Über den Atlantik
Donnerstag, 6. September
Am Morgen dieses Tages verließ ich den Hafen von La Gomera und ging unter Segel, um meine Überfahrt zu beginnen. Eine uns begegnende Karavelle, die von der Insd Ferro kam, verständigte mich davon, daß in jenen Gewässern drei portugiesische Karavellen kreuzten, in der Absicht, mich abzufangen. Dieses Vorhaben stehe im Zusammenhang mit dem Unwillen des Königs von Portugal, der darüber verärgert war, weil ich mich nach Kastilien begeben habe, um dem König dieses Landes meine Dienste anzutragen.
Den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch herrschte Windstille vor. Am Morgen befand ich mich zwischen La Gomera und Teneriffa.
Freitag, 7. September
Den ganzen Freitag und Samstag bis um drei Uhr nachts lagen wir wegen völliger Flaute bei.
Samstag, 8. September
Samstag gegen drei Uhr nachts erhob sich ein aus Nordosten kommender Wind, worauf ich in den Kurs Westen setzte. Wir liefen gegen starke See, die uns an der Fahrt hinderte, so daß wir an jenem Tage und der folgenden Nacht nur um 36 Seemeilen vorwärts kamen.
Sonntag, 9. September
Wir kamen um 60 Seemeilen weiter. Ich beschloß, weniger einzutragen, als wir tatsächlich zurückgelegt hatten, damit meine Leute nicht den Mut verloren, falls die Reise zu lange dauern sollte. Im Laufe der Nacht brachten wir 120 Seemeilen hinter uns, bei einer Stundengeschwindigkeit von 10 Seemeilen. Die Steuerleute hielten den Kurs schlecht ein, indem sie um einen oder um einen halben Strich nach Nordwesten abschwenkten, was ich ihnen des öfteren vorhielt.
Montag, 10. September
Wir legten 240 Seemeilen in Tag- und Nachfahrt zuruck, mit einer Stundengeschwindigkeit von 10 Seemeilen; allein ich verzeichnete nur 192 Seemeilen, damit die Mannschaft wegen der großen Lange der Fahrt nicht unwillig werde.
Dienstag, 11. September
Auf einer Strecke von 80 und mehr Seemeilen setzten wir unsere Fahrt auf dem eingeschlagenen Kurs, also nach Westen, fort. wir sichteten einen großen stumpf eines Mastbaumes, der einem Schiff von 12Otonnen gehört haben mußte, den wir aber allen Anstrengungen zum Trotz nicht bergen konnten. Nachts durchliefen wir an die weiteren 80 Seemeilen, allein ich verzeichnete aus dem weiter oben angeführten Grunde nur 64 davon.
Mittwoch, 12. September
Innerhalb von 24 Stunden legten wir 132 Seemeilen zurück, ich schrieb aber wieder aus dem gleichen Grunde um einiges weniger auf.
Donnerstag, 13. September
Im Laufe dieses Tages und der Nacht durchmaßen wir auf unserer Fahrt nach Westen 132 Meilen; ich verzeichnete 12 oder 16 Seemeilen weniger. Wir hatten mit Gegenströmung zu kämpfen. Zu Beginn dieser Nacht wichen die Kompaßnadeln nach Nordwesten ab, morgens zeigten sie mehr nach Nordosten.
Freitag, 14. September
Wir setzten unsere Fahrt in westlicher Richtung fort und brachten in 24 Stunden 80 Seemeilen hinter uns; ich berechnete wieder einige Meilen weniger. Die Leute der „Nina“ meldeten, einen Reiher und einen anderen Vogel gesichtet zu haben; nun sind dies Vögel, die sich nie mehr als etwa 100 Seemeilen vom Lande entfernen.
Samstag, 15. September
An diesem Tage und in der folgenden Nacht legte mein Schiff mehr als 108 Seemeilen zurück, immer nach Westen zu. Bei Anbruch der Nacht sahen wir, wie ein herrlich anzusehender Feuerstreifen in einer Entfernung von 16 oder 20 Seemeilen den Himmel durchfuhr und niederging.
Sonntag, 16. September
Stets auf der Fahrt nach Westen begriffen, kamen wir umweitere 156 Seemeilen vorwärts, allein ich schrieb nur 144 davon auf. Der Himmel umwölkte sich und es ging etwas Regen nieder.
Von diesem Tage an werden wir immer ein mildes Klima antreffen. Mit wahrem Genuß erlebte ich die Schönheit eines jeden Morgens denen fast nichts anderes zu ihrem vollen Zauber fehlte, als der Sang der Nachtigallen
Es war wie ein heiteres Aprilwetter in Andalusien Und hier war es auch, wo wir zum erstenmal große Mengen grünen frischen Grases sichteten, das sich erst vor kurzem von der Erde losgerissen zu haben schient, weshalb alle der Meinung waren, daß man sich in der Nähe irgendeiner Insel, nicht aber des Festlandes befinden müsse; denn ich bin der Ansicht, daß das Festland noch weiter vor uns liegt.
Montag, 17. September
So setzten wir unsere Fahrt in westlicher Richtung fort und zwar kamen wir um mehr als 200 Seemeilen in Tag und Nachtfahrt vorwärts. Wieder vermerkte ich nur 188. Die Strömung beschleunigte unser Vorwärtskommen. Wir sichteten des öftern viel Gras; immer handelte es sich um Gras, das auf Klippen wuchs und von Westen herkam, weshalb wir meinten, uns in Landnähe zu befinden.
Die Kapitäne stellten die Lage fest und merkten, daß die Kompasse wiederum um einen guten Strich deklinierten (abwichen); die Matrosen zeigten sich furchtsam und bekümmert, sagten aber nicht warum. Ich bemerkte es und trug den Kapitänen auf, bei Tagesanbruch aufs neue den Standort zu bestimmen und die Nadeln mit dem Nordpunkt genau zu kontrollieren. Hierbei stellten sie fest, daß die Nadeln doch richtig waren. Dies rührte nicht daher, daß die Nadeln sich bewegten, wohl aber der Polarstern.
An jenem Montag stießen wir im Morgengrauen auf immer größere Mengen Grases, das von einem Flusse zu kommen schien, und fanden dann einen lebenden Krebs, den ich untersuchte und für ein sicheres Anzeichen ansah, daß Land in der Nähe sei, da man Krebse nie über eine Entfernung von 120 Seemeilen vom Ufer anzutreffen pflegt. Wir stellten auch feste, daß das Seewasser weniger gesalzen war, als zur Zeit unserer Abfahrt von den Kanarischen Inseln, und daß die Luft immer milder wurdes, so waren wir alle recht frohgestimmt und die Schiffe liefen um die Wette, wer wohl als erster das Land sichten werde. Wir sahen viele Thunfische, die Mannschaft der „Nina“ erlegte auch einen von ihnen.
Dies sind lauter Anzeichen dafür, daß im Westen Land vorhanden sein müsse. Allwo ich zuversichtlich hoffe, daß der allmächtige Herrgott in dessen Händen jeder Sieg liegt, uns recht bald auf Land stoßen lassen wird. Am Morgen sichtete ich einen weißen Vogel, der „paglia in coda“ heißt und niemals am Meere zu schlafen pflegt.
Dienstag, 18. September
Diesen Tag und die darauffolgende Nacht legten wir mehr als 220 Seemeilen zurück, doch vermerkte ich nur 192. Die ganze Zeit über blieb die See ganz still und ruhig, wie der Fluß von Sevilla.
An diesem Tag fuhr Martin Alonso mit der „Pinta“ vor, die geschwind dahinsegelte, nicht ohne mich vorher von seiner Karavelle aus verständigt zu haben, daß er einen großen Schwarm Vögel gegen Westen habe fliegen sehen und daß er also hoffe, im Laufe der Nacht Land zu sichten, weshalb er seine Karavelle mit vollen Segeln laufen ließ. Gegen Norden zu dehnte sich eine trübe Dunstschicht aus, was das Anzeichen nahen Landes ist.
Mittwoch, 19. September
Da zumeist Windstille herrschte, durchmaßen wir in Tag und Nachtfahrt bloß 100 Seemeilen, wovon ich nur 88 einschrieb. Gegen zehn Uhr morgens ließ sich ein Pelikan an Bord der „Santa Maria“ nieder; des nachts tauchte noch ein zweiter auf. Diese Vögel pflegen sich nie mehr als 80 Seemeilen vom Lande zu entfernen. Einige Regenschauer ohne jeden Wind gingen nieder, was auf Landnähe hindeutet.
Ich wollte mich jedoch nicht mit einem längeren Aufkreuzen aufhalten, um festzustellen, ob dort wirklich Land vorhanden sei, obzwar ich davon überzeugt war, daß sowohl auf der südlichen wie auf der nördlichen Seite mehrere Inseln liegen mußten, was ja auch den Tatsachen entsprach. Denn mir lag nur daran, bis nach Indien vorzudringen. Das Wetter ist uns günstig; deshalb ist es angezeigter, uns dies alles, wenn es Gott gefallen wird, auf unserer Rückreise anzusehen.
Die Kapitäne machten sich an die Positionsbestimmung; nach der Berechnung jenes der sNina“ befanden wir uns in einer Entfernung von 1760 Seemeilen von den Kanarischen Inseln, wahrend diese vom Kapitän der „Pinta“ auf bloß 1680 Seemeilen, und von meinem Kapitän auf rund 1600 Seemeilen abgeschätzt wurde.
Donnerstag, 20. September
Wir fuhren mit Kurs West-zu-Nord. Wegen der unsteten Brisen mußten wir oft kurswechseln, weshalb wir nur 28 oder 32 Seemeilen vorwärts kamen. Zwei Pelikane erreichten das Flaggschiff, später kam noch ein dritter hinzu, was auf Landnahe schliefen ließ. Wir sichteten viel grünes Gras, wenngleich wir am Vortage keines gesehen hatten. Meine Leute fingen mit den Händen einen Vogel, der einer Möwe glich und ebensolche Füße hatte; es handelte sich hier um einen auf Flüssen vorkommenden Vogel, nicht aber um einen Seevogel.
Im Morgengrauen ließen sich noch weitere zwei oder drei kleine Landvögel auf das Schiff nieder, die munter zwitscherten und nach Sonnenaufgang verschwanden. Später kam aus West-Nordwest ein Pelikan angeflogen und setzte seinen Flug nach Südosten fort, woraus man entnehmen konnte, daß er von in westnordwestlicher Richtung gelegenem Lande abgeflogen sein mußte, da diese Vögel am Lande schlafen, morgens aber aufs Meer hinausfliegen, um Nahrung zu suchen, wobei sie sich aber niemals weiter als 80 Seemeilen vom Ufer entfernen.
Freitag, 21. September
Den ganzen Tag über herrschte Windstille, erst später kam etwas Wind auf. Wir legten auf unserer Kursrichtung und zum Teil außerhalb ihrer an die 52 Seemeilen zurück. Im frühen Morgengrauen erblickten wir so große Mengen Grases, das, aus Westen kommend, das Meer so dicht bedeckte, daß es den Anschein erweckte, als wäre das Meer eine einzige, ins Stocken geratene grüne Masse .2 Ein Pelikan wurde gesichtet. Das Meer war spiegelglatt, wie ein ruhiger Strom und die Luft weich und mild. wir erspähten einen Walfisch, was wieder auf Landnähe hindeutete, denn diese Tiere halten sich stets in der Nähe des Landes auf.
Samstag, 22. September
Wir hielten Kurs auf West-Nordwest, wobei wir bald mehr nach der einen, bald mehr nach der andern Seite abwichen. Wir brachten an die 120 Seemeilen hinter uns, fast ohne jenes Gras anzutreffen. Wir sichteten einige Sturmvögel und andere Vogelarten.
Diesen Gegenwind habe ich unbedingt nötig gehabt, mußte ich doch meine Mannschaften stets zur Weiterfahrt antreiben, da sie der Ansicht waren, daß in diesen Gewässern keine Winde gingen, die geeignet waren, unsere Schiffe nach Spanien zurückzubringen.
Einige Stunden lang war an diesem Tage auf dem Meere weit und breit kein Gras zu sehen, daran aber tauchte es in großer Dichte wieder auf.
Sonntag, 23. September
Wir hielten weiter Kurs auf Nordwesten, wobei wir manchmal mehr gegen Norden, dann wieder im richtigen Kurs, also nach Westen, fuhren und 88 Seemeilen zurücklegten. Wir sichteten eine Turteltaube, einen Pelikan, einen andern Flußvogel und mehrere weiße Vögel; das Gras wurde wieder sehr dicht, in ihm fanden wir zahlreiche Krebse.
Da das Meer unbeweglich dalag, begannen meine Leute zu murren; sie äußerten die Ansicht, dass wir keine günstigen Winde zur Heimfahrt nach Spanien haben würden, da wir in diesen Gegenden des Ozeans niemals einen hohen Seegang erlebt hatten.
Späterhin jedoch ging die See hoch, ohne daß sich ein Windhauch erhoben hatte.
So kam mir diese tote See sehr zustatten. Ein derartiges Wunder hat sich nur noch zur Zeit der Juden zugetragen, als sich nämlich die Ägypter zur Verfolgung des Moses aufgemacht hatten, der Israel aus der Sklaverei befreite.
Montag, 24. September
Die Fahrt ging in westlicher Richtung weiter; in 24 Stunden legten wir 58 Seemeilen zurück, ich verrechnete nur 48 davon. Ein Pelikan kam in Schiffsnähe und viele Sturmvögel wurden gesichtet.
Dienstag, 25. September
Wir hatten viel unter Windstille zu leiden; dann kam Wind auf. Bis zum Einbruch der Nacht fuhren wir mit westlichem Kurs.
Ich hatte mit Martin Alonso Pinzon, dem Kapitan der „Pinta“, eine längere Beratung, deren Gegenstand eine Karte bildete, die ich ihm drei Tage zuvor an Bord geschickt hatte und auf welcher gewisse Inseln jener Gewässer verzeichnet erschienen, die sich nach dem Dafürhalten Martin Alonsos in dieser Gegend befinden mußten. Ich sagte, dies auch zu glauben. Die Tatsache aber, daß wir bislang noch nicht auf jene Inseln gestoßen sind, muß dem Umstande zugeschrieben werden, daß die Meeresströmungen die Schiffe unausgesetzt in nordöstlicher Richtung abtrieben und sie daher nicht soweit vorwärtsgekommen waren, als die Kapitäne es wahrhaben wollten. Während wir uns darüber unterhielten, ersuchte ich Martin Alonso, mir die genannte Karte herüberzusenden. Als Pinzon sie mir dann an einer Leine zugeworfen hatte, machte ich mich sofort daran, gemeinsam mit dem Kapitän und meinen Matrosen die Karte zu studieren.
Bei Sonnenuntergang erschien Martin Alonso am Heck seines Schiffes, rief mit freudig bewegter Stimme nach mir und forderte eine Belohnung, da er Land entdeckt habe. Als ich vernahm, daß Pinzon hartnäckig bei seiner Behauptung blieb, warf ich mich auf die Knie, um Gott Dank zu sagen, während Martin Alonso mit seiner Mannschaft das „Gloria in excelsis Deo“ zu beten anhub. Ein gleiches tat auch die Mannschaft der „Santa Maria“. Die
30 Leute der „Nina“ kletterten auf die Masten und Wanten und behaupteten samt und sonders, Land vor sich zu sehen. Auch mir wollte es so vorkommen, als müßte Land da liegen und zwar in einer Entfernung von 100 Seemeilen. Bis in die Nacht hinein wiederholten alle einstimmig, daß dies Land sein müsse.
Da ordnete ich an, von der bisher eingehaltenen westlichen Fahrtrichtung abzuweichen und Kurs nach Südwesten zu nehmen, in welcher Richtung das Land allem Anschein nach gesichtet worten war. So fuhren wir an jenemTage 18 Seemeilen nach Westen, während der Nacht aber 68 Seemeilen nach Südwesten, also insgesamt 86 Seemeilen. Meinen Leuten gegenüber sprachich aber nur von 52 Seemeilen, um ihnen die Reise kürzer erscheinen zu lassen. Auf diese Weise führte ich eine doppelte Rechnung: die zahlenmäßig geringere war nur eine vorgetäuschte, während die höhere der Wahrheit entsprach.
Die See blieb ruhig und glatt, so daß viele Matrosen ins Wasser sprangen und schwammen. Sie sahen viele „Dorados“ (Goldbrassen) und andere Fische.
Mittwoch, 26. September
Wir setzten unsere Fahrt in westlicher Richtung bis nach 12 Uhr mittag fort; dann nahmen wir solange Kurs nach Südwesten, bis wir erkannten, daß das, was wir für Land gehalten hatten, nur ein Stück des Himmels war.
In Tag- und Nachtfahrt legten wir 124 Seemeilen zurück, wovon ich meinen Leuten nur 96 vermeldete . Die See war spiegelglatt, die Luft weich und äußerst mild.
Donnerstag, 27. September
Wir fuhren weiter nach Westen, in 24 Stunden wurden weitere 96 Seemeilen durchmessen; meinen Mannschaften berichtete ich nur von 80 Seemeilen. Zahlreiche Dorados-Fische tauchten auf, wovon einer erlegt wurde.
Freitag, 28. September
Kurs Westen beibehalten. Bei schwachen Brisen legten wir 56 Seemeilen zurück, wovon ich nur 52 verrechnete. Wir fanden geringe Mengen jenes Grases vor und fingen zwei Goldbrassen, an Bord der anderen Schiffe fing man deren mehrere.
Samstag, 29. September
Kurs stets nach Westen. 96 Seemeilen wurden durchlaufen, 52 davon der Mannschaft gemeldet. Die Windstille war schuld daran, daß wir des Tages und über Nacht so wenig vorwärts kamen. Wir sichteten einen Vogel, der „rabihorcado“ genannt wird und der nichts anderes verzehrt, als was er die Pelikane von ihrer Nahrung wiedergeben läßt. Er ist ein Seevogel, doch schläft er nicht auf dem Wasser und entfernt sich nie über 80 Seemeilen vom Lande weg, sie kommen in großer Zahl auf den Kap-Verde-Inseln vor. Auch zwei Pelikane kramen in Schiffsnahe. Die Luft war so mild und wohltuend, daß zu alledem nur noch der Sang der Nachtigallen fehlte. Das Meer war spiegelglatt wie ein Fluss. Später tauchten drei Pelikane und ein Fregattenvogel auf. Viel Gras kam in Sicht.
Sonntag, 30. September
Wir setzten die Fahrt nach Westen fort. Wegen der herrschenden Windstille kamen wir nur um 56 Seemeilen in 24 Stunden vorwärts, doch vermeldete ich nur 44. Vier kleine Vögel ließen sich auf dem Flaggschiff nieder, was sehr dafür sprach, daß Land in der Nähe war, denn so viele Vögel derselben Gattung, die zusammen flogen, konnten sich nicht gut von den andern getrennt oder sich verflogen haben. Zweimal wurden je zwei Pelikane und viel Gras gesichtet.
Ich stellte fest, daß jene Sterne, die die „guardias“ (Wächter) genannt werden, bei Anbruch der Nacht in der Nähe des Armes in westlicher Richtung liegen, während sie im Morgendämmern unterhalb des Armes im Nordosten stehen; es scheint, als hatten sie im Laufe der Nacht sich nur um 3 Linien verschoben, was 9 Stunden entsprechen würde; dies bewahrheitet sich in jeder Nacht.
Zu Beginn der Nacht ergeben die Kompaßnadeln eine Deklination um einen Kompaßstrich, während sie bei Anbruch des Morgens genau in der Richtung zum Polarstern liegen, weshalb es einleuchtend ist, daß der Polarstern genau so wie die andern Sterne beweglich ist und daß die Kompaßnadeln stets die Wahrheit verzeichnen.
Montag, 1. Oktober
Auf unserer Fahrt nach Westen legten wir weitere 100 Seemeilen zurück; meinen Leuten vermeldete ich nur 80. Ein großer Regenguß ging nieder . Den Berechnungen des Kapitäns an Bord meines Schiffes zufolge, bei Anbruch des Morgens, hatten wir von der Insel Ferro bis hierher 2312 Seemeilen in westlicher Richtung zurückgelegt; meine verminderte Berechnung, die für meine Mannschaft bestimmt war, ergab 2336 Seemeilen, während die genaue Berechnung, die ich geheimhielt, 2828 Seemeilen ausmachte.
Dienstag, 2. Oktober
Während des Tages und der folgenden Nacht kamen wir 156 Seemeilen auf unserer Fahrt nach Westen vorwärts, wovon ich meiner Mannschaft gegenüber nur 120 erwähnte. Das Meer blieb auch weiterhin ruhig. Der Herrgott sei vielmals bedankt.
Das Gras kam nun von Osten und zog nach Westen, in gerade umgekehrter Richtung zur bisher üblichen. Zahlreiche Fische belebten das Meer, einer wurde erlegt; ferner sichteten wir einen weißen Vogel, der einer Möwe glich.
Mittwoch, 3. Oktober
Ich kam auf meinem gewohnten Kurs um 188 Seemeilen weiter, wovon ich nur 160 angab. Sturmvögel umflogen das Schiff und viel Gras umgab die Schiffe, das teilweise alt, zum anderen Teil ganz frisch war, und eine Art Früchte trug. Eine andere Vogelart wurde nicht gesichtet und ich meinte, die Inseln, die auf der Karte eingezeichnet waren, bereits hinter uns gelassen zu haben.
Sowohl in der vergangenen Woche als in diesen Tagen, da sich so viele Anzeichen nahen Landes zeigten, wollte ich mich nicht mit langem Hin- und Herkreuzen aufhalten, obwohl ich annahm, daß in dieser Gegend Inseln vorhanden sein mußten; allein ich wollte nicht unnütz Zeit verlieren, war doch das Ziel meiner Fahrt Indien, weshalb es sinnlos gewesen wart, hier langer zu verweilen.
Donnerstag, 4. Oktober
Ich rückte um 252 Seemeilen gegen Westen vor, in Nacht- und Tagfahrt; der Mannschaft gab ich nur 184 an.
Mehr als vierzig Sturmvögel ließen sich als ein ganzer Schwarm auf Deck nieder, ebenso zwei Pelikane, von denen ein Schiffsjunge einen mit Steinen bewarf. Ebenso umkreisten ein Fregattenvogel und ein weißer Vogel, der wie eine Möwe aussah, die „Santa Maria“.
Freitag, 5. Oktober
Mit einer Stundengeschwindigkeit von 11 Seemeilen fuhren wir in der gewohnten Kursrichtung weiter und da im Laufe der Nacht der Wind etwas nachgelassen hatte, legten wir nur 228 Seemeilen zurück, wovon ich nur 180 angab. Die See war unbewegt und glatt. Ich tankte Gott aus ganzem Herzen.
Die Luft war mild und lau, kein Gras kam in Sicht, dafür sehr viele Vögel und Möwen; zahllose Seeschwalben fielen in ihrem Fluge auf das Schiffsdeck.
Samstag, den 6. Oktober
Wir fuhren 160 Seemeilen weiter gegen Westen, von denen ich nur 132 verrechnete.
Im Verlaufe der Nacht meinte Martin Alonso, daß es angezeigt wäre, nach Südwest-zu-West Kurs zu nehmen. Allein ich hatte den Eindrucks Martin Alonso habe dies nur in der Absicht gesagt, die Insel von Cipango zu erreichen, während ich selbst der Ansicht war, daß wir im Falle eines Kurswechsels nicht so schnell an Land kämen und daß es ratsamer wäre, zunächst auf Festland zu stoßen und dann erst die Inseln anzulaufen.
Sonntag, 7. Oktober
Wir setzten die Fahrt in westlicher Richtung fort. Wäherend zweier Stunden liefen die Schiffe mit einer Geschwindigkeit von 12, später von 8 Seemeilen in der Stunde; knapp eine Stunde vor Sonnenuntergang hatten sie 92 Seemeilen zurückgelegt, aber ich sagte meinen Leuten, nur 72 Seemeilen durchlaufen zu haben.
Bei Sonnenaufgang sah ich, wie auf der Karavelle „Nina“, die als besserer Segler die Spitze innehatte, eine Flagge am Großmasttop gehißt wurde, und vernahm das Krachen einer Bombarde als Signal, daß Land in Sicht gekommen sei; denn so hatte ich es angeordnete. Tatsächlich fuhren alle drei Schiffe mit der größtmöglichen Geschwindigkeit, da jedes Schiff als erstes das Land sichten und so in den Besitz der Belohnung gelangen wollte, die die spanischen Herrscher für denjenigen ausgesetzt hatten, der als erster Land erspähen würde . Desgleichen hatte ich befohlen, daß sowohl bei Sonnenaufgang, als bei Sonnenuntergang die drei Schiffe Seite an Seite fahren sollten, da es zu dieser Zeit wesentlich leichter ist, eine weite Sicht zu haben, dank dem Umstande, daß die Nebelschleier sich verzichen. Da wir nun weder am Tage noch gegen Abend des Landes ansichtig wurden, das die Leute der „Nina“ gesichtet zu haben wähnten, und eine Unmenge Vögel von Norden gegen Südwesten flogen, woraus man schließen konnte, daß sie zur Schlafenszeit das Land aufsuchten oder vielleicht vor dem Winter flohen, der in jenen Gegenden, aus denen sie geflogen kamen, anbrechen mußte, und da ich ferner davon unterrichtet war, daß die Portugiesen die meisten in ihrem Besitz befindlichen Inseln dank dem Vogelflug entdeckt hatten, so gab ich meine Zustimmung, die westliche Kursrichtung aufzugeben und Kurs auf West-Südwest zu nehmen. Zwei Tage lang sollte man diese Fahrtrichtung innehalten.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang schlug die Armada die neue Kursrichtung ein, legte aber Tip ganze Nacht hindurch nicht mehr als 20 Seemeilen zurück; da sie tagsüber an die 92 durchlaufen hatte, so waren es insgesamt 112 Seemeilen.
Montag, 8. Oktober
Wir fuhren in Richtung West-Südwesten und brachten in Tag- und Nachtfahrt nicht ganze 48 Seemeilen hinter uns; wir liefen des nachts stellenweise mit einer Stundengeschwindigkeit von 15 Seemeilen. Die See war ruhig und friedlich, wie der Strom Sevillas. Gott sei Dank ist die Luft äußerst mild, wie im Monat April in Sevilla; es ist eine wahre Lust, sie einzuatmen, so angenehm ist ihr Duft.
Wieder erblickten wir jenes Gras, von dem früher die Rede war, doch war es ganz frisch, und zahlreiche Vögel des Feldes, die nach Südwesten flogen (einen davon fingen wir ein), ferner Krähen, Enten und einen Pelikan.
Dienstag, 9. Oktober
Wir fuhren weiter gegen Südwesten, wobei die Schiffe 20 Seemeilen zurücklegten. Der Wind sprang um, weshalb ich nunmehr Kurs West-zu-Nordwest fuhr auf einer Strecke von 16 Seemeilen; insgesamt legten wir 44 Seemeilen bei Tage und 90 des Nachts zurück – den Mannschaften gab ich nur 68 Seemeilen an. Die ganze Nacht über vernahmen wir das Vorbeiziehen von kleinen Vögeln.
Mittwoch, 10. Oktober
Ich blieb weiterhin auf west-süd-westlichem Kurs. Wir fuhren mit einer Stundengeschwindigkeit von 10 Seemeilen, stellenweise mit 12, dann wieder mit nur 7 Seemeilen. In Tag- und Nachtfahrt leisten wir 236 Seemeilen zurück, allein ich verrechnete nur 176 Seemeilen.
Zu diesem Zeitpunkte beklagten sich meine Leute über die lange Reisedauer, die ihnen unerträglich zu sein schien. Ich wußte sie jedoch aufzumuntern, so gut ich eben konnte, und stellte ihnen den Verdienst, den sie sich auf diese Weise verschaffen konnten, in nahe Aussicht. Dem fügte ich hinzu daß es zwecklos wäre, darüber in Streit zu geraten, da ich nun einmal entschlossen sei, nach Indien zu gelangen und die Reise solange fortzusetzen, bis ich mit Gottes Hilfe dahin gelangt sein werde.