Entdeckung und Erkundung Kubas
Sonntag, den 28. Oktober
Von hier aus drang ich nach Süd-Südwesten vor, um die Insel Kuba an der nächstgelegenen Stelle zu erreichen. Ich fuhr einen herrlichen Fluß hinauf, der keinerlei Gefahren an Untiefen oder sonstiger Art in sich barg; die ganze Uferstrecke, der ich entlang fuhr, hatte ein klares, tiefgehendes Wasser. Die Mündung des Flusses war 12 Armlängen breit, gerade genug, um beim Einfahren gegen den Wind aufkreuzen zu können. Ich ging innerhalb der Mündung vor Anker, einen Bombardenschuß vom Ufer entfernt.
Ich habe keinen schöneren Ort je gesehen. Die beiderseitigen Flußufer waren von blühenden, grünumrankten Bäumen eingesäumt, die ganz anders aussahen als die heimatlichen Bäume. Sie waren von Blumen und Früchten der verschiedensten Art behangen, zwischen denen zahllose, gar kleine Vöglein ihr süßes Gezwitscher vernehmen ließen. Es gab da eine Unmenge Palmen, die einer andern Gattung angehörten als jene von Guinea und Spanien; sie waren mittelgroß, hatten an den untern Enden keine Zellfasern und sehr breite Blätter, mit denen die Eingeborenen die Dächer ihrer Behausungen bedeckten. Der Boden war flach und ebenmäßig.
Ich bestieg die Schaluppe und betrat das Land. Hierauf ging ich auf zwei Hütten zu, von denen ich annahm, daß sie Fischern gehörten. Allein bei meinem Erscheinen ergriffen die Eingeborenen, von Furcht erfaßt, die Flucht.
In einer dieser Hütten fand ich einen Hund, der nicht bellte. In beiden hingen aus Palmfasern hergestellte Netze, Stricke, eine Angel aus Horn, knöcherne Haken und anderes Fischergerät; im Innern gab es mehrere Herde. Meines Erachtens konnten diese Hütten vielen Menschen Obdach gewähren. Ich ordnete an, alles schön liegen und stehen zu lassen, was auch befolgt wurde. Das Gras war so hoch wie in Andalusien in den Monaten April und Mai; darunter fand ich auch viel Portulak (Burzelkraut) und Runkelrüben.
Dann bestieg ich wie der die Schaluppe und fuhr eine gute Strecke den Fluß hinauf Ich gestehe, beim Anblick dieser blühenden Gärten und grünen Wälder und am Gesang der Vögel eine so innige Freude empfunden zu haben, daß ich es nicht fertigbrachte, mich loszureißen und meinen Weg fortzusetzen. Diese Insel ist wohl die schönste, die Menschenaugen je gesehen, reich an ausgezeichneten Ankerplätzen und tiefen Flüssen. Meiner Ansicht nach dürfte der Ozean das Land niemals über den Strand hinaus überflutet haben, da die Vegetation fast bis an das Meeresufer heranreicht – eine Tatsache, die in Gegenden, wo das Meer sehr stürmisch sein kann, nicht feststellbar ist: allein schon deshalb nicht, da ich seit meinem Aufenthalt inmitten all dieser Inseln nicht ein einziges Mal einen Wirbelsturm oder Sturm erlebt habe.
Die Insel hat schöne und hohe Berge, die sich allerdings nicht weithin erstrecken; der restliche Teil der Insel weist Erhebungen auf, die an Sizilien gemahnen. Soviel ich aus den durch Zeichen vermittelten Angaben der Indianer, die ich von der Insel Guanahaní mit mir genommen hatte, verstanden zu haben meinte, ist diese Insel sehr wasserreich und wird von zehn großen Flüssen durchzogen; man benötige mehr als zwanzig Tage, um die Insel mit ihren Kanoes zu umfahren.
Gerade als ich mich mit meinen Schiffen dem Lande näherte, tauchten zwei Kanoes auf. Kaum bemerkten die Eingeborenen, die sich darin befanden, daß die Matrosen ihre Boote bestiegen und losruderten, um die Flußtiefe zu messen und den besten Ankerplatz ausfindig zu machen, machten sie sich auf und davon.
Die Indianer wußten zu erzählen, daß auf dieser Insel Goldminen und Perlen zu finden seien. Tatsächlich entdeckte ich eine Stelle, die zur Bildung von Perlen geeignet schien, und ebenso Muscheln, die ein deutliches Anzeichen dafür sind. Ich glaube mich in der Annahme nicht zu täuschen, daß die gewaltigen Schiffe des Großen Khan hier anlegen und daß man von hier aus bis zum Festland nur eine Seefahrt von zehn Tagen zurückzulegen hat.
Ich taufte diesen Fluß mit dem Namen San Salvador.
Montag, den 29. Oktober
Ich ließ die Anker lichten und fuhr von dieser Bucht gegen Westen, um zur Stadt zu gelangen, wo der König der Erde seinen Wohnsitz hat, wie ich aus den Berichten der Indianer schließen zu müssen glaubte. Ich entdeckte 24 Seemeilen nordwestlich und 40 Seemeilen in östlicher Richtung je ein Vorgebirge. Nach vier weiteren Seemeilen sichtete ich einen Fluß, dessen Mündung nicht so breit war wie jene des andern Flusses; ich gab ihm den Namen „Rio de la Luna“.
Wir fuhren in die Nacht hinein, bis wir einen andern Fluss erreichten, der größer als die andern war – wie ich der Gebärdensprache der Indianer entnahm -, in dessen Umgegend ich einige schöne Siedlungen wahrnahm. Diesen Fluß benannte ich „Fluß der Meere“.
Ich setzte zwei Boote aus, die eine dieser Siedlungen auskundschaften sollten. In einem jener Boote ließ ich einen der mitgenommenen Indianer mitfahren, die sich bereits etwas verständlich zu machen wußten und ihrer Zufriedenheit Ausdruck gaben, in Gesellschaft der Christen sein zu können. Allein die Einwohner dieser Siedlung Männer, Frauen und Kinder – ergriffen die Flucht und ließen alles stehen und liegen. Ich untersagte es allen, irgend etwas anzurühren. Meiner Meinung nach waren diese Wohnplätze bedeutend schöner als alle jene, die wir bisher gesehen hatten, und müssen meiner Schätzung nach ein immer besseres Aussehen haben, je mehr wir uns dem Festland nähern. Diese Behausungen waren in Hüttenform gebaut, sehr geräumig und erweckten den Eindruck eines militärischen Feldlagers. Allein sie waren nicht reihenweise angeordnet, so daß sie keine Straßen bildeten, sondern wuchsen bald hier, bald dort aus dem Boden. Im Innern sind sie fein säuberlich ausgekehrt; ihre Einrichtungsgegenstände sind reich verziert. Man fand viele Plastiken, weibliche Gestalten darstellend, und zahlreiche Gesichtsmasken, die wundervoll ausgearbeitet waren. Ich weiß nicht recht, ob die Inselbewohner diese Gegenstände als Zierat oder zu religiösen Kulthandlungen verwendeten. In jenen Behausungen gab es auch Hunde, die niemals bellten; ferner wilde und gezähmte Vögel, erstaunlich gut verfertigte Netze, Waffen und Fischergeräte. Niemand wagte es, etwas davon zu berühren.
Ich bin der Meinung, daß die Bewohner dieses ganzen Küstenstreifens sicher Fischer sind, die ihren Fischfang ins Innere der Insel befördern, die außerordentlich groß und so schön ist, daß ich sie nicht genug bewundern konnte. Ich fand Bäume, die Früchte trugen, welche einen auserlesenen Geschmack hatten, und meinte, daß sich im Innern des Landes Kühe und anderes Vieh vorfinden müssen, da ich auf Knochenreste stieß, die von einem Rinderhaupt zu sein schienen.
Die ganze Nacht hindurch vernahmen wir den Sang vielerlei Vögel und das Zirpen der Grillen, worüber sich alle herzlich freuten. Die von Wohlgerüchen erfüllte Luft war bis in den Tag hinein weder kalt noch warm. Während der Überfahrt von den andern Inseln bis zu dieser Insel hatten wir an großer Hitze zu leiden, während dies hier nicht der Fall ist, da hier ein mildes Klima herrscht, wie im Monat Mai. Die Tatsache, daß wir in andern Gegenden eine große Hitze vorgefunden hatten, ist wohl dem Umstand zuzuschreiben, daß die andern Inseln keine Berge haben und daß der Wind dort von Osten kommt und daher viel Wärme mit sich führt.
Das Wasser dieser Flüsse ist an ihren Mündungen gesalzen. Die Indianer hatten in ihren Behausungen Süßwasser; doch kamen wir nicht darauf, woher sie es schöpften. Die Schiffe können im letztgenannten Fluß sowohl bei der Einfahrt als bei der Ausfahrt leicht aufkreuzen. Zudem bieten die Flüsse dem Seefahrer verläßliche Anhaltspunkte. Die Tiefe des Flusses beträgt an die sieben oder acht Faden an seinem Eingang und fünf Faden weiter stromaufwärts. Dieses ganze Seegebiet muß meinem Dafürhalten nach immer ruhig und still sein, wie der Fluss von Sevilla; die Wasserbeschaffenheit begünstigt die Perlenbildung. Ich fand große Schnecken, die aber vollkommen geschmacklos waren und in keiner Weise jenen Spaniens glichen. Nun beschreibt der Admiral die Lage des Flusses und des Hafenplatzes, von dem weiter oben die Rede war, und dem er den Namen „San Salvador“ gegeben hatte. In seiner Umgebung sollen sich schöne, große Berge erheben, wie die „Pena de los Enamorados“. Einer von diesen hat an seiner Spitze ein Felsengebilde, das einer zierlichen Moschee gleicht. Der andere Fluß und Hafen, wo sich der Admiral aufhielt, wird im Südosten von zwei runden Bergen umgeben, während west-nordwestlich davon ein flache Landzunge weit ins Meer hinausragt.
Dienstag, den 30. Oktober
Ich verließ den „Fluß der Meere“ im Nordwesten und entdeckte ein Kap, das dicht von Palmen besetzt ist, und dem ich daher den Namen „Palmenkap“ gab. Nach einer Seefahrt von 60 Seemeilen erklärten die Indianer, die sich an Bord der Karavelle „Pinta“ befanden, daß hinter jenem Kap ein Fluß liege und daß man von dort aus in viertägiger Seefahrt nach Kuba gelangen könne. Der Kapitän der „Pinta“ sprach mir gegenüber die Ansicht aus, daß jenes Kuba, wovon die Eingeborenen sprachen, eine Stadt sei, und daß das Land, an dessen Küsten entlang wir fuhren, ein sehr ausgedehnter Kontinent sei, der sehr weit gegen Norden reiche. Der König dieses Gebietes sei mit dem Großen Khan, den die Indianer „Cami“ nannten, ähnlich wie sie seinem Lande oder seiner Stadt den Namen „Saba“ oder andere Namen gaben, in einen Krieg verwickelt.
Ich beschloß nun, zu jenem Flusse hinzufahren und dem König jenes Gebietes ein Geschenk mit dem Begleitschreiben der katholischen Könige zu übersenden, Mit diesem Auftrag betraute ich einen Matrosen, der mit dem gleichen Auftrag bereits in Guinea gewesen war, und gab ihm zur Begleitung einige Indianer aus Guanahaní mit, die sich bereit erklärt hatten, sich diesem Sendboten unter der Bedingung anzuschließen, daß sie nach der Rückkehr von dieser Reise nach ihren Inseln zurückgeschickt würden.
Nach meiner Schätzung liegt der Ort, an dem ich mich gegenwärtig befinde, 42 Grad nördlich des Äquators.Ich werde alles daransetzen, um den Großen Khan aufzusuchen, der meiner Mutmaßung nach sich in diesen Gegenden oder in der Stadt Cataio aufhalten muß, die jenem Herrscher gehört und sehr groß ist, wie man mir vor meiner Abreise aus Spanien versichert hat. Das ganze Land ist eben und herrlich gelegen; das Meer ist dort sehr tief.
Mittwoch, den 31. Oktober
Die ganze Nacht auf Mittwoch kreuzte ich auf und ab und gelangte zu einem Fluß, in den ich allerdings nicht einfahren konnte, da an seiner Mündung das Wasser nicht hinlänglich tief war; die Indianer meinten zwar, daß die Schiffe genau so wie ihre Kanoes leicht einfahren könnten. So fuhren wir weiter bis zu einem Vorgebirge, das weit ins Meer hinausragte und allseits von Untiefen umgeben war. Dann gelang es mir, eine Bucht zu entdecken, in die die kleinen Schiffe eindringen konnten, ohne daß ich selbst in diese Bucht hineingelangen konnte, da der Wind nun vollkommen nach Norden umgesprungen war und die Küste in nord-nordwestlicher und südöstlicher Richtung verlief. In der Folge sah ich ein zweites Vorgebirge, das sich noch weiter ins Meer hinaus erstreckte. Deshalb und angesichts der Tatsache, daß das Aussehen des Himmels einen heftigen Wind ankündigte, sah ich mich gezwungen, zum „Fluß der Meere“ zurückzukehren.
Donnerstag, den 1. November
Bei Sonnenaufgang ließ ich die Boote an Land fahren in der Richtung auf die dort befindlichen Siedlungen; allein sie stellten fest, daß alle ihre Einwohner geflohen waren. Nach einiger Zeit tauchte ein einzelner Mann auf. Ich befahl, diesen Eingeborenen unbehelligt zu lassen, damit er zutraulich werde, und ließ die Boote sich vom Ufer entfernen.
Nach Tisch wollte ich einen meiner Indianer an Land schicken. Als dieser jenen Eingeborenen erblickte, rief er ihm von weitem laut zu, sich nicht zu fürchten, da wir gute Leute seien, die niemandem ein Leid zufügten, und keineswegs Untertanen des Großen Khan; im Gegenteil: wir hätten die Bewohner der vielen Inseln, die wir aufgesucht hatten, reichlich beschenkt. Hierauf sprang der Indianer ins Wasser und schwamm ans Ufer. Zwei Eingeborene, die dort erschienen waren, nahmen ihn beim Arm und geleiteten ihn zu einer ihrer Behausungen, wo sie ihn ausfragten und die gewünschten Auskünfte erhielten. Als die örtlich ansässigen Indianer sich davon überzeugt hatten, daß ihnen niemand etwas Böses zufügen wollte, beruhigten sie sich, gewannen Zutrauen und bestiegen in großer Zahl sechzehn Kanoes, in denen sie gesponnene Baumwolle und andere Kleinigkeiten mit sich brachten. Ich untersagte es aber, irgend etwas davon anzurühren, damit allen klar würde, daß ich einzig und allein auf der Suche nach Gold war, das die Eingeborenen „nucay“ nannten. So herrschte den ganzen Tag über ein Kommen und Gehen von Eingeborenen, die zu den Schiffen herangefahren kamen und wieder an Und zurückkehrten. Auch zahlreiche meiner Leute begaben sich an Land, ohne daß ihnen etwas zugestoßen wäre. Ich konnte zwar feststellen, daß die Eingeborenen Gold auf ihrem Körper trugen; doch es ist mir nicht entgangen, daß einer von ihnen ein bearbeitetes Stück Silber in seiner Nase befestigt hatte, woraus ich schloß, daß in jener Gegend Silber vorkommen muß.
Die Eingeborenen gaben mit ihrer Zeichensprache zu verstehen, daß noch vor Ablauf von drei Tagen zahlreiche Kaufleute aus dem Innern des Landes eintreffen würden, um jene Erzeugnisse zu erstehen, die wir mit uns gebracht hätten, und daß sie vom Herrscher dieses Landes Kunde bringen würden (soviel man ihren Gebärden entnehmen konnte, wohnte jener König vier Tagreisen entfernt). Denn sie hätten einige der ihren in die ganze Gegend ausgesandt, um meine Ankunft weiterzumelden. Diese Leute gehören zu der gleichen Art Menschen, mit denselben Gebräuchen, wie die andern Eingeborenen, die wir bisher angetroffen haben. Soweit mir ersichtlich ist, haben sie keine Religion. Bis zum heutigen Tag sah ich die Indianer, die ich mit mir führe, nicht ein einziges Mal ein Gebet verrichten, außer das „Salve Regina“ und „Ave Maria“, die sie mit erhobenen Händen beten, wie man es ihnen beigebracht hatte, und sich dabei auch bekreuzigen.
Diese Indianer sprechen alle ein und dieselbe Sprache; sie sind alle untereinander befreundet und ebenso vollkommen nackt. Ich glaube, daß alle diese Länder nichts als Inseln sind, die mit dem Großen Khan, den sie „Cavila“ nennen, während sie das Land selbst mit dem Ausdruck „Basan“ bezeichnen, in Fehde liegen.
Der Fluß ist äußerst tief, so daß die Schiffe in seinem Mündungsgebiet unmittelbar an Land anlegen könnten. Süßwasser findet man nur vier Seemeilen von der Mündung entfernt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dies Festland sei und daß ich mich vor Zayto und Quisay befinde, in einer Entfernung von ungefähr 400 Seemeilen von beiden Orten. Dies ergibt sich auch aus dem Verhalten des Meeres, dessen Strömungen hier ganz andersartig verlaufen als bisher. Gestern, als ich gegen Nordwesten segelte, fand ich, daß es sehr kalt war.
Freitag, den 2. November
Ich beschloß, zwei Spanier an Land zu schicken, und zwar einen gewissen Rodrigo de Xeres, wohnhaft in Ayamonte, und einen zweiten Spanier namens Luis de Torres, einen bekehrten Juden und ehemaligen Bedienten des Gouverneurs von Murcia, der angeblich die hebräische und kaldäische Sprache beherrschen und auch etwas Arabisch verstehen soll. Ihnen gab ich zwei Indianer mit; einen davon wählte ich unter jenen aus, die ich in Guanahaní eingeschifft hatte, während der andere zu den Bewohnern der Siedlungen in der Nähe des Flusses zählte. Ich gab ihnen allen Glasperlenketten mit, damit sie in der Lage wären, im Tauschweg sich Lebensmittel zu beschaffen, falls sie Mangel daran hätten. Nach sechs Tagen sollten sie wiederkehren. Ferner gab ich ihnen Gewürzmuster mit, damit sie nachforschen können, ob ähnliche Gewürze vorhanden wären. Außerdem unterwies ich sie, auf welche Art sie den Aufenthaltsort des Königs jenes Landes erkunden und was sie ihm nach erfolgter Begegnung im Namen der Beherrscher Kastiliens ausrichten sollten: Letztere hätten mich entsendet, um ihm ein eigenhändiges Schreiben und ein Geschenk zu überreichen, sich nach seinem Befinden zu erkundigen, freundschaftliche Beziehungen anzubahnen und ihm alle ihre guten Dienste, die ihm erwünscht wären, anzubieten, und so fort. Überdies empfahl ich diesen meinen Botschaftern auf das wärmste, genaue Angaben und Erkundigungen über bestimmte Provinzen, Häfen und Flüsse, von denen ich vernommen hatte, einzuziehen und festzustellen, wieweit entfernt sie von meinem Ankerplatz lagen, und anderes mehr.
An Ort und Stelle berechnete ich im Laufe der Nacht mit dem Quadranten die Höhe des Polarsterns und kam zu dem Ergebnis, daß wir uns am 42. Breitengrad befinden. 1 Nach meinen Berechnungen haben wir von der Insel Ferro bis zu jenem Punkte 4568 Seemeilen zurückgelegt und liegen nun dem Festland gegenüber vor Anker.
Im Verlauf des Morgens bestieg ich meine Schaluppe. Da jener Fluß an seiner Mündung einen großen See bildet, der einen vortrefflichen Hafen abgibt mit tiefem Wasser und ohne alle Felsbildungen, mit einem Strand, der wie dazu geschaffen war, die Schiffe an Land einer Ausbesserung zu unterziehen, und überdies reich an Holz war, bog ich in diesen Fluß ein und fuhr an die zwei Seemeilen stromaufwärts. Dort fand ich Süßwasser und bestieg einen Hügel, um mir das Land genauer zu besehen. Allein wegen der sich weithin erstreckenden dichten Laubwälder vermochte ich nichts zu sehen. Da ich einen starken Wohlgeruch verspürte, nahm ich ohne weiteres an, daß hier Kräuter und Pflanzen vorhanden sein müssen.
Alles, was sich meinem Blicke bot, war so herrlich anzusehen, daß ich des Bewunderns nicht müde wurde. Bezaubernd ist der muntere Sang großer und kleiner Vögel.
Im Laufe des Tages umgaben zahlreiche Eingeborenenkanoes die Schiffe, um mit aus Baumwolle verfertigten Gegenständen und Netzen, in denen sie schliefen, also Hängematten, Tauschhandel zu treiben.
Sonntag, den 4. November
Bei Tagesanbruch begab ich mich mit meiner Schaluppe an Land, um auf einige jener Vögel, die ich tags zuvor gesehen hatte, Jagd zu machen. Bei meiner Rückkehr suchte mich Martin Alonso Pinzón auf und brachte mir zwei kleine Stücke Zimtrinde mit. Er berichtete mir, ein Portugiese, der an Bord der „Pinta“ war, habe beobachtet, wie ein Indianer große Mengen davon an Bord gebracht habe; doch habe er es nicht gewagt davon etwas zu erstehen, aus Furcht, sich eine Bestrafung zuzuziehen, die ich allen jenen angedroht hätte, die sich in einen Tauschhandel einließen. Martin Alonso gab ferner an, daß jener Indianer rote Beeren gezeigt habe, die die Größe von Nüssen hätten. Auch der zweite Bootsmann der „Pinta“ wußte zu berichten, Zimtrohrpflanzen ausfindig gemacht zu haben. Sofort begab ich mich zur bezeichneten Stelle, stellte jedoch fest, daß es sich nicht um Zimtrohr handelte. Ich zeigte einigen jener Indianer die aus Kastilien mitgebrachten Musterproben von Zimt und Pfeffer. Jene gaben vor, diese Gewürze zu kennen; mit Zeichen gaben sie zu verstehen, daß nicht weit von hier in südöstlicher Richtung große Mengen jener Gewürze zu finden seien. Ich zeigte ihnen auch Gold und Perlen, worauf einige Eingeborene vorgerückten Alters zur Antwort gaben, daß an einem Ort mit Namen „Bohío“ Gold in Überfülle vorhanden sei und daß die Bewohner jener Gegend an Armen und Beinen, um den Hals und an den Ohren Gold trügen; dort gebe es auch Perlen. Außerdem glaube ich, aus ihren Reden verstanden zu haben, daß in diesem Land größere Schiffe und Waren zu finden seien; dies alles sei im Südosten anzutreffen. Noch weiter entfernt treffe man Männer an, die nur einäugig seien, und Solche, die eine Hundeschnauze hätten, welche sich von Menschenfleisch nährten und jeden Menschen, dessen sie habhaft würden, sofort enthaupteten, um sein Blut zu trinken und ihn zu entmannen.
Ich begab mich daraufhin wieder auf mein Schiff und beschloß, auf die Rückkehr der beiden Männer zu warten, die ich auf die Suche des Großen Khan geschickt hatte. Falls sie ohne die gewünschten guten Nachrichten wiederkehren, werde ich mich aufmachen, um nach andern Ländern zu forschen.
Diese Leute sind sehr fügsam und schüchtern und, wie ich bereits erwähnt habe, vollkommen nackt. Sie kennen weder Waffen noch Gesetze. Die Erde ist von großer Fruchtbarkeit und bringt eine große Menge von „Mames“ hervor, eine Art Rüben, die nach Kastanien schmecken; ferner Bohnen, die den unsrigen nicht gleichen, und vor allem viel Baumwolle, die nicht erst gepflanzt wird, sondern in den zwischen den Bergen liegenden Tälern in Form großer Pflanzen wild wächst. Meines Erachtens ernten sie die Baumwolle zu jeder Jahreszeit, da ich an ein und derselben Pflanze offene Baumwollkapseln neben solchen gesehen habe, die sich gerade öffneten oder in Blüte standen. Im Lande gedeihen überdies tausenderlei verschiedene Fruchtarten, die ich unmöglich alle beschreiben kann. Dies alles aber muß großen Nutzwert haben.
Montag, den 5. November
Am Morgen ließ ich die „Santa Maria“ und die beiden andern Schiffe an Land ziehen, und zwar nicht alle drei gleichzeitig, sondern in der Art und Weise, daß jeweils zwei Schiffe Seite an Seite im Wasser verblieben, um die Sicherheit der Mannschaften zu gewährleisten, obwohl nach meinem Dafürhalten jene Eingeborenen ganz harmlos sind und man ohne jede Besorgnis alle drei Schiffe gleichzeitig hätte an Land ziehen können, um sie frisch zu teeren und auszubessern.
Während dieser Zeit meldete sich der zweite Bootsmann der „Niña“ bei mir und verlangte nach einer Belohnung, da er Mastix entdeckt habe (Harz des Mastixbaumes); doch könne er keine Probe davon vorweisen, da er sie unterwegs verloren habe. Ich versprach ihm die gewünschte Belohnung und beauftragte Rodrigo Sañchez und Meister Diego, die Pflanzen in Augenschein zu nehmen, von denen jenes Harz abgebrochen war. Bei ihrer Rückkehr brachten sie tatsächlich eine Kleinigkeit von jenem Harze mit die ich zusammen mit einigen Zweigen jener Pflanze aufbewahrte, um sie dem König und der Königin vorzulegen. Tatsächlich hat es sich um Mastixharz gehandelt; doch muß man dieses zur rechten Jahreszeit einbringen. An jenem Ort ist so viel Mastixharz zu finden, daß man einen jährlichen Ertrag von tausend Zentner haben kann.
Ich fand dort auch große Mengen eines Holzes, das mir Aloe zu sein schien. Jener Seehafen ist einer der besten der Welt, mit einem hervorragenden Klima und einer friedlichen Bevölkerung, und da er von einem felsigen Vorgebirge von beträchtlicher Höhe überragt wird, kann man hier ein kleines Fort errichten, damit die Kaufleute hier eine sichere Unterkunft und einen Schutz vor jedwelchem feindlichen Staate finden können, falls der Hafen sich zu einem richtigen Stapelplatz entwickeln sollte. Der allmächtige Herr, in dessen Hände alle Siege gelegt sind, möge all das in Erfüllung gehen lassen, was seinen Plänen dienlich ist!
Ein Indianer gab mir mit Gebärden zu verstehen, daß das Mastixharz gut sei gegen Magenschmerzen.
Dienstag, den 6. November
In der gestrigen Nacht sind die zwei Männer, die ich zur Auskundschaftung der im Innern gelegenen Gegend ausgesandt hatte, zurückgekehrt. Sie berichteten mir, nach Zurücklegung von 48 Seemeilen zu einer Siedlung gelangt zu sein, die an die 50 Hütten umfaßte und etwa tausend Bewohner zählen mochte, da erwiesenermaßen in ein und derselben Behausung mehrere Leute zusammen wohnten. Diese Hütten glichen geräumigen Zelten eines militärischen Feldlagers. Sie seien von den Eingeborenen der Sitte gemäß mit großer Feierlichkeit empfangen worden; Männer und Frauen seien ihnen entgegengeeilt, um sie sehen zu können, und hätten sie in den besten Behausungen untergebracht. Die Indianer hätten ihr großes Erstaunen zum Ausdruck gebracht und zu verstehen gegeben, daß sie glaubten, die Neuankömmlinge seien geradewegs vom Himmel gekommen, wobei sie sie betasteten, ihnen die Hände und Füße küßten und ihnen ihre Speisen anboten.
Die beiden Spanier berichteten weiter, daß bei ihrer Ankunft in jener Siedlung die Häuptlinge sie bis zur vornehmsten Behausung getragen und ihnen zwei Stühle angeboten hätten, auf denen sie sich niederließen, während die Eingeborenen rund um sie herum am Boden Platz genommen hätten. Der Indianer, der sie dorthin geleitet hatte, erläuterte den andern Indianern die Lebensweise der Christen und erklärte, daß sie brave Leute seien. Daraufhin hätten sich die Männer zurückgezogen um den Frauen Platz zu machen, die sich gleichfalls im Kreise um die Spanier herum zu Boden niederließen, ihnen Hände und Füße küßten und sie betasteten, um sich zu vergewissern, ob auch sie aus Fleisch und Blut seien. Schließlich hätten sie sie gebeten, mindestens fünf Tage lang bei ihnen Aufenthalt zu nehmen.
Die Spanier zeigten ihnen Zimtrohr, Pfeffer und andere Gewürze, die ich ihnen mitgegeben hatte, worauf die Indianer ihnen bedeuteten, daß in der Umgebung derartige Gewürze reichlich vorhanden seien, und zwar gegen Südosten, daß sie aber nicht wüßten, ob sie an Ort und Stelle vorkämen. Da es ihnen nicht gelang, irgendwelche Angaben über die gesuchte Stadt zu erhalten, machten sich die beiden Botschafter wieder auf den Rückweg. Hätten sie sich einverstanden erklärt, so hätten ihnen mehr als fünfhundert Leute an Männern und Frauen das Geleit gegeben, da sie der Meinung waren, daß die Fremdlinge wieder in den Himmel zurückkehrten.
Trotz all dem schloß sich ihnen einer der Häuptlinge des Ortes samt seinem Sohn und seinem Sklaven an. Ich bereitete ihnen einen herzlichen Empfang und deutete nach den vielen Ländern und Inseln, die sich in jener Gegend befanden. Ich trug mich mit dem Gedanken, jenen Häuptling dem König und der Königin vorzuführen, und wußte es mir nicht zu erklären, welcher Laune folgend, außer aus Furcht, jener Häuptling bei Einbruch der Nacht an Land zurückkehren wollte. Um ihn nicht zu verstimmmen und da das Schiff an den Strand gezogen war, ließ ich ihn ziehen, nicht ohne ihm das Versprechen abgenommen zu haben, bei Tagesanbruch zurückzukehren. Doch er ließ sich niemals wieder blicken.
Ferner erzählten die beiden Spanier, unterwegs ganzen E ingeborenenhaufen begegnet zu sein, die zu ihren Siedlungen zurückkehrten und einen Feuerbrand und bestimmte Kräuter in Händen hielten, um sich ihren Gebräuchen gemäß zu beräuchern. Sie stießen auf keine Siedlung, die mehr als fünf Hütten umfaßt hätte. Überall wurde ihnen der gleiche Empfang zuteil.
Sie sahen zahlreiche Baumarten, Kräuter und wohlriechende Blumen, verschiedenste Vogelarten, die in Spanien unbekannt sind, außerdem auch Rebhühner, Nachtigallen und Gänse, die dort sehr zahlreich sind. Sie bemerkten keine Vierfüßler, abgesehen von Hunden, die nicht bellten.
Der Boden ist äußerst fruchtbar und wird mit „mames“ (Bohnen), die den unsern nicht gleichen, und Fennich bebaut. Sie sahen große Mengen Rohbaumwolle, gesponnene und verarbeitete Baumwolle und schätzten, daß in einer einzigen Hütte eine Baumwollmenge vom Gewicht von mehr als 500 „Arrobas“ angesammelt werde und daß man jedes Jahr daraus einen Ertragvon 4000 Zentnern gewinnen könne. Ich bin der Ansicht, daß die Baumwolle nicht angepflanzt wird und die Baumwollernte das ganze Jahr hindurch andauert. Es handelt sich um eine sehr feine Baumwollart, die eine sehr große Hülse hat.Die Eingeborenen veräußerten all ihre Habe zu Schleuderpreisen, so daß sie für ein kurzes Band oder für irgendeine Kleinigkeit, die man ihnen bot, einen ganzen Korb voll Baumwolle im Tausche hergaben.
Diese Leute kennen keine Arglist und sind wenig kriegerisch. Männer und Frauen gehen nackt umher, wie sie Gott erschaffen hat. Allerdings tragen die Frauen ein Baumwolltuch um ihre Lenden; aber das ist auch alles. Sie sind sehr ehrfürchtig. Ihre Hautfarbe ist nicht sehr dunkel und heller als jene der Frauen auf den Kanarischen Inseln. Ich bin überzeugt, erlauchteste Fürsten, daß alle diese Leute gute Christen würden, sobald fromme und gläubige Männer ihre Sprache beherrschen werden. Deshalb hoffe ich zu Gott, daß Eure Hoheiten sich baldigst dazu verstehen werden, derartige Männer hierher zu senden, um so große Völker zu bekehren und dem Schoß der Kirche einverleiben zu können, nicht anders wie jene Völker vernichtet worden sind, die sich nicht zur Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist bekennen wollten. Und wenn die Zeit des Erdendaseins Eurer Hoheiten vorüber sein wird – denn wir alle sind sterblich -, dann wird in den Königreichen die größte Ruhe herrschen, da sie von jeder Häresie und jedem bösen Geist erlöst sein werden, während die Seelen Eurer Hoheiten vor ihren Schöpfer treten werden, von dem ich sehnlichst erflehe, daß er Euren Hoheiten ein langes Leben und eine stete Erweiterung Eurer Königreiche und Herrschaften beschere und den festen Willen verleihe, den heiligen christlichen Glauben zu verbreiten, wie Eure Hoheiten es bisher gehalten haben. Amen!
Heute habe ich mein Schiff wieder ins Wasser setzen lassen und rüste mich zur Weiterfahrt, um am kommenden Donnerstag im Namen des Allmächtigen gegen Südwesten, auf der Suche nach Gold, Gewürzen und neuen Ländern abzusegeln.