Ein bisschen Prometheus, ein bisschen Moses

Retro-SF: »Das Machaon-Projekt« von Hans Kneifel neu gelesen.

»Das Rätsel von Machaon« erschien 1963 als Dreiteiler in der Reihe „Terra – utopische Romane« des Münchner Moewig-Verlags. Die Titelbilder sind von Johnny Bruck und Karl Stephan (Mitte).

Zwischen all den aktuellen Werken vor allem deutscher Science-Fiction-Autorinenn und Autoren greife ich gerne mal zu älteren Exemplaren dieses Genres. Vor einiger Zeit bin ich bei der Lektüre des Sachbuchs »Die Zukunft von gestern« von Heinrich Stöllner an das »Das Machaon-Projekt« von Hanns Kneifel (1936-2012) erinnert worden und habe mir die Buchausgabe von 1996 aus dem Tilsner-Verlag besorgt.

Den Dreiteiler mit den Titel »Dämonen der Nacht«, »Die Herrin der Fische« und »Das Eiszeit-Projekt« habe ich als Jugendlicher, als die Romane 1972 in der Heftromanreihe »Terra Astra« des Moewig-Verlags als »Das Rätsel von Machon« erschienen, gelesen und in (guter) Erinnerung behalten. Da waren sie allerdings schon ein paar Jahre alt, denn die Originalveröffentlichung erfolgte 1963/64 in der Vorgängerreihe »Terra – Utopische Romane«. Kneifel hatte da als Autor schon Erfahrung. Sein erster Roman »Uns riefen die Stern« war 1956 als Leihbuch erschienen, und es folgten etwa ein Dutzend (Heft-)Romane. 1968 stieg Kneifel in die ebenfalls bei Moewig erscheinenden Romanserie »Perry Rhodan« ein. Er schrieb Hunderte von Heftromanen in verschiedenen Genres.

Abenteuer in exotischer Umgebung

Zum Inhalt: Ein Trupp Wissenschaftler soll herausfinden, ob der Planet Machaon zur Besiedlung geeignet ist. Eine extreme Natur erwartet das terranische Expeditionsteam, das von Wolf Sincard geführt wird. Trotz ihrer guten technischen Ausstattung werden die Forscher beinahe zu Opfern der einheimischen Fauna und Flora, wäre ihnen nicht ein Trupp menschlicher Jäger über den Weg gelaufen, die sie retten und mit in ihr Dorf nehmen, das alle Jahre wieder von gigantischen Raupen bedroht wird. Sicards Team hilft den Einheimischen und bereitet sie auf die in wenigen Dutzend Jahren beginnende Eiszeit vor.

Der Roman bietet ein exotisches, allerdings nicht zu fremdes Ambiete: Saurier, fleischfressende Pflanzen, Riesenschmetterlinge (die Dämonen der Nacht), eine Meeres-Kollektivintelligenz (die Herrin der Fische). Da treffen zwei Erdzeitalter, die Kreidezeit und und das Holozän, aufeinander. Als Jugendlicher fand ich die Auseinandersetzung mit der mörderischen Natur wohl spannend. Heute reicht mir das nicht mehr. Erstens hat man ähnliche Szenario schon Dutzende Mal gelesen, und zweitens ist es wissenschaftlich hanebüchen, dass, wie im Roman behauptet, die Evolution immer gleich abläuft und deshalb überall mehr oder weniger zu denselben Ergebnissen führt.

Die Lektüre als solche ist nicht spannend, das Wiederlesen lohnt sich nicht. Interessant sind die Unterschiede zwischen der Originalveröffentlichung und den Neuauflagen (außer den beiden Heftromanausgaben und der Buchausgabe gibt es eine E-Book-Ausgabe aus dem Hopf-Verlag von 2016). Kneifel hat seine Heftromane für die Tilsner-Ausgabe spürbar überarbeitet und sie ein wenig vom Muff der 1960er Jahre befreit. Ein wenig. Die Frauen treten etwas mehr in den Vordergrund, es gibt Anspielungen auf Sex (selbst zwischen den Menschen von der Erde und den Eingeborenen), und auch die Technik kommt mit Holografien statt Farbfotos und Virtueller Realität daher. Am deutlichsten werden die Veränderungen beim »Projekt Eiszeit«; in diesem dritten Teil gibt es die größten Abweichungen zum Original.

Der große Zampano hat alles im Griff

Expeditionsleiter Wolf Sicard ist der große Zampano, er allein überwindet alle Schwierigkeiten, die sich ihm und seinem Team in den Weg stellen; alle anderen Figuren sind nur Komparsen. Aber nicht nur das: Er macht sich mit dem Eiszeit-Projekt zum Kultur- und Zivilisationsbringer, indem er den Einheimischen lesen und schreiben beibringen und auf hundert Metalltafeln, die Jahrtausende überstehen sollen, die Grundlagen irdischer Wissenschaft und ihrer Anwendung niederschreiben lässt. Sicard will die einheimische Bevölkerung fit für die von ihm errechnete Zukunft machen und darauf zu trimmen, dass eines fernen Tages »jeder Terraner […] gefeierter Besucher oder Gast sein wird«. Das ist ein bisschen Prometheus und Moses in einer Person plus ein Schuss Kolonialismus. Den Aspekt des Zivilisationsbringers hat Kneifel in der Neuauflage durch zahlreiche Ergänzungen und Einschübe nicht nur stärker herausgehoben, sondern auch mit einem deutlich anderen Akzent versehen und dabei die Frage nach der Herkunft der einheimischen Jäger stärker in den Mittelpunkt gerückt.

Drei Ausgaben des Machaon-Projekts: liniks das Buch von 1996, dann die drei Terra-Astra-Romane aus den 70er und rechts unten die jüngste Ausgabe, das E-Book von 2016 aus dem Verlag Peter Hopf.

Noch ein paar Worte zu den Covern. Die Titelbilder der drei Terra-Bände sind von Johnny Bruck (310, 314) und Karl Stephan (312). Bruck (1921-1995), der vor allem für seine fast 1800 Titelbilder der PERRY RHODAN-Serie bekannt ist, und Stephan (1923-1980) gehörten zu den Stamm-Künstlern der Utopia- und der Terra-Heftromanreihen aus dem Pabel- und dem Moewig-Verlag. Die drei Cover der zweiten Ausgabe sind von Eddie Jones, der bis 1982 fast alle Titelbilder der 1971 eingeführten Terra-Astra-Reihe malte. Die Umschlagillustration der 1996er-Ausgabe ist von Paul Youll (geb. 1965), die des E-Books aus dem Verlag Peter Hopf von Thomas Knip.

Ostfriesland sortiert

In welcher Stadt in Ostfriesland leben die meisten Menschen? Welche Kommunen sind die größten? Hier gibt es ein paar Antworten.

Ich habe mal Ostfriesland sortiert. Dort leben 467.289 Menschen (Stand 31. Dezember 2019, ich bin einer von ihnen) auf 3.144,26 Quadratkilometern, was einer Dichte von 148,6 Einwohnern pro Quadratkilometer (Ew./km²) entspricht. Damit ist Ostfriesland sowohl im Vergleich zum Land Niedersachsen (168 Ew./km²) als auch im Vergleich zum Bundesgebiet (etwa 230 Ew./km²) dünner besiedelt.

Ostfriesland - vier Kreise, eine kreisfreie Stadt

Ostfriesland besteht aus drei Landkreisen (Aurich, Leer, Wittmund) und einer kreisfreien Stadt (Emden) mit zusammen 63 Städten und Gemeinden. Zehn Kommunen haben Stadtrecht, sechs sind sogenannte Samtgemeinden mit insgesamt 35 teils selbstständigen Mitgliedsgemeinden, alle anderen gelten als Einheitsgemeinden.

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Früher war mehr Lametta

Opa Hoppenstedt, Flaubert und die Science-Fiktion-Literatur der Pulp-Ära

Früher war bekanntlich mehr Lametta. Opa Hoppenstedts Bonmot aus Loriots TV-Sketch »Weihnachten bei den Hoppenstedts« von 1976 ist inzwischen zum geflügelten Wort geworden und gilt nicht nur für Weihnachtsbaumdekorationen, sondern passt sogar auf die Science-Fiction-Literatur.

In seiner Studie »The History of Science Fiction« (Palgrave Histories of Literature, Basingstoke 2007, S. 175) hat der Literaturwissenschaftler und »very well-known SF author, Guardian writer and recent winner of the BSF award«  Adam Roberts die Science Fiction  aus den 1920er und 1930er Jahren, der sogenannten Pulp-Ära, als Lametta-Literatur (tinsel literature) bezeichnet. Er meinte damit den schillernden Inhalt, aber auch, dass die Pulp-Literatur in ihrer eigenen Billigkeit schwelgte.

Roberts nahm sich dabei eine Anleihe bei dem französischen Schriftsteller Gustave Flaubert (1821-1880). Dieser habe einmal gesagt, schreibt Roberts, dass er Lametta lieber möge als Silber, weil dieses mehr Pathos versprühe (»he liked tinsel better than silver because it possessed all the qualities of silver plus one more – pathos«).

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