür hätte anhauen können. Außerdem sollte damit geworben werden, dass Aliens mit Herkunftsnachweis lebenslang Freigetränke bekommen. Das Risiko, damit ein schlechtes Geschäft zu machen, ist ja gering, und jeder begreift, dass es sich um einen Gag handelt.

Warum daraus nichts geworden ist? Die berufliche Lage hatte sich bald wieder normalisiert, und, um die Wahrheit zu sagen: Ich bin kein ausgesprochener Kneipengänger und kann mir nur schwer vorstellen, Abend für Abend hinter der Theke zu stehen. Es war halt eine Schnapsidee. Prost!

Mein erster Leserbrief als SF-Fan

Ein Blick auf die Leserkontaktseite in Perry Rhodan Band 495.

Ich bin kein Sammler, und habe mich schon immer regelmäßig von den angesammelten Perry-Rhodan-Heften getrennt. Einmal habe ich wegen eines Umzugs einige Hundert Hefte im Keller einer Mietwohnung zurückgelassen und dem nachfolgenden Mieter galaktisches Lesevergnügen beschert (er hat sich bedankt, es war also keine billige Form der Altpapierentsorgung).

Unter diesen Heften dürfte auch die Nummer 495, »Der Botschafter von Sol«, gewesen sein, erschienen am 26. Februar 1971. In diesem Heft ist mein erster Leserbrief an die PR-Redaktion abgedruckt worden. Damals war ich dreizehneinhalb Jahre alt und seit einem Jahr PR-Leser.

Dass ich diesen Brief geschrieben habe, hatte ich längst vergessen und wäre auch nie daran erinnert worden, wenn ich nicht vor einigen Wochen in der Internet Speculative Fiction Database meinen Namen in das Suchfeld eingegeben hätte. Da ich bereits eine Anthologie mit SF-Kurzgeschichten veröffentlicht hatte (»Zeit für die Schicht«, mehr dazu hier), wunderte ich mich nicht darüber, dass es dort tatsächlich einen Eintrag über mich gab. Aufgelistet sind dort erstaunlicherweise aber auch Beitrage von mir auf der Leserkontaktseite der Perry-Rhodan-Serie (es sind zehn; ich weiß nicht, ob die Aufstellung vollständig ist).

Neugierig geworden habe ich mir das Heft über Ebay besorgt. Jetzt liegt es also vor mir, eine Botschaft aus einer längst vergangenen Zeit. Die Hefte hatten noch die rote Titel-Bauchbinde, der Leser wurde gesiezt. Den Brief schrieb ich mit der Hand; wir hatten keine Schreibmaschine zu Hause (und auch kein Telefon, das bekamen wir erst ein paar Jahre später). Damals hatte ich eine lesbare Handschrift, meine Druckbuchstaben waren fast perfekt. Verdorben habe ich sie mir im Beruf, beim Notizenmachen bei Ratssitzungen und anderen Veranstaltungen, die man als Lokaljournalist so besucht. Aber das nur am Rande. Die abgedruckte Adresse zeigt übrigens, dass die Zuschrift lange liegen gelassen wurde oder die Vorlaufzeit Monate betrug. Denn als der Brief abgedruckt wurde, wohnte ich schon seit fünf Monaten ganz woanders.

Es wird Zeit, zum Wesentlichen zu kommen. Was steht denn nun in diesem Brief, was hat der 13-jährige Norbert Fiks im Herbst 1970 geschrieben?

»An Perry Rhodan muß ich leider kritisieren, daß die Titelbilder oft nicht zur Handlung passen und daß eine Leserkontaktseite wirklich zu wenig ist. Ich empfehle dem Verlag, in jedes Heft eine Rißzeichnung und zwei Lexikonseiten zu bringen.«

Ganz schön vorlaut, oder? Heute würde ich das nicht mehr so schreiben. Die Forderung nach weiteren Leserkontaktseite ist seit Langem erfüllt, Risszeichnungen sind mir nicht mehr so wichtig, statt des Lexikons gibt es das Glossar – und was die Titelbilder angeht, hat sich meine Einstellung im Laufe der Jahre deutlich geändert. Damals stammten sie alle noch von Johnny Bruck, der einen wirklich enormen Ausstoß hatte. Da war es unmöglich, jedes Motiv auf die Handlung des Heftes abzustimmen. Viele seiner Bilder für die Serie halte ich für äußerst gelungen. Denn sie erzählen eine Geschichte (was mir bei heutigen Titelbildern fehlt und schon moniert habe). Es ist nicht schlimm, wenn es eine andere Geschichte als die im Roman ist. Für das Titelbild von Heft 495 gilt das ausdrücklich nicht, denn es zeigt nur ein Raumschiff unbekannter Bauart, das auf einem unwirtlichen Planeten steht. Da bin ich eher mit meinem jüngeren Ich einer Meinung.