Er gab Perry Rhodan ein Gesicht

Vor 100 Jahren wurde Johnny Bruck geboren. 34 Jahre lang hat er alle Titelbilder für die PERRY-RHODAN-Serie gemalt.
Auf dem Titelbild von Heft 1800 (hier die amerikanische Ausgabe vom September 1997) wurde Johnny Bruck ein Denkmal gesetzt (Ausschnitt).

Vor 100 Jahren, am 22. März 1921, wurde Johnny Bruck geboren. Er war der Mann, der Perry Rhodan ein Gesicht gegeben hat. 34 Jahre lang hat er alle Titelbilder der SF-Heftromanserie gemalt, insgesamt fast 1800 – und da sind die Cover für die ATLAN-Serie, die Planetenromane und vieles mehr noch gar nicht mitgezählt. Man kann sich also vorstellen, das es ein großer Schock für die Redaktion der Raketenheftchenserie und aller Weggefährten war, als Bruck am 6. Oktober 1995 im Alter von 74 Jahren an den Folgen eines Unfalls starb.

Ich will aber gar nicht weiter darauf eingehen. Das haben andere viel ausführlicher und besser gemacht, als ich es hier könnte. Hingewiesen sei auf den Bildband »Perry Rhodan-Illustrator Johnny Bruck« von Frank G. Gerigk, der inzwischen ein teuer gehandeltes Sammelobjekt geworden ist. Man muss heute deutlich mehr als einen Hunderter auf den Tisch legen, um das Buch zu bekommen. Wenn man überhaupt jemanden findet, der es anbietet. Als es 2013 erschien, hat es 39,90 Euro gekostet.

Mein erster Bruck – gesehen 1970.
Mein erster Bruck – gesehen 1970.

Mein erster Bruck

Hier geht es um meinen persönlichen Eindruck. Meinen ersten Bruck hatte ich wissentlich 1970 in der Hand, es war der Roman »Der alte Admiral« von Hans Kneifel. Das Titelbild zeigt ein winziges Raumschiff, das sich von der brodelnden Sonne entfernt. Durch die gläserne Frontscheibe sieht man zwei Personen, womöglich die beiden Cappins, die im Untertitel des Hefts erwähnt werden. Besonders auffällig ist der lange, spitze Stachel am kugelförmigen Cockpit. Dadurch ähnelt das Raumschiff verdächtig Moskitos, wie sie in Comics und Zeichentrickfilmen dargestellt werden.

Viele weitere Begegnungen mit der Kunst Johnny Brucks folgten. Was mir immer am besten an seinen Titelbildern gefallen hat: Viele von ihnen erzählen ganze Geschichten. »Beim alten Admiral« kann man sich vorstellen, wie das kleine Raumschiff, das kaum mehr ist als ein Rettungsboot ist, sich mit Höchstgeschwindigkeit aus dem Griff der Sonne zu befreien versucht. Der Stern sieht aus, als stehe er kurz vor einer Explosion. Vielleicht waren die beiden Insassen die Verursacher.

Mein Lieblingsbild

Mein Lieblingsbild ist das von Nr. 3, »Die strahlende Kuppel«. Ein Roboter hat einen Menschen am Schlafittchen gepackt. Es ist Perry Rhodans Freund und Weggefährte Reginald Bull, der sich »in den stählernen Greifarmen eines Waffenroboters« windet. Im Hintergrund steht ein kugelförmiges Raumschiff auf dünnen Metallbeinen, darunter zwei weitere Roboter, die das Geschehen beobachten. Es sieht so aus, als ob Mensch und Roboter kämpfen und der Metallmann das Wesen aus Fleisch und Blut mal eben so packt. Vielleicht verpasst er ihm gleich eine Ohrfeige oder einen Kinnhaken. Bruck rückt hier also das Verhältnis Mensch-Maschine ins Bild, und man sieht auf den ersten Blick, wer am Ende den Kürzeren zieht.

Serien-Kenner mögen anmerken, dass das Bild voller Fehler ist. Einem geübten Rhodan-Leser fällt gleich auf, dass das Kugelraumschiff am Äquator keinen Ringwulst hat, in dem die Triebwerke untergebracht sind. Außerdem ist das Schiff viel zu klein. Es kann sich nur um das Beiboot GOOD HOPE handeln, das laut Roman einen Durchmesser von 60 Metern hat. Nimmt man die Roboter als Maßstab, misst das Schiff nicht einmal 20 Meter im Durchmesser. Im Roman steht auch, dass die »Waffenoboter« der Arkoniden »vier vielgelenkige Arme« hatten. Brucks Roboter haben ur zwei Arme.

Mein Lieblings-Bruck.
Mein Lieblings-Bruck.
Alle Bildzitate: © Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Kräftig abgekupfert

Vor allem die frühen Motive von Bruck orientieren sich sehr stark an denen der amerikanischen Pulp-Magazinen wie Amazing Stories oder Weird Tales. Auch dort ist immer Action, schließlich standen die Hefte am Kiosk in harter Konkurrenz zu anderen Magazine Es ist kein Geheimnis, dass Johnny Bruck für seine Titelbilder gerne bei anderen abgekupfert hat. Das gilt auch für die Roboterszene. Das Original ist, entnehme ich Frank G. Gerigks Buch, eine Kampfszene auf dem Titel des amerikanischen Männerabenteuermagazin »True Action“ vom Juni 1961. Er hat das Motiv in sein eigenes Universum versetzt, die Ähnlichkeit (z. B. die Körperhaltung) ist ebenso verblüffend wie es die Unterschiede sind (Roboter statt Mensch).

Die Kunst Johnny Brucks zeigt sich auch darin, wie er abgekupfert hat (Künstler unbekannt).

Inzwischen ist eine neue Generation von Titelbildzeichner bei Perry Rhodan groß geworden. Viele von ihnen sind großartige Illustratoren, die einen eigenen, von Bruck unabhängigen Stil entwickelt haben und bestechende Arbeiten abliefern. Mir fehlt allerdings zu oft das erzählerische Element, die Bilder sind toll anzusehen, aber sie sprechen nicht zu mir.


Dieser Text ist eine überarbeitete Version der im Oktober 2015 anlässlich Brucks 20. Todestags erschienenen ersten Fassung.

Früher war mehr Lametta

Opa Hoppenstedt, Flaubert und die Science-Fiktion-Literatur der Pulp-Ära

Früher war bekanntlich mehr Lametta. Opa Hoppenstedts Bonmot aus Loriots TV-Sketch »Weihnachten bei den Hoppenstedts« von 1976 ist inzwischen zum geflügelten Wort geworden und gilt nicht nur für Weihnachtsbaumdekorationen, sondern passt sogar auf die Science-Fiction-Literatur.

In seiner Studie »The History of Science Fiction« (Palgrave Histories of Literature, Basingstoke 2007, S. 175) hat der Literaturwissenschaftler und »very well-known SF author, Guardian writer and recent winner of the BSF award«  Adam Roberts die Science Fiction  aus den 1920er und 1930er Jahren, der sogenannten Pulp-Ära, als Lametta-Literatur (tinsel literature) bezeichnet. Er meinte damit den schillernden Inhalt, aber auch, dass die Pulp-Literatur in ihrer eigenen Billigkeit schwelgte.

Roberts nahm sich dabei eine Anleihe bei dem französischen Schriftsteller Gustave Flaubert (1821-1880). Dieser habe einmal gesagt, schreibt Roberts, dass er Lametta lieber möge als Silber, weil dieses mehr Pathos versprühe (»he liked tinsel better than silver because it possessed all the qualities of silver plus one more – pathos«).

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