Magische Momente in Chichén Itzá

Unterwegs in Mexiko | Am Cenote Sagrado mischen sich Realität und Fiktion

Die ikonische Pyramide des Kukulcán lockt täglich Tausende nach Chichén Itzá, uns eingeschlossen.

stilisierter Maya-TempelEs ist gar nicht so einfach, etwas über unsere Studienreise durch Mexiko zu schreiben, ohne dass es wie ein Auszug aus einem Reiseführer klingt. Die Eindrücke, die wir in 14 Tagen zwischen Mexiko-Stadt und Cancun gesammelt haben, waren vielfältig, kratzten aber nur an der Oberfläche. Weil eine umfassende Darstellung unmöglich ist, beschränke ich mich in meinem Rückblick auf einige Episoden, die bei mir einen besonderen Eindruck hinterlassen haben.

An zwei Orten, die wir am Ende unserer Reise auf der Halbinsel Yucatán besucht haben, haben sich Geschichte, Gegenwart und Fiktion in eigenartiger, ich bin fast geneigt zu sagen magischer Weise verbunden: am Cenote Sagrado  in Chichén Itzá und in unserem Hotel, der nahe gelegenen Hacienda Chichen. Die vor etwa 1000 Jahren verlassene Ruinenstadt mit der ikonischen Kukulcán-Pyramide ist das beeindruckende Zeugnis einer faszinierenden Hochkultur, bei dem man sich verwundert die Augen reibt, aber das von Touristen völlig ist überlaufen, und die Zahl der Händler, die dort Souvenirs aller Art von billigen Kühlschrankmagneten bis handgeschnitzten Figuren feilbietet, steht ihnen kaum nach. Ich kam mir vor wie auf einem Basar.

Die Frau mit dem roten Kleid

Dank unserer engagierten und sehr kompetenten Reiseleiterin, die die oft langen Busfahrten auf dieser Reise nutzte, uns ausführlich über Land und Leute zu erzählen, habe ich von der Frau im roten Kleid und dem Roman »Das Mädchenopfer« von Patrick Quentin erfahren. Der Protagonist, Peter Duluth, nimmt auf dem Weg nach Chichén Itzá eine gut aussehende junge Frau als Anhalterin mit, die offenbar auf der Flucht ist. Sie heißt Deborah, trägt ein rotes Kleid und hat nur eine rote Handtasche dabei. Weil er sich ein sexuelles Abenteuer verspricht, quartiert er sich mit ihr in der Hacienda Chichen ein. Sie besteht allerdings auf einem eigenen Zimmer.

Im Cenote Sagrado opferten die Maya ihrem Regengott Chaac auch Menschen.

An nächsten Tag besuchen sie die Ausgrabungsstätte. Am Cenote Sagrado, einer offenen 60 Meter durchmessenden, mit Wasser gefüllten Karsthöhle, lässt Duluth Deborah für einen Moment aus den Augen. Sie ist verschwunden, nur die rote Tasche ist noch da. Ist sie in den Cenote gesprungen? Hat sie jemand geschubst? War es ein Unfall? Oder hat sie sich einfach aus dem Staub gemacht? Duluth versucht das Rätsel zu lösen und wird plötzlich zum Gejagten.

Es war nicht schwer, sich diese Szenen vor Ort auszumalen. Wie Peter und Deborah im Auto in die Einfahrt des Hotels einbiegen und zur Rezeption gehen. Wie sie zwei nebeneinander liegende Gästehäuser betreten. Wie Duluth am Cenote plötzlich nur noch die rote Tasche sieht und verzweifelt das Gelände nach Deborah absucht.

Der Mann, der Chichén Itzá kaufte

Eine nicht ganz so aufregende, dafür aber wahre Geschichte dreht sich ebenfalls um den Cenote und die Hacienda. Es ist die Geschichte von Edward Herbert Thompson, einem US-amerikanischen Diplomaten und Selfmade-Archäologen. Thompson (1857-1935) war von alten Kulturen fasziniert. Seine Karriere begann, als er 1879 einen Aufsatz mit dem Titel »Atlantis Not A Myth« in der Zeitschrift Popular Science Monthly veröffentlichte. 1885 nutzte er die Chance, als Konsul seines Landes nach Yucatán zu gehen, und begann schon bald mit archäologischen Untersuchungen. Besonders angetan hatte es ihm Chichén Itzá mit dem Heiligen Cenote. Er kaufte die Maya-Stätte und eine angrenzende Farm für 500 Dollar.

Die Hacienda diente der Unterbringung und Versorgung seiner Mitarbeiter. Thompson ließ kleine Gästehäuser bauen, die heute die Hotelgäste beherbergen und noch genauso ausschauen wie vor 100 Jahren. Wo jetzt ein üppiger tropischer Garten mit riesigen Palmen zum Spazierengehen einlädt, grasten Kühe und wurde Gemüse angebaut. Die Erinnerung daran wird hochgehalten. Über den Türen der Gästehäuser hängen Schilder mit der Aufschrift »Esta es su Casa / Thompson’s Guestroom«, und bis vor wenigen Jahren konnten Besucher in einem Album mit Originalfotos aus jener Zeit blättern (das Album wurde weggeschlossen, weil Fotos daraus geklaut wurden).

In den Gästehäusern der Hacienda Chichen kann man sich in die Pionierzeit der Maya-Forschung zurückversetzt fühlen.

Thompson gilt als Pionier der Maya-Forschung. Sein Schwerpunkt war die Untersuchung des Cenotes. Er war der erste, der dort Unterwasserarchäologie betrieb, und hat zwischen 1904 und 1910 zahlreiche Artefakte und menschliche Überreste geborgen. Dies waren Opfergaben für den Regengott Chaac. An keinem anderen Ort unserer Reise war dieses grausige Vermächtnis so deutlich zu spüren wie an diesem Zugang in die Unterwelt.

Hat dir der Beitrag gefallen? Es würde mich freuen, wenn du mir ein Feedback gibst und dafür die Kommentarfunktion am Ende des Beitrags nutzt.

Von den vier Enden meiner Welt | Ein Update

Himmelsrichtungen waren schon immer von großer Bedeutung für die Menschen. Meine geografischen Endpunkte liegen in Dänemark, Polen, den USA und Mexiko.

sanysidoro
Auf dem Highway 550 bei San Ysidro in Neumexiko liegt mein persönlicher westlichster Aufenthaltsort  (Bild: Google Streetview)

Die Himmelsrichtungen waren schon immer von großer Bedeutung für die Menschen: im Osten geht die Sonne auf, im Westen geht sie unter und im Süden erreicht sie ihren höchsten Stand (zumindest auf der Nordhalbkugel). Der Norden ist die Richtung, der man den Rücken zuwendet, wenn man nach Süden blickt. Beim Blick auf die digitale Weltkarte, auf der ich die von mir bereisten Orte markiert habe, fragte ich mich, welches wohl von meinem Wohnort in Ostfriesland aus gesehen der nördlichste, östlichste, südlichste und westlichste Punkt auf der Welt war, den ich besucht habe. Dieser Post ist eine aktualisierte Fassung eines Textes, den ich 2016 veröffentlicht habe.

Der Osten und der Norden waren einfach zu bestimmen: Giżycko, das früher Lötzen hieß und in Ostpreußen liegt, haben wir 1995 bei einem Polen-Urlaub besucht; ein netter, kleiner Ausflugsort am Jezioro Niegocin (Löwentinsee) mitten in der masurischen Seenplatte. Tatsächlich sind wir aber wohl weiter nach Osten gekommen, denn die Straße von Giżycko nach Węgorzewo (21° 45′ O) macht einen Schlenker und erreicht in der Ortschaft Pozezdrze (21° 52′ O) ihren östlichsten Punkt.

In Henne Strand (55° 44′ Nord) an der dänischen Westküste habe ich mit ein paar Freunden den Jahreswechsel 1981/82 gefeiert. Ich erinnere mich gut an die Fahrt in einem VW Fridolin von Bielefeld dorthin, es war arschkalt, und Dänemark lag unter einer dicken Schneedecke. Claudia, eine der Mitreisenden, hat einmal bis zu den Hüften in einer Schneewehe gesteckt, die zwischen den Dünen nicht zu erkennen gewesen war.

Zumindest in der Luft war ich aber sehr viel weiter im Norden. Auf meinem Flug nach und von Neumexiko (Teilnahme an der Paleoamerican Odyssey Conference 2013) führte die Route an der Südspitze Grönlands entlang. Die liegt bei ~60° Nord.

Ab in die Tropen

So sieht es am Autobahnkreuz 190/1850 östlich von Santo Domingo Tehuantepec aus.

Der südlichste Punkt, der bisher mit (32° 47’ Nord) der Dallas/Fort Worth International Airport in Texas war, hat sich durch meine Mexiko-Reise 2023 um fast 16 Grad nach Süden in die Tropen verschoben. Er liegt jetzt bei 16° 20′ Nord in der Nähe von Santo Domingo Tehuantepec im Bundesstaat Oaxaxa, wo sich die mexikanischen Autobahnen 190 (die Panamerican) und 1850 kreuzen. Bis auf eine struppige Landschaft gibt es dort nichts zu sehen. Von dort sind es aber nur wenige Kilometer bis zum Pazifik, den ich später auf der Fahrt nur kurz aus der Ferne gesehen habe.

Der westlichste Punkt liegt in den USA, in Neumexiko. Da gab es zwei Kandidaten: Da ist der Jemez Pueblo, ein Indiandergebiet mit ein paar beeindruckenden Felsformationen, das ich auf einer kleinen Neumexiko-Rundfahrt durchquerte. Das Visitor Center, an dem ich ausgestiegen bin, um die gegenüberliegenden, im Licht der untergehenden Sonne rot leuchtenden Felsen zu fotografieren, liegt auf 106° 40′ westlicher Länge. Nur ein paar Bogensekunden weiter westlich ist das Petroglyph National Monument (106° 35′ 9’’ West). Das ist ein kleines Schutzgebiet mit Hunderten von prähistorischen Felszeichnungen am westlichen Stadtrand von Albuquerque. Dort hatte ich übrigens eine Begegnung mit einem Roadrunner. Tatsächlich aber ist der westlichste Punkt, an dem ich jemals gewesen bin, aber auf dem Highway 550 in San Ysidro (106° N 35′ 31“ W). Dort kommt man durch, wenn man von Jemez Pueblo aus über Bernadillo nach Santa Fe fährt, aber es lohnt nicht auszusteigen.

Ich bin gespannt, ob es für diese persönlichen geografischen Extrempunkte jemals ein Update gegeben wird.

Hat dir der Beitrag gefallen? Es würde mich freuen, wenn du mir ein Feedback gibst und dafür die Kommentarfunktion am Ende des Beitrags nutzt.

Unterwegs zum »Ort der Angst«

»Im Schatten von Xibalba« lautet der Titel der Anthologie, die ich auf meine Mexiko-Reise mitnehme. Sie verspricht Storys aus einer blutigen Alternativwelt

Die Kukulcán-Pyramide von Chichen Itza werden wir am vorletzten Tag unserer Mexiko-Reise sehen. Ob ich bis dahin aus dem »Schatten von Xibalba« herausgetreten bin.

stilisierter Maya-TempelFür meine Reise ins Land der Azteken und Maya habe ich mir – hoffentlich – die richtige Reiselektüre auf den Kindle geladen: die Anthologie »Im Schatten von Xibalba: und andere Mayapunk-Storys«, herausgegeben von Sven Klöpping und verlegt von p.machinery. Der Sammelband mit 14 Storys deutschsprachiger Autoren war mir bei seinem Erscheinen 2016 irgendwie durch die Lappen gegangen, obwohl ich zu der Zeit gerade dabei war, mich in den Kosmos der aktuellen deutschsprachigen SF-Kurzgeschichten einzulesen.

Die Anthologie versammelt Storys aus einer Welt, in der die Geschichte einen anderen Verlauf genommen hat. So heißt es im Anreißer auf Amazon: Mit außerirdischer Hilfe haben die Maya im sechsten Jahrhundert Amerika und weite Teile Europas erobert. Wo später einmal Deutschlands Hauptstadt errichtet werden würde, liefern sich Germanen, Slawen und Mayakrieger nun erbitterte Schlachten. Zwischen den Fronten wechseln Prinzessinnen und Bauernjungen die Seiten … und teilen manchmal sogar die Betten. Das Kind heißt Mayapunk – mit Storys aus einer blutigen, herausfordernden Alternativwelt …

Xibalbá ist in der Mythologie der Maya die neunstufige Unterwelt. Übersetzt ist es der »Ort der Angst«. Das verspricht keine Wohlfühlatmosphäre. Ich bin gespannt.

Die Anthologie en von Xibalba: und andere Mayapunk-Storys« gibt es noch als E-Book.

Hat dir der Beitrag gefallen? Es würde mich freuen, wenn du mir ein Feedback gibst und dafür die Kommentarfunktion am Ende des Beitrags nutzt.